„Du willst jetzt schon in die Stadt?“ fragte Valensios besorgt, an Tantalius gewandt.
„Ja, ich muss nachsehen, ob sie das Greifen Männchen wirklich dorthin gebracht haben. Sollte dass der Fall sein… werde ich ihnen meine Dienste beim Züchten der Tiere anbieten und dafür sorgen, dass Ketios schnellstmöglich wieder freigelassen wird. Die arme Kethia, dreht sonst noch vollkommen durch.“
„Aber, du setzt dich da einem grossen Risiko aus. Wir… haben das Wasser erst vor kurzem vergiftet und bald werden die Ersten erkranken. Dann wird die Obsidian Stadt ein heisses Pflaster für die Rebellen und vor allem für dich.“
„Ich werde mich natürlich nicht zu erkennen geben. Ich habe sowieso beschlossen, dass wir einen neutralen Boten schicken, der unsere Forderungen an die Obrigkeit weiterleitet. Ich habe schon ein passendes Schreiben verfasst.“
„Nun…das finde ich eine kluge Idee. Allerdings müssen wir dennoch vorsichtig sein. Die Harpya, welche das Wasserschiff begleitet hat, war ziemlich misstrauisch. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie dazu zu bewegen, uns mit den Fässern allein zu lassen. Eigentlich schade, dass wir zu solchen Massnahmen greifen müssen. Ich hätte es lieber anders gelöst. Diese Harpya, wie hiess sie noch…? Ach ja Irisa! Sie war wirklich aussergewöhnlich nett. Ich hätte… gerne mit ihr die Wonnen geteilt, wenn… wir uns unter anderen Umständen begegnet wären.“
„Du warst schon immer ein Schwerenöter, Valensios mein Freund!“ lächelte Tantalius und klopfte ihm auf die Schultern. „Ich…hatte nie so wirklich Glück bei den Frauen.“
„Nur weil dir vermutlich noch nie die Richtige begegnet ist. Vielleicht bist du noch auf der Suche nach ihr.“
„Ich glaube, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich träume von etwas, dass es hier nicht gibt.“
„Vielleicht wird sich das ja bald ändern“, sprach Valensios ermutigend. Der Rebellenführer lächelte etwas müde und nickte. „Das hoffe ich natürlich sehr.“ Er legte Valensios erneut die Hand auf die Schulter und sprach: „Ich brauche noch jemanden, der den Boten dazu beauftragt, das Schreiben, mit unseren Forderungen, der harpische Obrigkeit zu überreichen. Es wäre gut, wenn du diese Sache übernehmen könntest, jetzt da ich schon früher in die Stadt gehe. Achte gut darauf, dass man dein Gesicht nicht identifizieren kann, der Bote sollte besser nicht wissen, wie du aussiehst, falls er von der Obrigkeit unter Druck gesetzt wird.“
Der Angesprochene nickte ergeben. „Natürlich werde ich das tun. Das Wasser wurde letzte Nacht geliefert, es kann gut sein, dass bald die Ersten daran erkranken. Wir haben unsere Spione in der Stadt, die uns darüber Bericht erstatten. Wenn die Krankheit ausbricht, werden wir das Schreiben weiterleiten.“
Der Rebellenführer nickte und er reichte seinem ersten Offizier eine Schriftrolle. „Hier ist sie, achte gut auf sie!“
„Selbstverständlich Tantalius, du kannst dich auf mich verlassen. Brauchst du mich sonst noch für etwas?“
„Nein danke Valensios, das war alles.“ Dann dürfte ich mich vielleicht vorerst zurückziehen, um noch ein wenig zu schlafen? Die letzten Tage und Nächte war ich zu aufgeregt dazu.“
„Ja natürlich! Tu das nur, ich wünsche dir gute Erholung.“
Valensios musterte Tantalius etwas besorgt. „Du solltest auch versuchen etwas zu schlafen. Es wird noch einiges auf uns zukommen und dann musst du bei Kräften sein.“
Wieder lächelte Tantalius müde. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen und sein Gesicht war eingefallen. Er hatte tatsächlich schon ewig kein Auge mehr zugetan. Oder wenn, dann hatte es nur zu einem kurzen Nickerchen gereicht. Er war einfach zu aufgewühlt, zu nervös, in letzter Zeit. Sein Vorhaben, die Frauen zu entmachten, bereitete ihm manchmal selbst ziemliche Angst und zeitweise fragte er sich, ob dies nicht ein vollkommen verrücktes Unterfangen war. Zumal er eigentlich kein geborener Krieger war.
Er wollte gerade nachdenklich die kleine Höhle verlassen, in der er sich mit seinem ersten Offizier Valensios getroffen hatte, als einer seiner andern Männern ihn erneut davon abhielt. „Euritheas ist hier. Er sagt… es gebe eine Menge Neuigkeiten.“
Tantalius seufzte müde, doch dann sprach er: „Dann mal rein mit ihm!“ Darauf liess er sich schwer in einen der dunklen Korbsessel fallen, der in dem Raum stand. Es gab hier auch einen kleineren Konferenztisch und man hatte die Decken und Wände der Höhle, etwas mit Hammer und Meissel bearbeitet, um sie ein wenig wohnlicher zu gestalten. Tantalius lehnte sich einen Moment zurück und betrachtete das einfache Bogengewölbe über sich. Manchmal sehnte er sich schon etwas nach seinem früheren, doch etwas komfortableren Leben, zurück. Er hatte immerhin in einem Haus gelebt, in einem ärmlichen Haus zwar, aber immerhin in einem Haus. Doch nun war alles anders.
Beim Eingang nahm er nun eine Bewegung wahr. Er wandte seinen Blick dem jungen Harpyer zu, der gerade eingetreten war. Wie alle Mitglieder des königlichen Harems, war er sehr ansehnlich, mit einem ziemlich muskulösen Körperbau und einem schönen, männlichen Gesicht. „Du hast wichtige Neuigkeiten, Euritheas?“ fragte er.
„Allerdings Tantalius!“ erwiderte der Angesprochene. „Da ist einiges in der Stadt los, zurzeit. Podargia und Kelana haben gestritten.“
„Die beiden Oberhäupter der Harpyas haben gestritten, was war die Ursache dafür?“ „Das ist eben das Interessante. Es ging darum…, den Männern mehr Rechte einzuräumen.“ „Tatsächlich?!“ Tantalius richtete sich auf, sein Herz klopfte plötzlich schneller.
„Ja, ich habe ihren Streit mitbekommen. Die Königin scheint dazu zu tendieren, die Gesetze zu lockern. Allerdings… Kelana, will davon absolut nichts wissen. Sie ist sehr fanatisch und sähe es als Verrat an der Göttin, wenn…wir Männer ein besseres Leben führen dürften.“ Tantalius schnaubte verächtlich. „Ich habe vermutet, dass sich einige Frauen querstellen, wenn es um die Änderungen ihrer Gesetze geht. Eigentlich ist es naheliegend, dass es vorwiegend die Priesterschaft ist. Sie sind so verhaftet in… ihren religiösen Vorstellungen und… natürlich geben sie ungern ihre Macht ab. Aber die Königin… du sagtest, sie ist offen für Veränderungen?“
„Ja, es sieht ganz so aus. Sie hat deswegen eben mit Kelana gestritten. Ich glaube…sie hat gemerkt, dass die Liebe und er Respekt zwischen den Geschlechtern von grosser Wichtigkeit ist. Ich glaube gar… sie hat sich wahrhaftig in Iquitos verliebt. Er war ja schon immer ihr Lieblingsmann, aber seit er ihr das Leben gerettet hat, ist ihre Bindung noch tiefer geworden. Sie liess in oft allein zu sich rufen und hat ihm… Fragen gestellt, über seine Sicht der Dinge.“ „Wirklich!?“ Tantalius konnte es kaum glauben. „Sie…fragte ihn um Rat?“
„Ja, man könnte es so ausdrücken. Ich habe das aber nur ganz am Rande mitbekommen. Er ist der erste Mann, von dem sie sich beraten lässt und das… könnte sehr viel Positives mit sich bringen.“
„Allerdings. Das sind grossartige Neuigkeiten! Dann sind doch nicht alle Frauen so festgefahren.“
„Es sieht so aus. Doch die Königin hat, gegenüber der Priesterschaft, einen schweren Stand. Auch wenn…es ganz so aussieht, als bekäme sie etwas Schützenhilfe.“
„Was meinst du damit?“
Euritheas blickte verschwörerisch. „Da sind Fremde gekommen. Leute, von anderen geflügelten Völkern, die auf einem Planeten, namens Equilibria stammen sollen. Dieser Planet, soll unter unserem hier liegen. Diese Fremden, haben ganz andere Gefieder und Gepflogenheiten als wir. Es gibt solche mit vorwiegend weissen und wieder andere mit vorwiegend roten Federn. Als sie ankamen, geriet die ganze Gegend in Aufruhr.“
„Sie… stammen von Equilibria?“ flüsterte Tantalius, einerseits fassungslos, andererseits voller Freude.
„Ja, wusstet ihr denn von dieser andern Welt?“ „Ja…ja, ich habe… davon gewusst“, erwiderte der Rebellenführer mit leiser Stimme.
„Aber…warum habt ihr uns nichts davon erzählt?“
„Ich hielt den Zeitpunkt dazu noch nicht für gekommen. Doch erzähl weiter! Was hat es mit diesen Fremden auf sich?“
„Sie kamen, angeführt von einer Harpya, welche sich Aellia nennt hierher und… sie wollen eine Allianz mit unserem Volke schmieden. Ich hörte, dass dieses in Gefahr sei, weil…es mittlerweile zu wenige Männer hier gibt. Die anderen Völker sind scheinbar hierhergekommen, um uns zu helfen. Doch… sie stellen Bedingungen. Es ging dabei auch um das Thema der Gleichberechtigung, zwischen Mann und Frau. Aber…Kelana stellt sich immer noch quer und noch ist nichts entschieden.“
Tantalius zog pfeifend den Atem ein, als er erkannte, dass das was er mit seinem Giftanschlag erzwingen wollte, tatsächlich bereits im Gange war. Und… einen Augenblick lang, wollte er das Ganze am liebsten abblasen, um noch etwas abzuwarten. Doch dazu war es bereits zu spät. Das Wasser war schon verteilt und noch wusste man sowieso nicht, ob die Priesterschaft einwilligen würde, die Gesetze, zugunsten der Masculinas, zu ändern. Er wusste, dass in der harpischen Kultur, die unbedingte Zustimmung der geistigen, wie der weltlichen Obrigkeit vonnöten war. So lange Kelana ihre Zustimmung verweigerte, war noch gar nichts beschlossen und…der Giftanschlag, gab letzterer vielleicht den nötigen Anreiz, ihre sture Haltung endlich abzulegen. Auf einmal musste er lächeln. Das lief ja grossartig! Ein Wandel stand kurz bevor, dass erkannte er und…das Schöne daran war, dass zumindest die Königin in diesem Fall auf ihr Herz hörte. Sie erkannte, dass einiges schieflief, und sie würde zu einer wichtigen Verbündeten werden, so wie diese… Fremden. Auf einmal kam ihm der Gedanke, dass er letztere eigentlich schon einmal gesehen hatte. Es in einem der Bilder, welches der Greif Ketios, seiner Gefährtin Kethia und auch ihm hatte zukommen lassen. Das Schiff war tatsächlich in die Stadt geflogen und… es hatte bestimmt Ketios an Bord!
„Sag mir noch eins, Euritheas, hatten die Fremden ein seltsames Tier dabei?“
„Ja genau, das wollte ich euch auch noch berichten! Es ist ein wahrlich seltsames, mächtiges Wesen, halb Adler, halb Löwe.“
Wieder klopfte Tantalius Herz heftig. „Es ist ein Greif. Weiss du denn auch, wo er untergebracht ist und wer sich um ihn kümmert?“
Der junge Mann erklärte dem Rebellenführer, wo das Tier hingebracht worden war und fügte noch hinzu: „Ich glaube, diese Aellia kümmert sich vorwiegend um die Kreatur, gemeinsam mit einer Frau des fremden Volkes. Jene besitzt ganz weisse Federn und silbernes Haar. Sie kann den Greif auf besondere Weise beruhigen. Er schläft fast die ganze Zeit.“
Tantalius erhob sich von dem Sessel. „Das sind wirklich sehr nützliche Informationen, Euritheas. Ich danke dir, dass du so schnell gekommen bist. Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“
Der junge Harpyer überlegte, dann verneinte er. „Ich glaube das war alles. Ich gehe jetzt lieber wieder zurück, sonst vermisst man mich noch.“ „Ich werde dich gleich begleiten!“ anerbot sich Tantalius „Ich habe noch einiges in der Stadt zu erledigen.“