Du siehst ein letztes Mal zurück, um Abschied vom Wanderland zu nehmen. Fast sofort fällt dir eine Bewegung ins Auge: Über den Felsen müht sich eine dicke, fette Kröte, kriecht mühsam über den Stein und bleibt schließlich sitzen, als sie deinen Blick spürt. Aus gelben Augen, denen eines Drachen nicht unähnlich, sieht sie zu dir auf.
„Hallo“, sagst du überrascht.
„Gegrüßet seihst du, Weltenwand'rer,
eilst von einer Welt zur andern.“
Die Kröte blickt dich an.
Du hebst überrascht beide Augenbrauen. „Warum sprichst du denn in Reimen?“ Dass hier Tiere sprechen können, vermag dich schon nicht mehr zu verwundern.
„Ein Fluch ist's, der mir auferlegen -
drum folgt' ich dir auf allen Wegen! -
der mich zum Reimen zwing, oh je,
dass sich ringelt manch' Nagel vom Zeh!“
„Das tut mir leid“, sagst du ehrlich. „Aber warum folgst du mir dann?“
Die Kröte blinzelt dich aus großen Augen an.
„Um mit dir jetzt zu besprechen,
ob du könntest diesen Fluch wohl brechen.
Ganz einfach ist's, das schwöre ich,
passt sogar rein in ein Gedicht:
Musst mir nur eine Frage stellen,
ob ich dir kann den Weg erhellen.
Und mit der Antwort, siehe da:
Ich sprech genau wie's vorher war!
Der Fluch wird dann vergangen sein,
mein Dank ist dann auf immer dein!“
Du brauchst eine Sekunde, um den Reimsalat zu entwirren.
„Gut, ich denke, ich habe verstanden. Kannst du mir sagen, wo ich hier hinkomme?“, fragst du und deutest auf die Wolken hinter der Klippe hinaus.
„Zum Reich der Träume geht’s dorthin,
Doch dort ich nie gewesen bin.
Man hört so manche düst're Mär,
wie schlimm es dort im Traumland wär.
Ein ganz und gar verrückter Ort,
doch musst du weiter, hast mein Wort.
Du musst das Traumreich wohl durchschreiten,
und auch manch and're wilde Weiten.
Bis du erreichst das End der Welt,
wo die wichtige Entscheidung fällt.“
„Was für eine Entscheidung?“, fragst du verwirrt.
„Das weiß ich doch nicht“, sagt die Kröte und bricht plötzlich in Gelächter aus, weil sie normal sprechen kann. „Ha, du hast mich befreit! Vielen Dank, Weltenwanderer!“
Sie will wegkriechen.
„Warte! Welche Entscheidung am Ende der Welt meinst du?“, rufst du ihr hinterher.
„Das weiß ich nicht“, die Kröte dreht sich um, aber ihr Ton ist versöhnlicher. „Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin nur ein Orakel. Ich sage, was mir die Weisheit eingibt, aber verstehen tu ich es selber nicht. Viel Glück auf deinem Weg, Weltenwanderer.“
Sie kriecht davon und du siehst ihr nur noch einen Moment nach, bevor du dich umdrehst.
„Dann also auf ins Traumland“, murmelst du zu dir selbst.
- Du löst das Seil, mit dem das Boot vertäut ist.
Kapitel 451: [https://belletristica.com/de/chapters/35923/edit]