Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, war sein Körper bereits in Bewegung. Es war reiner Instinkt, keine bewusste Entscheidung. Sein Großvater brauchte Hilfe, also handelte er!
Das Abendessen seines Großvaters fallen lassend, legte er die letzten Meter zur Eingangstür im Sprint zurück, bog scharf ab und sprang regelrecht in den Laden. Bahe registrierte sofort fünf unheilvolle Gestalten, eine von ihnen sogar mit Halstuch, Sonnenbrille und Kappe maskiert. Doch plötzlich verlor er den Boden unter den Füßen und krachte der Länge nach hin.
Sein überraschender Sturz zog sofort die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf ihn. Während manche lauthals lachten, meinte die vermummte Person, die er an der Stimme als Mann erkannte: „Na, wen haben wir denn da?“
„Bahe!“, rief sein Großvater fast im selben Moment vor Erstaunen aus, ehe er sich entsetzt den Mund zu hielt.
„Oh, unser alter Herr kennt den Jungen…“, gab der Maskierte direkt amüsiert von sich.
Bahe unterdrückte einen Fluch und kämpfte sich wieder auf die Beine, als er diesmal eine weibliche Stimme hinter ihm vernahm: „Darling, ich glaube der Knirps wollte mich begrapschen. Den Himmeln sei Dank konnte ich ihm ein Bein stellen und zu Sturz bringen. Nicht auszudenken, was diese Bestie mir sonst angetan hätte!“
Ungläubig starrte Bahe hinter sich und entdeckte eine junge Frau, die ebenfalls mit Halstuch Sonnenbrille und Kappe maskiert war und sich nun schnell zu ihrem Freund bewegte. Er wusste nicht worüber er wütender sein sollte, über seine eigene Dämlichkeit das Miststück unmittelbar im Eingangsbereich nicht bemerkt zu haben oder über den Schwachsinn, den sie von sich gab.
„Unglaublich, was du dich traust, Kleiner“, gab ihr maskierter Freund darauf von sich, während er der Frau besitzergreifend einen Arm über die Schultern legte und mit seiner Hand in ihren Ausschnitt griff. „Niemand legt Hand an meine Bitch! Männer, krallt euch diesen Hurensohn.“
Während das Miststück amüsiert kicherte, setzten sich die anderen Kerle, die Bahe bis dahin nie aus den Augen gelassen hatte, in Bewegung und umzingelten ihn schnell.
Sein Großvater rief in dem Moment panisch: „Haltet ihn da raus. Ihr habt doch nur mit mir ein Problem.“
„Haha, alter Sack“, lachte der maskierte Kerl. „Höre ich da etwa zum ersten Mal echte Panik heraus? Wer ist der Knirps? Steht er dir nahe? Was glaubst du wohl, werden wir mit ihm machen, wenn du nicht endlich deinen Job hin schmeißt?“
„Was?“, echote Bahe mit großen Augen, als er endlich verstand, worum es hier ging.
„Hehe, Kleiner, hier spielt die Musik“, erklang eine Stimme plötzlich gefährlich nah und Bahe riss seinen Kopf gerade noch rechtzeitig nach hinten. Eine Sekunde später schnellte die Faust von einem Kerl mit ungepflegtem Ziegenbart an seinem Gesicht vorbei.
Doch im nächsten Augenblick legte sich von hinten schon ein Arm um seinen Hals und ein dunkle Stimme raunte ihm belustigt mit fauligen Atem zu: „Habe ich dich...“
Im nächsten Moment ergriffen zwei weitere Mistkerle seine Arme und hielten ihn unter Kontrolle, als Bahe seinen Großvater plötzlich flehen hörte: „Ok, ich werde kündigen, noch heute, aber bitte tut Bahe nichts!“
„Nein, Opa, lass dich nicht von den Idioten erpressen!“, rief Bahe entsetzt, bereute seinen Lapsus aber sofort.
„Moment mal… Opa?“, fragte der Maskierte irritiert. „Der Ausländerknirps ist dein Enkel? What the Fuck? Hast du eine Tochter, die sich von ausländischem Abschaum besteigen lassen hat oder einen Sohn, der in den falschen Winkeln der Welt rumgefickt hat?“
Bei den verachtenswerten Worten, die der Maskierte von sich gab, stieg brennender Zorn in Bahe auf, doch der Bastard war immer noch nicht fertig.
„Hey, Männer“, wandte er sich an seine Kumpane und zeigte zur Kasse. „Bringt den ausländischen Scheißhaufen hier herüber.“
Die drei Kerle, die Bahe festhielten, schleiften ihn trotz seiner Gegenwehr rüber zur Kasse.
„Packt eine seiner Hände auf das Band“, befahlt der Maskierte und Bahes Großvater wurde sichtlich blass, während Bahe selbst das Herz endgültig in die Hose rutschte, als er sah, wie der Anführer ein Springmesser aus seiner Hosentasche beförderte.
„Hört sofort auf damit!“, schrie Bahes Großvater hysterisch und warf sich überraschend an einen der Bastarde, die Bahe festhielten.
„Hey, hey, hey! Opa, du hast ja erstaunlich viel Kampfgeist heute!“, spottete der Kerl mit dem ungepflegten Ziegenbart, der nach seinem versuchten Schlag gegen Bahe nur passiv zugeschaut hatte. Gewaltsam riss er Bahes Großvater von Bahe weg und schleuderte ihn zu Boden, ehe er ebenfalls ein Messer herausholte und es Bahes Großvater gegen die Kehle presste.
Bahe lief es bei diesem Anblick eiskalt den Rücken runter.
„An deiner Stelle würde ich nun schön stillhalten… Ansonsten bin ich mir nicht sicher, ob ich meine Hand ruhig halten kann?“, meinte der Bastard mit dem Ziegenbart und genoss offensichtlich den Anblick von Bahes vor Angst erstarrten Großvater, dessen Hände zitterten.
Bahe wagte es nicht mehr sich zu wehren und konnte nur zulassen, dass die Schläger, die ihn fixierten seine Hand auf das Laufband der Kasse pressten und seine Finger spreizten.
„So mein Kleiner, da dein Opa sich nun beruhigt hat, können wir in Ruhe spielen“, meinte der Maskierte belustigt und wedelte mit seinem Springmesser herum. „Weißt du, meine Bitch und ich sind Fans von unserem ganz eigenen Sport, wofür man fünf wundervolle Finger haben muss und wie der Zufall es so will, erfüllst du die Anforderungen.“
„Lass mich zuerst!“, ereiferte sich die maskierte Freundin des Anführers.
„Nicht so hektisch“, meinte der Maskierte. „Ich muss ihm doch zuerst die Regeln erklären.“
Für Bahe war jeder Satz eine Tortur… Man musste kein Genie sein, worauf der Idiot hinaus wollte und Bahe musste sich wirklich anstrengen ruhig zu bleiben, was ihm aber zunehmend weniger gelang als die Angst endgültig von ihm Besitz ergriff.
„Das Spiel selbst ist ganz einfach“, fuhr der Maskierte fort. „Wir stechen abwechselnd mit dem Messer zwischen deine Finger und werden mit der Zeit immer schneller. Sobald es einmal blutig wird hat jemand verloren. Du hast doch bestimmt Lust mitzumachen, oder? Oh und wenn ich dir einen Tipp geben darf, dass Zittern würde ich an deiner Stelle lieber sein lassen.“
Die Anderen lachten laut auf, offensichtlich amüsiert über die gekonnte Quälerei ihres Anführers.
Im Stillen suchte Bahe fieberhaft nach einer Möglichkeit aus dieser Situation, doch ihm wollte partout nichts einfallen. Solange seinem Großvater immer noch ein Messer an die Kehle gehalten wurde, konnte er sich nicht einmal wehren. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er alleine gegen fünf, eh keine Chance hätte.
Oh man… wie er sich für seine eigene Unüberlegtheit verfluchte, einfach drauf los zu stürmen…
Teil 4/?
Bis spätestens Sonntag!
RiBBoN