Gemeinhin heißt es ja, Behörden verlangten andauernd unmögliche Unterlagen, und es wird unterstellt, der Sachbearbeiter mache es den Leuten unnötig schwer.
Vielleicht stimmt das in einigen Fällen.
In anderen nicht.
Und es gibt die Fälle, in denen das behauptet wird, aber das Gegenteil der Fall ist.
Ich arbeitete zuletzt im Bildungspaket. Ohne das näher ausführen zu wollen; ich verteilte Zuschüsse für Nachhilfe, Sportvereine, zahlte Klassenfahrten und eben auch Zuschüsse zu Mahlzeiten in Kitas und Schulen.
Nein, ich arbeitete nicht im Jobcenter.
Die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, waren häufig diejenigen, die Vollzeit arbeiteten, aber dennoch Zuschüsse vom Staat erhielten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Familie ernähren zu können.
Wie ich es finde, dass ein Gehalt in einem der reichsten Länder der Welt dazu nicht reicht, obwohl man sich abrackert, ist eine andere Geschichte.
Ein Großteil der Antragsteller hatte einen Migrationshintergrund.
Das erwähne ich lediglich, weil der Fall, von dem ich erzählen möchte, ein Schmitz-Fall war. Meint: völlig ohne Migrationshintergrund, was für den späteren Verlauf eben da von Bedeutung ist, wo es um Sprache und das Verstehen derselben geht.
Das Kind, dessen Schulverpflegung ich bezuschussen sollte, hieß, .....nennen wir es Dennis Schmitz.
Eines Morgens habe ich einen Rate-Antrag in der Post.
Ein Rate-Antrag ist ein Formular, auf dem nicht angekreuzt ist, was beantragt wird, und das lediglich mit Namen und Anschrift und einer Unterschrift versehen ist.
Den Namen muss man auch manchmal raten
Diesen Rateanträgen liegen in der Regel zerknitterte Papiere mit und ohne Kaffeeflecken bei, bei denen es sich um Informationen der Schule an die Eltern handelt. Manchmal geht es um Ausflüge, oft um Klassenfahrten, aber hier geht es um Schulessen.
Der Flyer benennt drei Optionen. Es gibt die Optionen 5-mal wöchentlich, 3-mal wöchentlich oder 2-mal wöchentlich zu speisen.
Die Kosten dafür sind jeweils ein anderer Betrag, natürlich.
Da aber das Gesamtpaket Essen mit Kugelschreiber umkringelt ist (woraus ich überhaupt schließe, dass es sich um einen Antrag auf Zuschuss zur Mittagsverpflegung handelt), weiß ich nicht, für welche der drei Möglichkeiten sich Dennis‘ Eltern entschieden haben, aber verflixt, ich brauche doch einen Betrag. Ohne Betrag kann ich nichts berechnen, und mir stehen drei zur verfügung, von denen ich einen wählen muss.
Besser, denke ich, bitte ich in der Eingangsbestätigung um Mitteilung.
Keinesfalls auf Beamtendeutsch.
Sondern auf Deutsch.
In einem einfachen Satz: Bitte teilen Sie mir mit, für welches der drei Verpflegungsangebote Sie sich für Dennis entschieden haben.
Nach 3 Wochen auf Wiedervorlage, und ohne dass mich die Familie angerufen hätte, versende ich genervt eine Erinnerung. Das kann doch nicht so schwer sein, denke ich.
Ruft mich an!
Dann mache ich eine Aktennotiz.
Angerufen habe ich einige Mal selbst, aber nie geht jemand dran, noch reagiert jemand auf mein Sprüchlein, das ich auf den AB trillere.
Allzu oft versuche ich das nicht. Es gibt ja noch andere Kinder, die ich zu verpflegen habe.
Aber ich entscheide, noch vor Ablauf der nächsten Wiedervorlagefrist zwei weitere Erinnerungen zu verschicken. Ich will das nicht wegen fehlender Mitwirkung ablehnen.
Das kann doch nicht so schwer sein!
Und siehe da, ich erhalte neue Post. Erwartungsfroh rupfe ich den Umschlag auf und stutze. Wieder nur ein Flyer, dieses Mal ohne Kaffeeflecken. Er muss neu sein, demzufolge aus der Schule mitgebracht. Man bemüht sich. Aber so etwas Kompliziertes verlange ich doch gar nicht.
Ich seufze verzweifelt und vervollständigte den einfachen Satz: Bitte teilen Sie mir mit, für welches der drei Verpflegungsangebote sie sich für Dennis entschieden haben, mit der Erklärung:
Ich benötige diese Information, um aus dem Kostenbeitrag den Zuschuss für das laufende Schuljahr berechnen zu können.
Vielleicht ist meine Bitte schlüssiger, wenn ich erkläre, warum ich die Info brauche, denke ich hoffnungsfroh und widme mich zwei Wochen lang anderen Anträgen. Bis ich eines schönes Tages erneut Post bekomme. Ich wundere mich schon darüber, dass der Umschlag so dick ist. Mit zwei gehobenen Brauen fische ich das Schreiben hinaus, dass sich als was entpuppt?
Die zweiseitige Stellungnahme einer Schulsozialarbeiterin der Schule, die Dennis besucht. Lang und breit wird mir erläuterte, warum es in psychologischer und soziologischer Hinsicht wichtig für Dennis ist, an der gemeinschaftlichen Verpflegung in der Schule teilzuhaben.
Entmutigt sinke ich in meinem Stuhl zurück.
Was tun?
Idee!
Ich bin mit einer anderen Schulsozialarbeiterin befreundet, die kommenden Samstag zum Geburtstagsgrillen eingeladen hat.
In ihrem Garten frage ich nebenher, ob sie die Kollegin kennt, nicht ohne mich ein wenig lustig zu machen, und ich sehe, Claudia schämt sich fremd. Aber sie fragt.
Anderntags bekomme ich eine Whats app: 3-mal wöchentlich.
Ich atme tief ein, schreibe einen Bewilligungsbescheid und fürchte mich vor Dennis' neuem Schuljahr.