Podargia berichtete nun über alles, was sich zugetragen hatte und wie es überhaupt zu einem Krieg gekommen war. Sie erzählte von Equilibria, der wunderbaren Welt, jenseits dieser hier, wo es Wasser und Vegetation im Überfluss gab. Dass die Delegation hergekommen war, um den Harpyas ihre Hilfe anzubieten, weil jene ein Männerproblem hatten. Tantalius und seine Anhänger, welche alle zusammensassen, amüsierten sich über diesen Gedanken. Podargia bat dann auch noch einige, welche eine wichtige Rolle in der Schlacht gespielt hatten, zu ihr nach vorne zu kommen, wo sie von allen Anwesenden mit offenen Mündern und grossen Augen gemustert wurden. Die Königin, redete von der masculinischen Widerstandsbewegung, welche ihnen so unerwartet zu Hilfe geeilt war und ein Heilmittel gegen die Seuche besass. Das erregte viel Aufsehen.
„Die masculinische Widerstandsbewegung,“ sprach sie „stellte allerdings Bedingungen, die erfüllte werden mussten, sollten sie uns helfen. Diese Bedingungen waren sehr ähnlich, wie jene, die die Delegation an uns stellte, damit sie uns bei unserer Männer Misere behilflich ist.“
Sie las die neuen Gesetze vor und wieder gab es verschiedenste Reaktionen aus dem Volk, positive wie negative.
„Ich habe lange über diese neuen Gesetze nachgedacht, bevor ich mich entschloss, sie zu befolgen. Es geht dabei schliesslich um Leben und Tod und es werden sich für uns Harpyer wieder wundervolle Welten eröffnen, wenn wir mit den Völkern aus Equilibria zusammenarbeiten. Ich glaube nicht, dass wir gegen den Willen der Göttin handeln, wenn wir uns für Friede und Einheit einsetzen. Darum ist ein Punkt besonders wichtig! Die harpischen Rebellen haben, wie ihr jetzt wisst, von mir verlangt, dass ich mir einen Gemahl nehme. Ich wäre damit die erste Königin in der Geschichte unseres Reiches, die das tut. Doch ich bin von dieser Sache überzeugt und habe mir meinen Gemahl bereits schon länger erwählt.“ Sie wandte sich lächelnd an Iquitos und dieser schwebte jetzt scheu nach vorn. Man merkte, dass ihm die Aufmerksamkeit, seine Person betreffend, fast etwas unangenehm war. Das sah man an seinen Augen, die etwas unruhig hin und her huschten. Die Königin legte den Arm um seine Schulter und rief: „Das hier ist Iquitos! Er hat mir einst das Leben gerettet und er war mir immer der Vertrauteste meines Harems. Er wird mein König werden, der sich hauptsächlich um die Belange der Männer, in diesem Land, stark machen wird und dafür sorgt, dass die Mächte zwischen weiblich und männlich nicht wieder so aus dem Gleichgewicht geraten. Er wird seine Sache bestimmt gut machen und es gibt auch sicher den einen oder anderen, der ihn dabei gerne unterstützen wird.“ Sie nickte in Tantalius Richtung und dieser lächelte zustimmend.
„Nun also!“ rief Podargia: „Begrüsst euren zukünftigen König…, Iquitos!!“ Tosender Jubel, erhob sich erneut und Podargia fuhr schliesslich fort: „Unsere Vermählung wird übermorgen, zur Zeit der Abendröte, stattfinden. Auch eine neue Hohepriesterin, muss dann geweiht werden. Danach wird es ein grosses Fest geben! Alle sind herzlich dazu eingeladen, Männer wie Frauen. Sie alle sind vom heutigen Tage an, gleichberechtigt! Keiner soll den anderen jemals wieder unterdrücken oder sich sonst über ihn erheben! Wer sich nicht an die Regeln hält, wird bestraft. Ich werde die Gesetzbücher umschreiben und das harpischen Volk wird in ihnen unterwiesen werden.
Mein Hochzeitsfest, liebe Brüder und Schwestern, wird aber nicht das letzte grosse Fest sein, das wir feiern. Wir werden nämlich das Fest Der Empfängnis der dunklen Mondgöttin, dieses Jahr auf Equilibria ausrichten! Die Lunarier haben uns dorthin eingeladen und dort werden sich Frauen und Männer der unterschiedlichen Völker paaren. Es wird ein wahrlich rauschendes Fest werden, ein Fest, das wir bisher niemals erlebten, denn es ist der Beginn unserer Allianz mit den Equilibrier und das Ende unserer grossen Not...“ Wieder erhob sich Jubel. Das Volk schien zum grössten Teil, sehr begeistert von dieser Aussicht auf zwei rauschende Feste zu sein.
Schliesslich, zog sich die Königin mit Iquitos wieder zurück und auch die anderen zerstreuten sich immer mehr. Die Harpyas, welche man unter Arrest gestellt hatte, wurden indes in einen sicheren Kerker gesperrt, der unter der Stadt lag. Man ging noch in derselben Nacht ins Lazarett, heilte dort alle Kranken, mit dem Heilmittel der Rebellen und sperrte auch hier jene weg, die eine Gefahr darstellten. Einige jedoch, darunter auch Sarpentia, bekamen freies Geleit. Sie legten dann auch sogleich ein Gelübde ab, in dem sie der Königin, in Zukunft, Treue schworen.
So also, verging eine weitere Nacht und als der neue Tag sich aus der Dunkelheit selbiger erhob, wussten alle, dass das Reich des dunklen Mondes, nie mehr dasselbe sein würde, das es einst gewesen war.
23. Kapitel
Tantalius und seine engsten Vertrauten, wurden wir Ehrengäste behandelt. Sie erhielten einige Gemächer, ganz für sich allein. Im oberen Teil der Pyramide und die Greife, zogen sich wieder in ihre Höhle, am Rand des Reiches zurück, um sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Bald würden die grossen Kreaturen jedoch wieder zurückkehren, um an einem prunkvollen Fest teilzunehmen. Sie würden dabei eine wichtige Rolle spielen und die Königin, würde verkünden, dass in naher Zukunft auch die Harpyer ihre eigenen Flugreittiere ausbilden würden.
Tantalius stand in der ersten Nacht, nach der Schlacht, draussen auf dem Balkon, vor seinem Gemach und blickte über die grosse, dunkle Stadt, deren Schönheit er erst jetzt so richtig wahrnahm. Seit der Kampf gegen Kelana gewonnen worden war, wurde diese bei Dunkelheit nun stets mit Fackeln beleuchtet. Im grossen Innenhof und den umliegenden Quartieren, waren die Vorbereitung für die Krönung von Iquitos und Podargia und dem darauffolgenden Fest, in vollem Gange. Alles wurde mit bunten Fahnen geschmückt, welche Tantalius noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Es waren die Fahnen der verschiedenen Völker. Das Farbenspiel, hauptsächlich aus schwarz, rot, weiss, Gold und Silber, berührte seine Seele tief. Alles war nun so fröhlich, so entspannt. Allein dafür hatte sich alles gelohnt, was er getan hatte. Noch immer quälten ihn jedoch leise Gewissensbisse, wegen seiner Vorgehensweise mit dem Gift, an welchem noch viele, im Laufe der letzten Tage, erkrankt waren. Er konnte das im Augenblick nicht verhindern, nur dafür sorgen, dass genug Heilmittel vorhanden war. Bisher war das jedoch noch kein Problem. Dennoch fragte er sich manchmal, ob nicht der eine oder andere mit der Zeit Fragen stellen würde, über seine und die Funktion seiner Getreuen, in dem ganzen Spiel.
Bisher war er noch der grosse Held, ebenso wie seine Männer. Man nannte Tantalius den „Held der weiten Himmel“, weil er bisher als einziger imstande war, einen der herrlichen, schwarzen Greife zu reiten und er auch einen einzigartigen Bezug zu den Tieren hatte. Ausserdem hatte er das Reich endgültig von Kelana befreit. Kelana und ihre Anhänger, waren wirklich eine grosse Gefahr, eine Bedrohung gewesen. Unter ihrer Herrschaft hätte das Volk der Harpyer, niemals dieses Glück erlebt, wie es jetzt der Fall war. Alle galten nun gleichviel, niemand war mehr ein zweitklassiger Mensch. Klar, es würde schon noch seine Zeit dauern, bis die Lebensumstände aller auf den gleichen Stand gebracht worden waren, aber sie waren auf einem sehr guten Weg und es sah wirklich so aus, als wäre es Podargia und vor allem auch der Delegation ein Anliegen, alles so zu gestalten, wie es sich Tantalius und die Rebellen, immer erträumt hatten. Er seufzte glücklich und liess seinen Blick weiter über die Stadt wandern. Diese glänzte im Schein der vielen Lichter. Früher war ihm dieser Ort immer eher bedrohlich vorgekommen, kalt. Doch nun… war es ganz anders. Er fühlte sich hier nun das erste Mal, wirklich zu Hause. Vermutlich würde er sich irgendwo ein schönes Häuschen suchen und endlich sesshaft werden. Ausser…,sein Leben ging ganz andere Wege.
Er musste auf einmal wieder an Artemia denken. Er hatte sie seit der Schlacht nicht mehr gesehen. Nur noch kurz, als sie sich für seine heldenhafte Tat bedankt hatte, welcher Nannios das Leben rettete. Sie war wohl sehr beschäftigt. Immerhin war sie die bester Heilerin, die es zur Zeit hier gab und ausserdem, nahm sie eine sehr wichtige Rolle in der Delegation ein. Plötzlich wurde es ihm schwer ums Herz. Wie konnte er nur glauben, dass so eine wundervolle Frau, mit so einer hohen Stellung, auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwendete? Sie hatte ihn sicher schon wieder vergessen und würde sowieso bald nach Equilibria zurückkehren. Equilibria… dieses wundersame Land, kam Tantalius fast eben so weit entrück vor, wie Artemia. Er hatte wohl gehört, dass es dort herrlich war. Doch er konnte sich das alles noch nicht so richtig vorstellen. Vielleicht würde es ihm dort auch gar nicht gefallen. Denn was sollte er dort auch tun? Sein Platz war doch eigentlich hier im Reiche des dunklen Mondes, das er schon so oft verflucht hatte, das er aber dennoch mehr liebte, als er es sich oft eingestanden hatte. Hier hatte er eine wichtige Rolle. Er wusste, mehr oder weniger, wo er hingehörte. Obwohl…, war seine Rolle jetzt überhaupt noch wichtig, wenn es keine rebellische Bewegung mehr brauchte…?