Heute war ein besonderer Tag, denn wir machten einen Ausflug. Man weiß ja gar nicht mehr, was das ist.
Natürlich brachen wir erst nach Feierabend auf, denn der Göttergatte pflegte sein Home-Office, derweil ich, des feinen Wetters wegen, zuerst den Garten scannte und dann in ein Blumencenter einfiel.
Überfallartig, weil maskiert.
Der Faktencheck um Garten gestaltete sich insoweit ernüchternd, dass zwei Kamelien eingegangen sind, die uns sechs Jahre treu waren. Ratlos stand ich gleichwohl vor unserem großen Olivenbaum, der unten rum etwas zerrupft wirkt, aber ob er eingegangen ist, kann ich noch nicht wissen. Viele silbrige Blätter hat er gelassen.
Aber ach, was hilft jammern?
Starte ich lieber durch.
Und so düse ich in das Gartencenter, das keiner Kette angehört und nur 7 Kilometer von uns entfernt liegt. Da ich zuletzt, weil ich eine brave Bürgerin bin, im Oktober 2020 in Italien Auto gefahren bin, ich somit also nicht sicher sein kann, ob ich das noch kann, wähle ich die gering befahrene Strecke über die Dörfer. Meine Sorge entpuppt sich als unberechtigt. Nur mit einer leichten Jacke auf Jeans bekleidet, pese ich offenen Verdecks mit der Sonnenbrille auf der Nase über die Straßen.
20.5 Grad meldet mein Auto-Thermometer.
Im Laden entscheide ich mich rasch für zwei neue Kamelien, eine Palette Hornveilchen und diverses andere bunte Gestrüpp, dessen Namen ich nicht kenne, sowie für zahlreiche Tulpenzwiebeln.
Was die Verkäuferin mir alles, meiner Behinderung und dem Rollstuhl geschuldet, ins Auto schleppt, und dabei fällt ihr etwas ein.
„Sie waren doch letzte Woche mit ihrem Mann hier, um die beiden großen Zimmerpflanzen zu kaufen.“
Ja, denke ich. Wir kommen wöchentlich, weil wir sonst nichts unternehmen dürfen. Bei uns sieht es bereits aus wie in einem Dschungel. Ich komme nur noch mit der Machete ins Bad.
Aber brav sage ich. „Ja, stimmt. Das war ja erst letzte Woche.“
Bilder der letzten Woche drängen sich mir auf. Wie wir die Zufahrt vom Schnee befreiten, das Cabrio aus der Garage holten, in den Himmel schielten und das Verdeck auf, so wie die Heizungen anschalteten. Mit dem Schal, hochgezogen bis unter die Augen.
„Da sind sie auch offen gefahren“, kichert die Verkäuferin. „Ich bat sie drum, wegen der Pflanzen zu zu machen. Die sind aus dem Mittelmeerraum. Man muss sie mit viel Fingerspitzengefühl behandeln.“
„Stimmt“, gebe ich zurück. „Sie packten noch 100 Lagen Papier drum.“
Und das Thermometer zeigte minus zwei Grad.
Letzte Woche.
LETZTE WOCHE!!
Eigentlich unfassbar.
Egal. Ich schufte den ganzen Tag im Garten.
Am Abend gehen wir Essen.
Aber ehe wir das Sterne-Restaurant mit dem großen bogenförmigen M ansteuern, will der Liebste mein Auto durch die Waschanlage fahren. Das will er schon seit Freitag, aber irgendwie waren die Waschanlagen immer zu voll. Doch nun, tusch, ist die Waschstraße fast leer.
Wir stellen uns hinter einen BMW, dessen Fahrer auf die Schiene fährt wie ein Fahranfänger.
Der Angestellte schreit.
„Sie müssen den Gang rausnehmen!“
Panisch rennt er zum Fahrerseitenfenster. „Auf N! Nicht auf D!“
Wir gucken uns an, der Liebste hebt eine Braue.
Wir bezahlen, das Auto wird mit dem Hochdruckreiniger bearbeitet.
„Warum heißt das hier Elefantenwäsche?“, frage ich tonlos.
„Siehst du die Tür?“ Er weist mit dem Finger auf eine Tür rechts von mir und ich nicke.
„Da geht er jetzt rein und kommt gleich in einem Elefantenkostüm wieder raus.“
„Er reinigt das Auto mit seinem Rüssel, meinst du.“
„Genau. Mit seinem Rüssel.“
„Gut.“
Obwohl man ein nasses Verdeck nicht öffnen soll, tun wir es, denn wir sind, Corona geschuldet, zum Erbrechen vernünftig. Wir fühlen uns schon ganz komatös, was bei MacDonalds nicht besser wird, wo wir einige Verständigungsprobleme liebenswert bewältigen, indem wir an den richtigen Stellen ja und nein sagen, denn offenkundig kollidieren gerade mehrere Faktoren.
Die junge Frau wird angelernt.
Sie spricht fragmentarisch Deutsch
und der Liebste ist nach 30 Jahren bei der Luftwaffe schwer schwerhörig.
Aber charmant ist er, weshalb wir am Ende alle lächeln, und, man höre und staune, unseres kann sie sogar sehen, weil wir im Auto keine Maske tragen.
Weil man sich mit erworbener Nahrung stets 50 Meter vom Anbieter eben dieser entfernen muss, ehe man die Erlaubnis zur Nahrungsaufnahme erteilt bekommt, fahren wir auf den Parkplatz von Fressnapf, um essend zuzusehen, wer rein und wer rausgeht und womit.
Es handelt sich hierbei um eine Art Autokino ohne Ton. Der Unterhaltungswert hält sich in Grenzen, weshalb wir nebenher Radio hören. Die WDR-Nachrichten teilen uns mit, dass es einen erhöhten Andrang auf Pflegeschulen gibt.
„Segelschulen?“, fragt er.
„Ne, Pflege. Pflegeschulen.“
„Ich wunderte mich schon.“
Im Unterschied zu den meisten der vormaligen Auto-Stummfilm-Kino-Besucher nehme wir unseren Müll mit und werfen ihn nicht aus dem Fenster.
Rechter Hand thront ein großer Baumarkt, und dabei fällt mir das Arbeitszimmer ein, das wir halb ausgeräumt haben, weil wir auf eine neue Regalwand warten, die erst Mitte März geliefert wird.
Beim Vorbeifahren sehen wir zwei Mitarbeiter des Baumarktes, der selbstredend geschlossen ist.
„Sollen wir reinrufen, dass wir Farbe brauchen?“ Ich zucke mit dem Daumen zum Baumarkt.
„Ne, lass mal. Vielleicht machen die ja bald wieder auf. Wenn die nächste Woche noch nicht auf haben, bestellen wir bei Amazon.“
Ich nicke. Wir fahren. An der Ampel sage ich: „Und da wundert sich noch jemand, dass der Bezos stinkreich ist.“
„Ich wundere mich nicht“, gibt er trocken zurück. „Der bringt dir die Farbe nach Hause.“
Still resümiere ich, was ich in letzter Zeit alles da gekauft habe, und dass ich das eigentlich nicht so gerne möchte. Und doch möcht ich die Wand gestrichen haben, bevor die Regalwand kommt. Und nicht an Ragnaröck, wahlweise Armageddon.
„In Bayern“, sage ich, „machen die Baumärkte jetzt wieder auf.“
München liegt über 600 Kilometer südlich-östlich von uns.
„Nützt nichts.“ Er biegt auf die Hauptstraße ab. „Die Hotels haben noch zu.“
Wir stehen an der Ampel.
Von rechts biegen Autos auf unsere Straße, darunter der Kleinlaster einer Handwerksfirma. „Irgendwie sexistisch“, stellt der Liebste fest.
„Dachte ich auch gerade.“
Auf dem Kleinlaster steht. Wir können länger.