Dass wir die jetzt auch haben, erzählte ich gewiss.
Dass sie unserem MP, der sie nicht wollte, von panischen Bürgermeistern und manipulativer Presse aus den Rippen geleiert wurde, bestimmt auch.
Ich hasse sie.
Mit ihr wurde eine persönliche Grenze überschritten. Nicht nur bei mir, auch meine Mutter verkündete meinem Vater, er möge künftig alleine einkaufen gehen.
Ein Beispiel, dem ich nur ungern folge, weil mein Mann eigenartige Dinge einkauft, wenn ich ihm einen Zettel schreibe.
50% meiner Liste scheinen irgendwie missverständlich zu sein, also schob ich es bis heute auf und wir fuhren nach Dienstschluss (seinem) einkaufen. Dass die Post mit der selbstgenähten Maske meiner Freundin aus Wuppertal noch nicht eingetroffen ist, obschon sie sie letzten Donnerstag abgeschickt hatte, ist verwunderlich, aber keine große Überraschung.
Die Post kollabiert ja schon bei Geringerem.
Also zog ich einen extrem engen Loop an, der im Prinzip wie eine Motorrad-Sturmhaube sitzt und stopfte Handdesinfektionsmittel in meinen Rücksack, ehe ich mich auf den Beifahrersitz des sensiblen Autos setzte und wir gen Rossmann brausten.
Davor stülpte ich die Maske über Mund und Nase, raste durch den Rossmann, warf hektisch Katzenfutter und Zahnpasta hinein und versuche zuerst noch, mit dem Göttergatten, kurz Göga, anzustehen.
Die Schlange ist ellenlang.
Hinter uns steht eine ältere Damen mit Maske, die, das sehe ich an ihren Augen, freundlich grüßt. Er macht etwas Smalltalk, dem ich mich anschließe. Oberflächlich aber nett.
Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wer das ist.
Nach fünf Minuten keuche ich: "Ich warte draußen", flitze hinaus, dusche meine Hände mit dem Desinfektionsmittel und zerre den Loop aus meinem Gesicht.
Es geht nicht.
Es geht überhaupt nicht, doch den Rewe muss ich irgendwie bis zum Ende durchhalten.
Als er rauskommt und ich wieder ins Auto steige, frage ich ihn, wer die Frau war und er guckt mich groß an. "Trudi. Unsere Nachbarin."
"Du liebe Güte", ich streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, "ich hatte keine Ahnung."
Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums, in dem der Rewe-Markt untergebracht ist, parken wir auf einem Behindertenparkplatz, natürlich berechtigterweise, was wir mit dem Parkausweis belegen, der vorne gut sichtbar im Auto liegt.
Ich ziehe den Loop über Mund und Nase und rase durch den Markt. Schmeisse alles in Windeseile in den Wagen. Suche mir ein Schänzchen nach Cannelloni und entdecke die Frau des Besitzers beim Einräumen von Hygieneartikeln. Sie trägt ein Visier, also frage ich zweierlei Dinge.
Ob sie Cannelloni hätten, was sie verneint und
ob ich auch mit einem Plexivisier einkaufen dürfte, was sie vehement bejaht.
"Gut", ächze ist, "dann kaufe ich mir so was."
Ich merke, wie sich meine Atmung beschleunigt, und wie warm es unter dem extrem dünnen Ding wird.
Stelle mir die Menge an Bakterien und Keimen vor, die sich darunter bilden, direkt an meinem Mund und meiner Nase.
Nachdem der Liebste den Krempel aufs Band gelegt hat, zische ich: "Ich warte draußen."
Flitze raus. Das geht mit einem Rollstuhl enorm schnell, insbesondere mit einem Aktivrollstuhl, und entdecke vor mir hergehend zwei Vögel vom Ordnungsamt.
Männlich und weiblich, äußerst jung, das heißt höchstens 25.
Beim Auto auf dem Behindertenparkplatz bleiben sie stehen und gehen halb herum. Also sie, die Ordnungsbeamtin.
Er sieht mich ohne Mundschutz und es muss für ihn so aussehen, als hätte ich keinen getragen.
Sie sieht den Behindertenparkausweis, aber ihr Gesichtsausdruck bleibt skeptisch, denn sie kann sich wahrscheinlich ein Einhorn auf dem Mars vorstellen. Nicht aber einen Dodge Challenger Wide Body auf einem Behindertenparkplatz. Ich zucke mit dem Daumen zum Auto. "Das gehört meinem Mann."
"Sie haben keine Maske auf", brummt er.
"Ich bin ja auch draußen."
"Eben waren sie aber drinnen."
"Jetzt bin ich draußen", ich lupfe meinen Loop über Mund und Nase, darüber mit wütend funkelnden Augen, und zupfe ihn sofort wieder runter.
"Ich mein' ja nur", sagt der Ordnungsbeamte, dessen Mutter ich sein könnte, und fängt sofort an, mir das Bußgeld zu benennen, das ich zu zahlen hätte, falls ich ohne Mund-Nasenschutz einkaufen ginge.
"Wir kommen öfter gucken. Wenn wir Sie ohne Schutz antreffen..."
"Das können sie ja mal versuchen", gifte ich, ohne zu wissen, was ich dann täte. Wahrscheinlich würde ich es einfach nur annehmen und in die Widerspruchsbegründung schreiben, dass ich beabsichtige, zu warten, bis das Bundesverfassungsgericht geklärt hat, ob die Verordnungen und Bußgelder überhaupt auf einer Rechtsgrundlage beruhten.
Ich bin selbst Beamtin und ahne in dieser Hinsicht Deprimierendes.
"Äh...", sagt er.
Ich zucke die Achseln. "Ich mein' ja nur."
"Also", fängt er damit an, mir die Möchtegern-Gesetzesgrundlage zu referieren. Ausgerechnet ein Jüngling, der nichts über meine praktische, weil ausführende Arbeit mit Gesetzen weiß.
Und hört plötzlich auf. Mitten im Satz.
Denn mein Gatte nähert sich, bemundschutzt mit einem Tuch, das prima zu seiner Uniform passt, seinem Fahrzeug.
Seine Brauen heben sich fragend.
Die Ordnungsbeamten bewegen sich von dannen.
Sie grüßen ihn noch salopp, als hätten wir uns gut unterhalten.
"Was war?", fragt er, als er den Kofferraum öffnet.
"Nichts", flöte ich und setze mich schon mal auf den Beifahrersitz.
Er ahnt Fürchterliches. Weil er mich kennt.
Und einst Zeuge ward, als ich in einer Kurklinik den Verwaltungsleiter zu sprechen verlangte, weil ich zuvor entdeckt hatte, dass sie das ganze Gebäude bis morgens um 7 Uhr versperren.
Und ich deshalb eine Zigarette in meinem Zimmer rauchte.
Weil die das selber Schuld waren.
Und der Leiter mit Feuerschutz daher kam.
Und ich sehr dreckig lachte und auf die komplett versperrten Türen verwies. Und verlangte, den Brandschutzbeauftragten zu sprechen.
Ich sprach ihn.