15.Kapitel
Podargia, die Königin der Harpyas war sehr aufgewühlt, sie hatte nach dem schrecklichen Gift-Vorfall alle Männer, ausser Iquitos weggeschickt. Er war jetzt der einzige, den sie noch in ihrer Nähe haben wollte. Es war ihr aufgefallen, dass auch Euritheas sich etwas seltsam verhalten hatte, als Tartaios sie hatte vergiften wollen. Sie traute auch ihm nicht mehr so ganz über den Weg. Vertumnios, traute sie zwar noch. Aber vor allem Iquitos hatte sich ihr gegenüber als vollkommen loyal erwiesen. Mit Schaudern dachte sie daran zurück, dass sie das tödliche Gift beinahe getrunken hätte. Es liess sie keineswegs kalt, dass man sie hatte umbringen wollen. Dass auch noch zwei ihrer Männer dafür verantwortlich waren, war ganz besonders erschütternd. Schweigend und vor sich hinbrütend, sass sie in dem, bereits etwas kühler gewordenen, Bad. Sie wollte mit Iquitos reden, aber irgendwie fiel es ihr schwer sich zu öffnen. Die Harpyas zeigten nur sehr ungern ihre Schwächen. Iquitos‘ besorgte Regenbogenaugen ruhten auf ihr, er hatte den Arm um sie gelegt und sie war wirklich sehr froh um seine Nähe. Schon immer hatte sie sich diesem jungen Mann besonders zugetan gefühlt. Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war für sie schon klar gewesen, dass er vermutlich einst Teil ihres Harems werden würde. Er zeichnete sich durch viele besondere Eigenschaften aus und sein Charakter berührte sie ebenfalls. Er war hingebungsvoll und doch männlich. Er liebte sie aufrichtig, das spürte sie und darum wollte sie ihn jetzt auch um sich haben. Er gab ihr als einziger Sicherheit in dieser beängstigenden Situation. Mit einer Mischung aus Trauer und tiefer Enttäuschung, dachte sie an den begangenen Verrat. Was hatte Tartaios gesagt: Es sei an der Zeit, dass die Herrschaft der Frauen über die Masculinas ein Ende nahm. Das gab ihr sehr zu denken. Bisher hatte es unter Podargias Herrschaft noch nie Aufstände gegeben. Bei ihrer Schwester Nyxia war das einmal der Fall gewesen. Doch die Bewegung war im Keim erstickt worden, indem man einige der Aufständischen und auch einige Verdächtige, einfach hingerichtet hatte. Nyxia hatte in solchen Dingen nicht lange gefackelt und sie war manchmal wahrlich grausam gewesen. Podargia wollte es besser machen, aber trotzdem war es ihr wichtig, die bisherige Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie hatte gedacht, die Masculinas seien einigermassen zufrieden und sich ihrer Rolle in der matriarchalischen Kultur der Harpyas im Klaren. Es war nach dem Willen der Göttin, dass die Frauen die Oberhand besassen. Denn… Masculinas an der Macht, das hätte kein gutes Ende genommen. Und doch… schien alles auf einmal aus dem Ruder zu laufen. Es war etwas das die Königin nicht kontrollieren konnte und das machte ihr Angst. Wenn schon ihre Männer zu Attentätern wurden, was war dann von jenen, die ihr nicht so nahe standen zu erwarten? Würde man sie noch einmall versuchen umzubringen? Wie sollte sie dieser unbekannten Gefahr nur begegnen? Natürlich, sie würde an den beiden verräterischen Männern ein Exempel statuieren, indem sie sie öffentlich hinrichten liess, doch würde das genügen? Vielleicht warteten schon einige weitere Meuchelmörder auf eine Gelegenheit ihrem Leben ein Ende zu setzten.
„Meine Königin“, sprach auf einmal Iquitos ruhige Stimme „Ihr dürft euch wegen dieser Sache nicht zu sehr quälen!“
Sie hielt in ihrem sinnlosen vor sich Hinstarren inne und schaute ihn an. Das Licht der vielen Kerzen im Raum, malte wundervolle Reflexe in die besonderen Augen ihres Lieblingsmannes und… auf einmal fiel ihre kühle Fassade, ohne dass sie sich dessen wirklich bewusst war, von ihr ab und tiefe Traurigkeit erschien in ihrem Gesicht.
„Ich kann das einfach nicht verstehen Iquitos! Ihr alle hattet es doch gut bei mir, nicht wahr?“ Iquitos zögerte einen Augenblick, als denke er darüber nach. Das beunruhigte die Königin noch mehr.
„Meine Königin…“ begann der junge Mann vorsichtig. „Es ist etwas schwierig für mich, die richtigen Worte zu finden…“
„Sei einfach gerade heraus! Ich möchte deine Meinung hören, du musst dich nicht fürchten, egal was du auch sagen magst. Ich weiss, dass du mir loyal ergeben bist.“
„Ja, meine Königin, das bin ich. Ich…liebe euch, das habe ich immer getan und all die Jahre hat sich das nicht geänderte. Dennoch… es war manchmal nicht einfach für mich. Ihr habt uns wohl im Allgemeinen gut behandelt, aber... es gab Zeiten, in denen ich sehr gelitten habe und ich glaube… eure anderen Männer auch. Ich glaube das Vertumnios euch liebt, ich weiss auch das Baccaius euch einst liebte und wohl auch die anderen, aber…unsere Rolle ist nicht sehr einfach zu erfüllen. Wir stehen euch stets zur Verfügung und auch die anderen Masculinas stehen stets den Bedürfnissen der Frauen zur Verfügung. Doch…ich glaube, dass das einigen nicht mehr genug ist. Ich glaube viele sehnen sich nach wahrer Liebe und Zuneigung, seitens der Frauen und sie sehnen sich danach…, höher geachtet zu sein…“
Er hielt inne und schaute die Königin etwas ängstlich an, als ein Schatten über ihr Gesicht fiel. Sie schien erzürnt zu sein.
„Verzeiht“, sprach er „aber ihr sagtet mir, dass ich frei sprechen darf und das tue ich nun. Ich möchte ehrlich sein, meine Königin.“
„Nun gut“, meinte sie: „Sprich weiter. Ich möchte das jetzt wissen, ich möchte wissen, wie du das alles siehst.“
„Wie ihr wünscht, meine Königin. Wie ich sagte, gibt es sicher viele Männer, die sich ein etwas anderes Leben wünschen würden. Unser Dasein besteht aus ständiger Unterwerfung. Ich weiss…die grosse Göttin, hat sehr unter den Männern gelitten und… bestimmt ist es so, dass sich daraus diese Gesetze entwickelt haben, welche hier herrschen. Doch ich finde…“ er zögerte einen Moment, denn es fiel ihm schwer weiterzureden, da er den Zorn der Königin fürchtete. Dann jedoch bemühte er sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben, als er weiterfuhr: „Ich finde…dafür, dass die grosse Lilithia so unter der männlichen Herrschaft gelitten hat, sollten…nicht alle Männer unseres Volkes bestraft werden. Ich glaube nicht, dass es das Ziel meines Geschlechtes ist, die Frauen zu unterjochen. Ich glaube…es geht einfach um mehr Rechte, um…Gleichberechtigung und auch um… Liebe. Ich denke, es geht ihn allererste Linie um Liebe meine Königin, nahe gefolgt von Respekt. Diese Dinge…sie alle gehören, meiner Ansicht nach, zusammen. Auch ich… muss zugeben, dass ich mir das wünsche, auch wenn ich solche Methoden wie Tartaios und Baccaius sie anwenden wollten, schrecklich finde. Aber…meine Königin…“ er schaute ihr nun gerade in die Augen. „Es sollte sich vielleicht schon etwas ändern… in unserer Welt.“
Er schwieg nun und rechnete jeden Moment mit einem Gewitter, welches sogleich auf ihn niederprasseln würde.
Die Augen der Königin verengten sich einen Moment. Sie schien hin und her gerissen, ob sie nun in Zorn ausbrechen, oder ruhig bleiben sollte. Sie blieb jedoch ruhig und sprach, wenn auch keineswegs erfreut: „Nun gut, ich sagte dir, du sollst ehrlich zu mir sein und das hast du getan. Ich glaube… ich muss jetzt über einiges nachdenken. Ich möchte dich bitten... zu gehen!“
Iquitos nickte traurig. Es bekümmerte ihn, dass seine Königin zornig auf ihn war, aber er hatte sich für Ehrlichkeit und Offenheit entschieden und irgendwie war das sehr befreiend. Er erhob sich, doch bevor er das Bad verliess, schaute er Podargia noch einmal in die Augen. „Ich liebe euch, meine Königin, mehr als alles auf der Welt, das müsst ihr mir glauben, aber… vielleicht gerade deswegen, wünsche ich mir, dass sich etwas verändert.“
Sie nickte stumm und unnahbar. Dann verschwand Iquitos im Zwielicht des angrenzenden Raumes.