Du rennst, so schnell dich deine Beine tragen. Mit schweren Sprüngen, unter denen die Erde donnert, folgt der Wolf dir. Er ist unglaublich schnell. Du hetzt den Weg hinauf, der jetzt bergan führt. Schnell hast du das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Deine Lunge sticht und schreit. In deinem Kopf dreht sich alles. Der Wald wird zu einer verschwommenen Schwärze zu beiden Seiten, deine Augen fokussieren sich auf keine Details mehr. Du spürst den heißen Atem des Untiers im Nacken.
Mehr aus einem Gefühl heraus wirfst du dich zur Seite und stolperst in einen Baum. Aber die Pranken des Wolfes treffen dort auf den Boden, wo du eben noch gelaufen bist. Du stößt dich vom Baum ab und rennst weiter, aber vorher begegnet dein Blick für einen Moment den gelben Augen des Wolfes. Hass glüht darin, brennender, wahnsinniger, elender Hass.
Nie zuvor bist du so schnell gelaufen. Im Grunde, denkt ein Teil von dir, der sich von der wilden Jagd abgekapselt hat, fällst du nur. Du hast den Oberkörper nach vorne gelehnt, dass du aus dem Gleichgewicht gerätst. Du bringst nur die Füße immer rechtzeitig unter deinen Körper, um dich weiter nach vorne zu stoßen. Die Pfoten des Wolfes trommeln hinter dir auf den Boden wie ein Herzschlag.
Endlich siehst du vor dir etwas anderes als den dunklen Wald - rotes Licht! Ein Zaun!
Du wirst noch einmal schneller, obwohl deine Beine sich überhaupt nicht mehr rühren wollen. Wie ein gehetzter Fuchs rauscht du aus dem Wald heraus, den baumstammhohen Wolf hinter dir, der aus dem Wald rennt, als hätte diese schweigende Ansammlung bedrohlicher Bäume die Gestalt eines mondgelbäugigen Monsters angenommen. Vor dir ragt ein Metallzaun auf. Du springst und landest an dem Maschendraht. Ehe du dich darüber wunderst, wie hoch du springen kannst, wenn es drauf ankommt, kletterst du schon. Der Wolf spring gegen den Zaun und die Erschütterung wirft dich beinahe ab. Du verlierst den Halt fast vollständig, aber mit einer Hand hältst du dich noch fest. Eilig ziehst du deine Füße aus der Reichweite des schnappenden Wolfsmauls.
Du schwingst ein Bein über den Zaun. Wieder wirft sich der Wolf gegen den Zaun und diesmal fällst du, allerdings auf die andere Seite. Stöhnend und keuchend liegst du im hohen Gras und starrst den großen Wolf an, der den Zaun nicht überspringen kann.
Nach einer Weile gibt das Monstrum seinen Kampf auf und trottet in den Wald zurück. Es dauert noch sehr viel länger, bis dein Herzschlag sich beruhigt hast.
Endlich in Sicherheit siehst du dich auf dem Berggipfel um.
Kapitel 361: [https://belletristica.com/de/chapters/34719/edit]