Die merkwürdigen Vögel haben euch zum Glück in Frieden gelassen, aber ihr habt eine wichtige Lektion gelernt: So leer und eintönig die Wildnis von Norilsk auch scheint, es gibt hier andere Gefahren neben der Kälte und der knappen Nahrung.
In den nächsten Tagen untersucht das Team der Neugier die Tiere, welche ihr 'Sturmvögel' tauft. Es handelt sich um eine Möwenart, die offenbar irgendwann über das Meer hierher gelangte und sich in der Einsamkeit weiterentwickelte. Ihr Gefieder ist schwarz und wird von weißen Blitzen gezeichnet, wie eure Beobachtungen ergeben. Thaksin klassifiziert die Vögel als Fabelwesen, da ihre Fähigkeit, Blitze zu rufen, inhärente Magie zu sein scheint. Zum Glück ist es schwache Magie, die sie nur im Schwarm vereint rufen können. Ein einzelner Vogel wäre nicht fähig, jemandem von euch gefährlich zu werden.
"Jede Lebensform besitzt eine gewisse innere Spannung", erklärt die Physikerin Noé dir. "Deshalb kriegt man manchmal einen kleinen Schlag, wenn man Metall berührt. Die einzelnen Vögel können nicht mehr als eine solche Menge erschaffen, aber sie haben gelernt, diese Energie zu teilen und zu verstärken."
Ohne spezielle Ausrüstung könnt ihr euch dem Schwarm also nicht nähern. Nachdem ihr so viel herausgefunden habt, wie ihr aus der Ferne lernen könnt, wendet ihr euch neuen Projekten zu. Thaksin interessiert sich besonders für die Seekühe, die gemeinsam mit Fisch und Vögeln eure Ernährung ausmachen. Da er meisten beschäftigt ist, begleitest du Andre, Hun-Ya und Noé auf verschiedene Streifzüge rings um das Basislager. Ihr wollt noch tiefer in den Kontinent vordringen, doch euer Auftrag besteht auch darin, möglichst umfangreiche Karten zu erstellen, weshalb die ersten paar Wochen für die Erkundung der Küste vorgesehen sind. Und bei einer solchen Reise entdeckt ihr schließlich den Blutsturz ...
Ihr segelt mit einem der Beiboote an der steil aufragenden Eisküste entlang. Eure Hoffnung war es eigentlich, eine Bucht oder einen flachen Strand zu finden, wohin ihr euer Basislager verschieben könntet, da der Zugang über die Klippen momentan etwas anstrengend ist. Also erkundet ihr die näheren Gewässer, dick in Pelze gehüllt, die rasch von Schnee bedeckt werden, bis du die drei Zwerge nicht mehr voneinander unterscheiden kannst. Die Gesichter sind hinter Tüchern verborgen, die unterschiedlichen Farben der Mäntel sowie alle Haarsträhnen, die ihren Weg unter der Kapuze herausfinden, werden rasch eisweiß. Das Festland ist weiß, die Wolken über euch, die Schollen auf dem dunklen Wasser. Das ganze Land ist eine einzige Graustufe zwischen Schnee und Schwärze. Im ersten Moment hältst du es für eine Sinnestäuschung, als du ein kräftiges Rot aus dem Augenwinkel bemerkst. Du drehst den Kopf, doch gerade schiebt sich ein weiterer Eisberg vor die Stelle. Als ihr ihn umrundet habt, entdeckst du es jedoch erneut.
"Da vorne!", rufst du mit bebender Stimme. "Seht ihr das auch?"
Deine drei Begleiter drehen die Köpfe und ihr erstarrt.
Es ist ein Wasserfall, der sich seitlich aus der Steilwand eines großen Gletschers ergießt. Doch die Flüssigkeit, die aus einem ovalen Tunnel strömt und ins Meer fließt, ist rot wie Blut. Das Eis ist ringsum rostrot eingefärbt.
Ihr wagt kaum zu atmen, während Wellen euer Boot schaukeln. Doch du bist mit Gelehrten unterwegs, und so hält der surreale Anblick deine Begleiter nicht lange davon ab, Theorien aufzustellen.
"Das müssen Dämonen sein!", flüstert Hun-Ya ängstlich. "Vielleicht ein Schwarm Wasserdämonen oder ein Trick, um uns zu verjagen!"
"Quatsch", meint Noé. "Das ist bestimmt nur ein Mineral, das das Wasser verfärbt. Wir sollten uns das genauer ansehen!"
"Bist du verrückt? Wenn es Dämonen sind, ist das gefährlich!"
"Ich finde auch, dass wir uns das ansehen sollten", wirft Andre ein. "Es könnte echtes Blut sein - seht euch nur die Spuren ringsum an! Braune Stellen von trockenerem Blut, das frische in der Mitte. Das muss alles irgendwo herkommen. Wir sollten herausfinden, woher."
Jetzt starrt ihn Noé entgeistert an. "Du willst in den Tunnel kriechen? Und wenn es was Giftiges ist?"
Ihre Stimmen werden immer schriller vor Angst und Aufregung. Du reißt dich aus der Schockstarre. Hier solltest du besser eingreifen, ehe der Streit eskaliert. Du überlegst und entscheidest dich ...
- ... dem Blutsturz sofort den Rücken zuzuwenden und nicht mehr zurückzukommen.
[https://belletristica.com/de/chapters/254876/edit]
- ... den Blutsturz zu untersuchen und eine Probe zu nehmen, aber nicht in den Tunnel zu klettern.
[https://belletristica.com/de/chapters/254944/edit]
- ... den Tunnel zu betreten - sofern es sicher ist - und herauszufinden, wo der Fluss seinen Ursprung hat.