„Das reicht!“, rief Jeanne.
Sie zückte ihr Schwert und lenkte ihren Falben zwischen Firnin und die Feinde. Sie richtete die Klinge auf Tezius’ schmale Brust. Die Soldaten eilten nach vorne, um sie zu umzingeln. Trigon wusste, dass er etwas tun musste. Aber er fühlte sich gelähmt.
„Ach, Kind“, feixte der Dämon. „Ich sagte, dass ich hungrig bin, nicht gänzlich energielos.“
Er schlug seine Hand nach vorne und eine Druckwelle schleuderte Jeanne von ihrem Pferd. Das Pferd wieherte und begann zu tanzen. Daughn kreischte. Es ging so schnell.
„Der Heerführer erfreut sich neuerdings an jungen Mädchen, deren Seelen der Magie würdig sind“, sprach die Drak weiter. „Machen wir doch einen Handel. Ich nehme die kleine Daughn mit und vergesse dafür, dass ich je hier gewesen bin. Ich verspreche auch, ihre Seele intakt zu lassen. Zumindest solange der Heerführer einen besseren Plan für sie hat.“
Nie hätte Trigon so etwas zulassen können. Aber die Rede gab ihm Zeit, zurück ins Jetzt zu kommen. Seine eigene Stimme wieder zu finden. Sich für einen Zauber vorzubereiten.
Er hielt Daughn nahe bei sich, als er die Gegner mit gleissendem Licht blendete. Er lenkte Firnin rasch ans Ende des Dorfplatzes, sprang dort von ihr und griff nach seinem Schwert.
„Warte hier!“, wies er Daughn an.
Sie war völlig starr, fast so schlimm wie er zuvor.
Trigon sprach die nächste Formel. Formte einen Schild um Firnin und seine Tochter. Jeanne stand wieder auf den Beinen. Sie nutzte den geschwächten Zustand der Gegner und fällte einen, bevor er seine Sicht gänzlich zurückhatte. Der zweite Gegner stürmte auf sie zu. Trigon sprach seinen Luftzauber, wehte ihn damit auf Distanz. Der dritte und der vierte Gegner wandten sich ihm zu. Sie unterschätzten die Länge seiner Waffe, die Kraft die damit bei einem guten Schwung zustande kam. Als der dritte stürzte, fing Trigon den Angriff des vierten mit der Parierstange ab. Der Mann strauchelte und Trigon schlug auch ihn nieder, blendete die Bilder in seinem Kopf aus. Er hörte Tezius zischen, sah seine schwarzen Klauen glühen. Trotz seines Abstands traf ihn der Angriff der Drak. Einen Teil konnte er mit seinem Schwert abwehren. Ein schrilles Geräusch erfüllte die Luft und der Stahl der Klinge vibrierte. Ein Kratzer ging daran vorbei und zerschnitt seinen Ärmel. Es brannte.
„Trigon!“, rief Jeanne.
Sie hatte beide Gegner auf ihrer Seite überwunden. Sie rannte auf den Dämon zu, ähnlich wie sie im Frühherbst auf das Schemenbiest zugerannt war. Aber diesmal trug sie nur die leichte Rüstung. Einzelne Stahlstücke an den Gelenken, ergänzt durch ein Kettenhemd über Leder. Kein dicker Brustpanzer. Nicht einmal ihren Helm trug sie.
Trigon ignorierte das Ziehen in seinem Bauch, das Dröhnen in seinem Kopf. Er sprach den nächsten Zauber, den, den er eigentlich nie mehr hatte benutzen wollen. Das Eis kam gezielt, splitterte kurz vor Tezius. Er löste sich auf, verschwand so schnell wie ein Blitz nach dem Einschlag. Sein Reittier schrie, klang nicht wie ein Pferd, als es vom Eis getroffen wurde. Es bäumte sich, schnaubte und löste sich seinem Reiter gleich auf. An seiner Stelle verteilen sich flimmernde Schemen wie Nebel. Jeanne hustete und wich zurück. Trigon eilte zu ihr und zog sie aus der Reichweite der Schemen.
„Jeanne!“
„Es … es geht. Wo ist der Dämon?!“
Trigon schaute sich um, konnte ihn nicht aufspüren. Alarmiert eilte er zu Daughn. Auf halber Strecke spürte er die Anwesenheit des Dämons wieder wie ein Blitzschlag. Tezius kauerte über dem Körper des vierten Soldaten. Er wirkte dürr wie eine Spinne, ausgelaugt. Dennoch grinste er, bleckte seine Raubtierzähne, als er seine Klaue in den Körper seines Verbündeten schlug. Er riss ihm den Rest Leben aus dem Körper und verschwand damit.
Jeanne fluchte. Sie stellte sich zu ihm und mit dem Rücken zu Daughn.
„Ein Seelenfresser! Yarr sei verflucht!“
„Ich–“, weiter kam Trigon nicht.
Die Ayvezo kam weder von vorne, von links oder von rechts. Sie sprang vom Dach des Gebäudes hinter ihnen. Sie streifte die Kuppel, die Trigon mit seinem Schutzzauber gebildet hatte, riss mit ihren Krallen ein grosses Loch hinein und brachte das Licht zum Bröckeln. Daughn kreischte und diesmal geriet auch Firnin in Panik. Trigon holte nach dem Dämon aus, aber er duckte sich unter dem Schwert durch und schleuderte Feuer in alle Richtungen. Trigon spürte die Hitze und musste zurückweichen, aber sein Körper verarbeitete Magie gut. Die Flammen verebbten, ehe sie ihm Schaden anrichten konnten. Er erwartete, dass Tezius nun direkt vor ihm war. Tatsächlich aber war er bei Jeanne.
Trigon hatte nur einen Moment übrig. Er holte die letzten übrigen Schimmer des kaputten Schutzzaubers an sich, erschuf selbst neue aus seiner Magie. Die Ayvezo nutzte die gestohlene Seele, riss Jeanne damit erneut von den Füssen. Trigon leitete die Schimmer in den Griff seines Schwertes, dessen Goldlegierung helle Magie nicht blockierte, sondern auffing und leitete. Die Ayvezo war über Jeanne und ihre Klauen glühten. Trigon hauchte den Zauber und warf sein Schwert. Es wurde transparent, selbst ein Schimmer. Flog wie ein Pfeil nach vorne. Dann nahm der Stahl wieder Überhand und manifestierte sich, als der Schimmer Tezius erreichte.
Trigons Schwert bohrte sich durch die Ayvezo hindurch. Es schien ganze Fetzen aus ihr herauszureissen. Bluten tat diesmal jedoch nichts. Von Energie durchzogene Tropfen, düster schwarze aber auch milchig helle, tropften von ihr auf Jeanne herab. Tezius drehte seinen Kopf, blickte einer Eule gleich so weit über seine Schulter, dass es einem Menschen das Genick hätte brechen müssen. Er grinste Trigon an, dann zersprang sein Körper in eine Explosion aus hellen Funken, liess keine Spur von ihm übrig.
„Jeanne!“, ächzte Trigon und eilte zu ihr.
„Ich … ich bin in Ordnung!“, keuchte Jeanne und hatte gerade noch rechtzeitig die Arme heben können, um Trigons Schwert nicht direkt auf den Kopf zu kriegen, stattdessen mit dem Ärmel ihres Kettenhemds abzufangen. Sie wirkte nicht in Ordnung.
„H-Hast du ihn erwischt?!“
„Ich g-glaube –! Ich weiss nicht. Ich bin m-mir nicht … sicher. Es wirkte … z-zu einfach.“
Jeanne lachte bitter auf, hustete. Ihr Waffenrock war an mehreren Stellen angesengt und sie hatte etwas Blut im Haar. Trigon half ihr hoch. Dann schaute er zurück auf den Platz. Firnin war dem Feuer gut entkommen. Sie stand ein Stück weiter unten auf der Hauptstrasse und Daughn … Daughn ging es gut. Das war das alles, was zählte.
Trigon pfiff Firnin zu, die eine von Magie begleitete Note, die sie inzwischen gut kannte und zu ihm leitete. Jeanne lehnte sich schnaufend in den Schatten der Hauswand und starrte auf die Stelle, an der sie gerade noch gelegen hatte.
„Du musst hier fort, Trigon. Falls der Dämon wirklich nicht t-tot ist … Was wollte er von dir und Daughn?“
Trigon konnte ihr nicht antworten. Er hatte die Bruchstücke, aber er konnte sie nicht zu einem klaren Satz zusammensetzen. Firnin kam bei ihnen an. Daughn kauerte auf ihr und war weiterhin starr. Als sie aber sah, dass kein Feind mehr stand und Trigon ihre Hand auf ihren Rücken legte, wimmerte sie auf und griff seinen Arm, wimmerte erst recht, als sie das Blut daran kleben sah. Sie konnten nicht länger in Lichtrain bleiben.
„Vater! V-Vati! Die bösen Leute w-wollten dich und Jeanne wegnehmen! Sie haben euch wehgetan! Ich habe keine Angst, i-ich verspreche es! Wirklich, wirklich! Aber bitte, b-bitte lass sie dich nicht wegnehmen!!“
Trigon spürte wieder ein Stechen, diesmal direkt in seiner Brust. Er drückte Daughn an sich, strich ihr übers Haar und hielt sie nahe.
„Scht … scht. Dir passiert nichts. S-Sie sind w-weg. Die bösen Leute sind weg. Sie werden dich … nicht finden. Wir gehen an einen Ort, a-an dem sie dich nicht finden können.“
Er hielt Daughn, bis sie sich beruhigt hatte und nur noch leise weinte. Jeanne war bleich und blinzelte auffällig, als sie sein Schwert aufhob und in die Scheide an Firnins Seite gleiten liess.
„G-Geh, Trigon. G-Geh und sag mir und niemandem sonst, wohin du gehst … bis du weisst, dass es da sicher ist. Ich werde Liskia von diesem Angriff berichten. Wenn den Harpyien ihr W-Wort jemals etwas wert war … Irgendeiner am Sirring wird w-wissen müssen, was das für eine Drak war.“
Auf einmal fiel es Trigon schwer, seine Base allein zu lassen. Er hatte sie in Liskia alleine gelassen. Aber Jeanne war stark. Sie war eine Heldin. Und er musste für Daughn da sein.
„Pass auf dich auf, Jeanne“, sagte er leise, als er sie umarmte.
„Jeanne, n-nein!“, wimmerte Daughn.
„He. Ihr wisst, dass das kein Abschied ist“, antworte sie und drückte auch Daughn kurz. „Ich pass hier auf. Aber ihr könnt gerade nicht bleiben.“
Die Leute, die zuvor nur verstohlen durch die Fensterläden auf das Geschehen am Dorfplatz gespäht hatten, begannen nun, von Neugier und Argwohn getrieben, aus den Häusern zu kommen. Trigon kannte ihre Namen nicht. Er sah nur Daughn. Er schwang sich hinter ihr auf Firnin und lenkte sie zurück zum Hof, um ihre letzten Sachen zu packen.