„Ich ergebe mich!“ ruft du, lässt deine Ausrüstung Ausrüstung sein und reißt beide Arme nach oben.
Der große Drache betrachtet dich wie einen besonders kuriosen Käfer. Dann, als du mit deinem Leben bereits abgeschlossen hast, tut er etwas, womit du nicht gerechnet hast: Der Drache spricht.
„So, so, du ergibst dich also?“
Seine Stimme ist tief und grollend, und du spürst die Schwingung jedes Wortes, wie du den Bass auf einem Konzert hören würdest.
„Äh. Ja“, meinst du kleinlaut.
Der Drache bleckt die Zähne. Du kannst den Blick nicht davon abwenden. Sie sind groß wie Berge, leicht gelblich, und zwischen ihnen stecken noch Reste von etwas Undefinierbarem.
„Seltsam“, sagt das große Tier und bewegt sich in eine leicht andere Position. Der Boden erzittert und du verlierst beinahe das Gleichgewicht. „Ich dachte, man ergibt sich nur, wenn man in Kampfhandlungen verwickelt ist.“
Der Drache betrachtet dich schweigend und seine Lippen senken sich langsam wieder über die beeindruckenden Zähne. Du siehst dich ängstlich um und suchst fieberhaft nach einer Antwort. „Ich dachte, ich könnte mich schon einmal vorsorglich ergeben ...“, sagst du endlich.
Wieder bleckt der Drache die Zähne, und jetzt stößt er auch noch eine Art Brüllen aus, wieder und wieder und wieder - er lacht. Plötzlich wird dir klar, dass das riesige Reptil lacht.
„Du bist diesem Halunken begegnet, nicht wahr?“, fragt der Drache dann und setzt sich mit einem so lauten Plumps, dass du glaubst, der Boden müsste einstürzen. „Diesem Kerl mit seiner magische Kiste?“
„Ja“, sagst du zögerlich. Jetzt kommt das Drachengesicht näher und mustert dich. Du spürst den heißen Atem, der wie ein Sturm an deinen Kleidern zerrt. Die Augen sind groß wie zwei gelbe Seen, die Pupillen scheinen die Schatten von unendlich tiefen Schluchten zu sein, so tief, dass sie bis zum Mittelpunkt der Erde reichen könnten.
„Oh, du fürchtest dich ja!“, erkennt der Drache. „Hab keine Angst, Menschlein. Ich bin Vegetarier. Das ist besser für die Schuppen, weißt du?“
„Nein, das wusste ich nicht“, sagst du, noch immer verwirrt und eingeschüchtert. Dann, weil es nicht schaden kann, fügst du hinzu: „Es sind aber sehr schöne Schuppen.“
Der Drache bleckt schon wieder die Zähne. Jetzt, aus der Nähe, kannst du erkennen, dass es Reste von Blättern sind, die dazwischenstecken. Und langsam kommt es dir so vor, als würde der Drache weniger die Zähne blecken, als lächeln.
„Ihr Menschen habt doch keine Ahnung von guten Schuppen! Aber ich sag es dir.“ Der Drache zieht sich zurück, weil er merkt, dass er dich mit jedem Wort beinahe von den Füßen reißt, wenn er so nah vor dir spricht. „Es geht darum, dass sie schön glänzen und eine regelmäßige Form haben. Wenn man zu viel Fleisch frisst, fallen einem von den ganzen Ergänzungsmitteln – Stoff, Metall, Stahl – die Schuppen aus! Die wachsen zwar nach, aber eben unregelmäßig.“
„Gut zu wissen.“ Langsam fasst du Vertrauen zu dem riesigen Wesen. „Jetzt kann ich also erkennen, welche Drachen Vegetarier sind?“
„Oder ihre Beute vorher schälen“, wirft der Drache ein und einen Moment gleitet sein Blick in eine Ferne, die du kaum erahnen kannst. „Die sind gefährlich. Du weißt ja, dass ihr Menschen manchmal in diesen Metallbüchsen klemmt. Ihr seid richtig schwer, da heraus zu bekommen. Die Drachen, die das hinbekommen … nun, ich habe größten Respekt vor ihnen!“
Dir fällt nichts ein, was du sagen kannst, in erster Linie, weil du dich fragst, ob die Metallbüchsen Ritterrüstungen sein sollen, oder etwas anderes, was du noch nicht verstehst.
Der Drache richtet sich auf. „Tut mir sehr leid, aber ich muss so langsam weiter fliegen. Es war sehr schön, mit dir zu reden. Du bist seit langem der erste Mensch, der mich anspricht, statt schreiend davonzurennen. Das ist alles dieser bärtige Verrückte am Eingang zu unserem Land schuld!“
Du weichst ein wenig zurück, damit dich der Drache nicht aus Versehen zertrampelt. Doch er hebt eine Pranke, so groß wie eine Hütte, und hält sie dir hin. Auf der Pranke, so erkennst du jetzt, liegt ein gewaltiger Edelstein, rot mit Adern von Orange und Gold, die sich sogar zu bewegen scheinen, bis es aussieht, als bestünde der Stein aus in einer Glaskugel gefangenem Feuer.
„Hier, nimm den Feuerherz“, sagt der Drache. „Du darfst gerne mal anrufen.“
Bevor du darauf hinweisen kannst, dass der Edelstein in etwa so groß ist wie dein Oberkörper, fällt der Stein bereits mit einem Donnern vor deine Füße. Vor deinen erstaunten Augen schrumpft er allerdings, bis er nur etwa so groß wie eine Faust (oder ein menschliches Herz) ist.
„Danke“, sagst du, als du den Stein aufhebst und verwundert feststellst, dass er ein bisschen warm ist.
Gegenstand erhalten: Feuerherz
Bitte merke dir dein Inventar.
Der Drache nickt nur zur Antwort, tritt ein paar gewaltige Schritte nach hinten und spannt dann die Flügel auf, um sich in einem Wirbelsturm hoch hinauf in den Himmel zu schwingen.
Nachdem du wieder auf den Beinen bist, winkst du dem Drachen hinterher.
„Ach so!“, brüllt er noch aus dem Himmel: „Ich heiße Gyrm. Du musst den Namen sagen! Und wenn du in die Richtung da weitergehst, kommst du hier raus!“
Du winkst noch einmal und gehst dann in die Richtung, in die dich der Drache gewiesen hat.
- In einem gemächlichen Tempo, noch immer erschöpft von deinem Treffen mit der Feuerechse, erreichst du eine schroffe Klippe.
Kapitel 449: [https://belletristica.com/de/chapters/35542/edit]