„Soren hat mich gar gut unterhalten“, fuhr Bela unbekümmert, gar schelmisch im Ton fort. „Nun muss ich aber zugeben, dass ich etwas verwirrt bin. Du sagtest, eure magischen Kräfte seien verschieden, aber die Sfaira sind die gleichen, nur einer hat mehr davon im Gesicht.“
Tajen wollte nicht darüber reden, Pukk hingegen war zu überzeugt von Belas Lächeln, um das aufzuschnappen. Er stellte sich zu Tajen und drückte sein Gesicht an seines und in Folge auch den Rest seines splitternackten und gerade unerwartet kalten Körpers.
„Nej, nej! Schau, mein Freund. Seine sind grün und meine sind grün, aber beide sind zwei ganz andere Grün! Mehr hat er aber, jo, er ist schliesslich Leri und ein Sturmbändiger, ich bin eher durchschnittlich.“
„Durchschnittlich? Um Längen nicht“, flötete Bela.
„Tha-ha, Schmeichler! Hast du mich deswegen verschiedene grüne Gewächse aufzählen lassen, siehst du etwa keine Farben?“
„Doch, doch. Ich mag nur bestimmte grüne Dinge sehr.“
Tajen verstand nicht, wieso er Teil dieses Gesprächs sein musste. Er war aus eigenem Willen ins Zimmer gelaufen. Nicht aber, um sich so etwas anzuhören.
„Seine Farbe und Magie ist die der Kora. Meine ist Rieko, eine ganz andere, wie du anhand der Namen bereits erkennen solltest“, unterbrach er nun doch mit der Antwort auf das ursprüngliche Thema.
Bela nickte sehr zufrieden und interessiert, schaute aber nach einem gar flüchtigen Zögern zurück zu Pukk. „Ein Kora bist du also, und ein besonders kräftiger, und doch heisst du Soren?“
„Jo, Pukk Kora kann ich nicht heissen, so hiess schon mein Vater. Ausserdem hat meine Mutter mehr als er geleistet und sollte darum ebenfalls repräsentiert sein.“
„Ach. Doch, das passt schon. Ohne Regen keine Ernte aus der Saat.“
Er zwinkerte und Tajen war das alles inzwischen dermassen suspekt, dass er seinen Vetter an der Schulter ergriff und kommentarlos in ein anderes Zimmer zog. Pukk protestierte etwas, lief trotzdem mit. Tajen nannte sich selbst einen guten Sprecher, gerade aber wusste er nicht, wie er sich am schlausten ausdrücken konnte.
„Du erzählst allen ständig, immer wieder und immer zu lange zu viel, Pappnase.“
Natürlich verstand Pukk nicht, setzte stattdessen dieses unverschämt glückliche Grinsen auf.
„Nej, gar nicht, Tajen! Selbst wenn, was will er machen? Sich hoffnungslos gleich in uns alle vergucken? Zu dir habe ich gar-gar nicht viel erzählt, sollte das dein Problem sein. Nichts, was nicht bekannt ist. Wieso so eisig am Arsch?“
Tajen knirschte mit den Zähnen, schnippte dann gegen Pukks Wange, gegen die von den verkrusteten Wunden verunstalteten Sfaira. Pukk ächzte und nahm Abstand.
„Gestern hattest du Eis an noch ganz anderen Stellen, Soren. Vergiss deinen Platz nicht.“
„Ich … ähm, ich weiss schon! I-Ich dachte nur –! Mir geht es jetzt besser, Tajen. Freut dich das nicht? Geht es dir nicht gut?“
Tajen seufzte, schüttelte dann den Kopf.
„So habe ich das nicht gemeint, Pukk. Ich mag dir das schon gönnen, sehr. Nur … Sei bitte vorsichtig und pass auf. Hohe, zeitlose Wesen kommen immer mit Konsequenzen.“
Für einen Augenblick glaubte Tajen, dass Pukk tatsächlich verstand, wie er das meinte. Er schaute so gutmütig aus, Tajen konnte nicht anders, als knapp zu lächeln. Leider wurde er eines Besseren belehrt, als sein Vetter wieder zu grinsen begann.
„Ah so! Keine Sorge! Ich bin nicht mehr frisch zwanzig und dann jo etwas mehr, aber immer noch jung und unachtsam. Zwei kleine, süsse Nasen wie meine reichen auf der Welt. Obwohl selbst du zugeben musst: Er drüben ist sehr, sehr schön, gewieft und eben auch eine Dimraei! Ein Kind von mir mit ihm, das könntest du gleich als nächsten hohen Leri adoptieren.“
„Sollen die Eisbeisser dich im Schlaf in deine Hoden kneifen, Pukk Soren“, schnaufte Tajen dazu nur noch, ehe er sich abwandte.
„He, Tajen! Es ist schon die zweite Morgenstunde. Gönn dir auch bald etwas Schlaf, ja?“, rief Pukk ihm nach, als er die Eingangstür erreichte. Tajen nickte flüchtig, schloss dann die Tür.
„Hab versucht, Soren aufzuklären. Aber er hört nimmer auf andere“, informierte Lannie, als hätte er jedes Wort im Haus mitgekriegt. Vielleicht hatte er das auch, selbst Tajen wusste nicht alles über die Skilja und deren Fähigkeiten. Er winkte ab.
„Eine Hochalbe plötzlich hier im Lager des Schemenkriegers und doch nicht an seiner Seite zu haben, das wäre bereits genug Grund für Misstrauen. Einen solch einmaligen Freund der Tricksereien hingegen … Achtet euch bitte vorerst auf beide.“
„Wird gemacht“, versprach Lannie.
„Sobald sie weniger nackiger sind“, fügte Maik an.
„Nej ju, mich stört’s nicht.“
„Nipf. Du hast auch nicht mit einem von zweien im gleichen Trog gesessen, während er geweint hat, weil er nicht das Waschwasser aus dem Waschtuch schlürfen durfte.“
Tajen hätte gern gelacht bei der Erinnerung. Es reichte nur für ein Zucken der Mundwinkel. Das und beinahe auch ein Gähnen, weswegen er sich lieber abwandte und zur Strasse lief. Er hatte weder den Heerführer noch andere seiner hohen Tiere gesehen seit der gestrigen Vorführung. Das gefiel ihm alles nicht. So konnte er nicht schlafen gehen.
Daregg besass nahe des Zentrums und seiner Wehranlage eine grosse Arena, gleichzeitig Trainingsanlage wie auch Schauplatz für grössere Ereignisse einseitiger Natur. Sie war auch an diesem Morgen in Betrieb. Der Heerführer feierte den schnellen Sieg mit noch mehr Gewalt und Blut. Tajen suchte sich diesmal gezielt einen Platz auf der Tribüne, der weit entfernt von den Ehrenplätzen seiner Krähen lag. Dennoch schien ihm, dass er kurz das kalte Feuer des Heerführers über seine Haut züngeln spüren konnte.
„Torne. Hätte nicht gedacht, dass du so schnell Gefallen an dieser Seite des Heers und ihren Freuden findest“, sprach Tajen seinen eigenen neusten Gast an, als er die Frau in einer ruhigen Ecke in den unteren Sitzreihen vorfand. Sie schaute nicht zu ihm, aber der feine Wind, der ihr weisses, zu zwei Zöpfen geflochtenes Haar umspielte, streifte seines.
„Ich habe keinen Gefallen daran. Und nennt mich nicht Torne, ich gehöre nicht zu Euren Dhrunuran, egal für wie ehrenvoll Ihr sie in diesem Konflikt halten wollt.“
„Hm. Entschuldige. Rena war dein Name? Gestern hattest du noch anders auf mich gewirkt.“
Tajen setzte sich neben sie und folgte ihrem Blick in die Arena. Zwischen verschiedenen Schauspielen entdeckte er auch Godrin, der sich mit einer beinahe gleich grossen Mostaka einem blossen Faustkampf hingab.
„Trug und Unfug. Muss ich Euch wirklich dankbar sein, Sturmbändiger, dass Ihr meine Seele nicht direkt dem Yarr überlassen habt?“, fragte Rena, schaute nun doch zu ihm. Sie trug auch jetzt darkische Kleidung. Die Art aber, wie sie die Zöpfe geflochten hatte, entstammte der Kultur ihrer nordischen Vorfahren. Sie hatte eine dicke Mauer um sich herum aufgebaut und Tajen konnte es ihr nicht verübeln. Dennoch griff er nach ihrem Arm und schob den Ärmel hoch.
„Gestern hast du dich an mich gebunden, Rena. Ich weiss nicht, wie klar dir das war, aber das frische Sfairi hier ist der Beweis dafür.“
Er tippte gegen das Mal an ihrem Unterarm, das in einem besonders kräftigen Kupferton glühte. Rena schnaufte, riss ihren Arm dann von ihm los.
„Es war mir klar. Aber ich weiss auch, dass unser Schwur keiner ist, mit Euch gleicher Meinung sein zu müssen. Für Euch mag das hier wenig Bedeutung haben. Aber ich … i-ich habe hier gelebt. Ich kann nicht hoffen, nicht trauern, da ich nicht weiss, ob ich meine Familie und Freunde jemals wieder sehen werde, nicht in diesem Leben. Ihr aber feiert Darkeens Übernahme.“
„Sehe ich aus, als ob ich feiern würde?“, fragte Tajen sie.
Rena starrte ihn an, mit diesen dunklen, harten Augen. Antwort gab sie keine.
„Nichts an all dem und auch anderem ist ein Grund zum Feiern“, hauchte ein Bursche in der Reihe hinter ihnen. Tajen schaute lediglich genug lange nach hinten, um festzustellen, dass er ein Mensch war und trotz der Bräune und dunklen Sommersprossen gerade sozusagen bleicher als er und Rena wirkte. Noch angespannter.
„Niemand kann andere zum Feiern zwingen. Du musst nicht hier sitzen“, riet Tajen dem Burschen. Dieser gab ein Prusten von sich. Nicht herablassend, sondern verzweifelt.
„Der Schlund hat einen Weg gefunden, uns alle zu zwingen. Und wir haben ihm gleichermassen dazu verholfen.“
Tajen schaute zum Kopfende der Tribüne. Der Heerführer hatte sich soeben erhoben. Mit einem Fingerwink lösten die Schemen die Rüstung von seinem Körper, liessen ihn nur in Hose, Stiefel und Handschuhen zurück, die Anwesenden all die Schemen auf seinem Körper erblicken, die den Sfaira ähnlich wirken mochten und doch so anders waren. Selbst seine Maske liess er weg, als er die Arena betrat. Ihm gegenüber standen keine aus den eigenen Reihen, die freiwillig ihre Künste unter Beweis stellten. Gefangene wurden reingeworfen. Mit Waffen und Rüstungen. Aber das half ihnen wenig. Das Schauspiel war vorbei und wieder würde Blut fliessen.