Der Reiter an der Spitze trug seinen Helm in der rechten Armbeuge und ließ den Kopf schwerfällig hängen. Neben ihm zügelte er sein Ross, hob das Haupt und ließ betrübte eingesunkene Augen sehen. Er schwang sein linkes Bein behänden über den Kopf seines Rosses, indem er seinen Oberkörper nach hinten verlagerte, und rutschte vom Sattel. Noch während des Aufkommens verfiel er auf ein Knie. Seinen Helm setzte er direkt vor Bens Füßen auf den bereits zum Teil gepflasterten Boden.
»Ich bin nicht länger würdig, die Ehre als obersten Schwertmann zu tragen, Herr. Richtet über mich.«
Die mit ihm eingerittenen Schwertmänner zogen unüberhörbar Luft ein und weiten unerwartet erschrocken die Augen. Einige von ihnen waren abgestiegen, führten ihre Pferde an den Zügeln und blieben wie angewurzelt stehen, um die angespannte Situation zu beobachten. Eine Zerreißprobe der Gefühle und beklemmende Luft füllte den äußeren Zwinger.
Ben beugte sich schwer atmend herab und legte seine Hände auf die Schulter seines Freundes, der erschlagen und gebeutelt vor ihm kniete und seine Strafe erwartete. Ben schüttelte den Kopf.
»Steh endlich auf«, sprach er aufmunternd ihm zu. »Dich trägt keine Schuld. Nimm deinen Helm und sorge mir dafür das die Pferde und Männer wohlbehalten ankommen. Wir reden zum Abendmahl.«
Jarik erhob sich mühselig und trug seinen Helm antriebslos in der rechten Hand. Er strahlte weder Stolz noch seine unerlässliche Selbstsicherheit aus. Er machte ein betrübtes Gesicht. »Du solltest ...«
»Nein, oberster Schwertmann. So einfach kommt ihr mir nicht davon, verstanden?« Er schaute zu den wartenden Schwertmännern und zeigte mit dem Finger auf Jarik. »Ist jemand von euch, aufrechten Männern der Ansicht, dass unser oberster Schwertmann seinen Dienst quittieren darf?«
Anstatt gesprochener Antworten standen sie energischem Kopfschütteln gegenüber.
»Da hast du es. Du bist und du bleibst oberster Schwertmann.«
Leiser und mehr für Jariks Ohren bestimmt, richtete er sich wieder voll und ganz zu Jarik. »Yaeko war auch mein Freund, vergiss das nicht. Lass uns später darüber reden, okay?«
Der oberste Schwertmann war alles andere als seiner selbst überzeugt, straffte sich jedoch, ging zu seinem Pferd und führte es mit sich. Die Übrigen folgten ihm und nicht minder wenige nickten ihrem Fürsten dankend zu.
Spät abends, als alle Arbeiten zum Erliegen kamen und das Abendmahl gereicht wurde, trafen sich Goram, Ben und Jarik im Zelt, welches lediglich noch für Besprechungen diente. Dieses wurde bedingt der wachsenden Baustellen immer wieder versetzt und befand sich mittlerweile mittig des inneren Burghofes, direkt neben dem Brunnen. Im Inneren standen wie üblich der große Tisch und die alten Bänke. Wärmende Brennsteinbecken waren aufgestellt und entzündet, da die Zeiten, nach Einbruch der Dämmerung empfindlich kalt geworden waren.
Würzwein und das mittlerweile beliebte Bëor standen zum Verzehr bereit, aber niemand außer Goram bediente sich diesem. Jarik hatte von den Geschehnissen berichtet, die sich seit Eintreffen auf dem Plateau ereigneten, sowie den Vorkehrungen und Sicherungen. Er schilderte, welche Entdeckungen sie in den Tunneln machten und was dort im Einzelnen vorgefallen war. Er beschrieb die gebärende Morrovalkönigin, wie sie sich ihr nährten und Yaeko hinterrücks und bestialisch ermordet wurde.
Als wenn er die letzten Momente noch einmal durchlebte erklangen seine Erklärungen wie durch einen dämpfenden Schleier hindurch und begann am ganzen Leibe zu zittern. Er konnte nicht genau schildern, was danach geschah, nur dass seine Leute ihn zurückdrängten und in die düsteren Schatten deuteten. Erst als sie alle, bis auf die zurückgelassenen Gefallenen, zurück im Tageslicht waren und der Fels donnernd in die Tiefe viel, konnte er wieder klar denken. Er berichtete von dem Erlebnis, dass ihm eines dieser Wesen entgegengetrillerte und sich anhörte wie gesprochene Worte.
Ben hörte dem Bericht traurig zu, ohne seinen trauernden Freund zu unterbrechen und nippte lustlos an seinem Wein. Goram erklärte abschließend, dass einige Wenige der Morroval in der Tat in der Lage seien, wenige Worte zu sprechen.
Ben versprach seinem obersten Schwertmann, Yaeko und die gefallenen fünf Schwertmänner auch ohne die sterblichen Überreste in die Hallen der Ahnen geleiten zu wollen. Goram schlug währenddessen vor, eine Begräbnisstätte samt Mahnmal nahe dem Plateau zu setzen. Er mochte einvernehmlich in diesem auch seine zu beklagende Opfer betten und dadurch das freundschaftliche Bündnis bekräftigen.
Ben horchte auf und ein viel sagendes Glitzern spiegelte sich in seinen Augen. Sowohl er als auch Jarik sahen Goram erwartungsvoll an, nahmen das Angebot außerordentlich gern entgegen und reichten ihm die Hände.
Zum Ende des Abends, bevor Ben sich in seine Unterkunft begab, ordnete er seinem obersten Schwertmann an, sich im Laufe der morgigen Tageswende darum zu kümmern, dass die gefertigten Umhänge sowie Waffenüberschüsse geladen wurden. Er solle eine Abordnung samt Helfern zusammenstellen, die beginnend zum Morgengrauen der zweiten Tageswende abmarschbereit sein sollten.