Jüngst las ich eine Annonce:
V-Hahn umständehalber abzugeben. VB.
V-Hahn? Kurz nippe ich am Kaffee und bohre meinen Blick erneut in die Zeitung, die vor mir auf dem Tisch liegt. Ich blinzele, aber das ändert nichts.
V-Hahn umständehalber abzugeben.
Ich sinke zurück in die Lehne und schließe die Augen.
Das Hühnerhotel im Frühdunst. Nebel wabert über das Wiesengrün. Derweil die meisten Hühner noch dösend im Inneren auf ihren Nestern brüten, schleicht der V-Hahn mit spitzen Krallen in den Schatten einer Esche am Wiesenrand, wo sie auf ihn warten. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die entgegen der Prophezeiung Gary Larsons die Weltverschwörungspläne nicht bei den Kühen sehen.
Nein, die Hühner wollen die Macht an sich reißen!
Einer der beiden, es ist Herr K. Onspirativo, wispert über den hochgestellten Kragen seines Trenchcoats. "Und?"
Der Hahn sieht gehetzt über die runde Schulter. Die Heimstatt der Hühner aber verbleibt still, nur gelegentlich ertönt ein blubberndes Gack. Alles schläft.
"Ich konnte verdächtige Bewegungen zum Nachbarhof eruieren. Trudi Dott führte einen kleinen Trupp unter dem Zaun vorbei nach Höllenhausen", wispert er.
Spion G.Heim zückt einen Notizblock, sowie einen Stift. "Wer gehört der Truppe an?"
"Gack!", ertönt es vor der Heimstatt. Abrupt schnellt des V-Hahns Kopf herum, sein Kamm stellt sich auf. Und doch ist es nur Paris, ein harmloses Huhn, das sich keinerlei Verschwörungen anzuschließen scheint. Er wüsste auch nicht, woher es die Zeit nehmen sollte, die es überwiegend vor Pfützen verbringt, in denen es sich spiegelt, ausgiebig mit dem Frisieren ihres Gefieders befasst.
"Es hat sich eine Gruppierung gebildet, der Rosa Glucks, Gevara Perlhuhn und Emma Weichdotter angehören. Es sieht danach aus, als planten sie, die Hühner im Massentierhaltungsstall zu befreien."
Spion Heim kritzelt die Infos in seinen Block, dann wirft er einen auffordernden Blick zu seinem Kollegen, der sofort beginnt, in einem Beutel zu kramen. Mit einem Stapel Bücher steht er vor dem V-Hahn.
"Chick-Lit", presst er raus. "Sieh zu, dass sie das lesen. Das verhindert Flausen im Kopf."
Ich reiße die Augen auf.
"Guck dir das an!", rufe ich dem Liebsten zu. "Die Annonce!"
Mit der Kaffeetasse in der Hand schlenzt er vorbei und wirft einen Blick über meine Schulter. "Ein V-Hahn? Witzig. Aber da ist ein Foto drüber."
Als ich genauer hinsehe, entdecke ich es auch. Tatsächlich, ein Foto des V-Hahns, das ihn eindeutig als Pfau ausweist.
Ich stelle mir den Anruf in der Annoncenaufnahme vor.
"Käseblatt Rhein-Erft. Was kann ich für sie tun?"
"Guten Tag. Ich möchte eine Annonce aufgeben."
"Wie lautet der Text?"
"Pfau-Hahn umständehalber abzugeben. VB."
Die junge Aushilfe tippt den Text in ihren PC. "In Ordnung", zwitschert sie dann, "Das erscheint kommenden Samstag."
Das tat es dann auch.
V-Hahn umständehalber abzugeben.