„Freiwillige für gefährliche Fahrt gesucht. Geringe Heuer. Bittere Kälte. Ständige Gefahr. Sichere Rückkehr zweifelhaft. Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall.“*
Das war schon ein kurioser Aushang. Er flatterte, eigentlich sehr unschuldig, zwischen tausenden anderen an einem der Masten im Hafen von Yamayini in den dhubyanischen Dschungeln. Ein Stück Pergament, wie es hier unzählige gab. Diese reichten von lokalen Stellen- oder Verkaufsangeboten zu Aufrufen zu hochdotierten Forschungsaufträgen der drei Akademien - oder sogar Institutionen außerhalb des Landes.
Und dann gab es noch diesen Zettel. Er trug nicht nur das Siegel der dhubyanischen Akademien, den schlangenverzierten Kompass, sondern auch das Steppenveilchen der yurvatischen Bashinyai-Schule und den gai-shitorischen Bernstein, das Zeichen der größten Bibliothek der Eisenwelt.
Diese drei Siegel aus unterschiedlichen Ländern sorgten dafür, dass unzählige Blicke die ansonsten schlichte Schrift neugierig streiften. Eine gefährliche Fahrt? Wohin? Bittere Kälte? Wer konnte das in diesem tropischen Dschungel versprechen? Das klang mehr nach Lamaria am Südpol.
Doch im Text stand nichts von Lamaria. Ein anderer Name weckte die Neugier der Betrachter.
Norilsk. Das Eismeer im Norden. Der letzte noch unerforschte Teil der Eisenwelt.
Norilsk. Norilsk! Nun ergab alles einen Sinn. Die Kälte, die Gefahr - und es würde eine monatelange Reise mit dem Schiff bedeuten. Norilsk lag weit entfernt von Dhubayaana, mitten im letzten blinden Flecken der Landkarten.
Norilsk ... Es hieß, dort im hohen Norden könnte sich alles verbergen. Walfänger erzählten die merkwürdigsten Geschichten: Von unbekannten Quellen herüberhallende Lieder, riesige, weiße Wale, ein Kontinent aus Eis. Manches war ganz sicher Seemannsgarn, doch vielleicht nicht alles.
Die Mitglieder dieser Expedition würden es herausfinden. Ihre Aufgabe? Die dhubyanische Flagge am nördlichsten Punkt der Welt zu hissen, und unterwegs so viele eigene Forschungen wie möglich zu betreiben. Gelehrte sollten die Flora und Fauna untersuchen, Krieger unerforschte Gebiete betreten - und notfalls ihre Gefährten vor Gefahr beschützen - und Magier dem Land alle nicht sichtbaren Geheimnisse entlocken.
Ja, dort stand etwas von Gefahr. Doch was war Gefahr, wenn Ruhm und Anerkennung lockten? Und so trafen die Bewerbungen ein. Annähernd 9.000 Briefe waren es, die die Veranstalter erhielten. 9.000 Krieger, Magier oder Gelehrte, die ihre Fähigkeiten und Dienste anboten.
Am Ende wurden es zwölf. Zwölf glückliche Auserwählte, die aus der großen Masse herausstachen. Eine kleine, kompakte Besatzung für einen hochmodernen Eisbrecher, der die riskante Fahrt wagen würde.
Für deinen Eisbrecher, um genau zu sein. Denn du bist der Kapitän.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
*Dies war angeblich die Ausschreibung, mit der Teilnehmer für die Endurance-Expedition in die Antarktis gesucht wurden. Vermutlich handelt es sich um eine Fälschung. Aber es gibt eine schöne Version der Geschichte ab.
Zwei Änderungen habe ich vorgenommen: Die Freiwilligen waren mal Männer. Für die Vielfalt der Eisenwelt ein etwas zu begrenzter Begriff. Und im ursprünglichen Text wurden uns Monate der absoluten Dunkelheit versprochen, die es hier nicht geben wird. Wie fahren in den Polartag!