27 – Heimlicher Zuschauer
Nach über einer Stunde im Schatten musste Erik zugeben, dass der Platz, den er ergattert hatte, gar nicht so mies war. Immerhin konnte er sich hier nicht schon wieder den Rücken verbrennen. Wobei da diesmal ohnehin nicht ganz so viel Gefahr bestand wie am Samstag. Denn Sophie hatte sich sofort angeboten, das Eincremen zu übernehmen.
‚Garantiert total uneigennützig‘, giftete Eriks mentaler Quälgeist sarkastisch.
Er hatte trotzdem nachgegeben. Wäre schließlich dämlich gewesen, es nicht zu tun. Und irgendwie war es gar nicht so doof, dass sich zur Abwechslung mal jemand aus dem Kurs für ihn interessierte. Leider war ihr dabei das Hämatom an Eriks Rücken von der gestrigen Prügelei aufgefallen. Ihre Frage danach hatte er eher missmutig damit abgeschmettert, dass er am späteren Abend gestürzt sei.
Was Sophie bei seiner Antwort oder der dem Eincremen an sich durch den Kopf gegangen war, wollte Erik lieber gar nicht wissen. Die Tatsache, dass er hier im Kreis anderer Mitschüler saß, ohne dass sich jemand permanent über ihn lustig machte, war schon irritierend genug.
Geradezu weltbildzerstörend.
Mit einem Schnauben schlug Erik das Buch zu, bei dem er bereits mindestens dreißig Minuten auf der gleichen Seite festhing. Wenn das jemand bemerkte, würde er ernsthaft an seinen Lesefähigkeiten zweifeln. Nun, Erik zweifelte wesentlich deutlicher an der eigenen Konzentrationsfähigkeit. Die hatte zugegeben schon immer etwas zu wünschen übrig gelassen. Heute dürfte das allerdings andere Ursachen haben. Der Grund dafür war eindeutig dieses beschissene kribbelnde Gefühl, das Eriks ganzen Körper erfasst hielt.
Nicht etwa das angenehm wohlige Kribbeln, das er mitunter im Bauch verspürte. Nein, das hier war ein fieses und gemeines, das an Eriks Wirbelsäule rauf und runter kroch und sporadisch zusätzlich ein paar Ausläufer in Richtung Schritt schickte.
Als ob er nicht schon Probleme genug hätte. Unruhig zappelte Erik hin und her. Schließlich zog er die Beine an. Damit das nicht so auffällig war, klappte er das Buch doch wieder auf und lehnte es dagegen.
Egal, wie oft er sich sagte, dass er gerade dabei war, sich hier vollkommen lächerlich zu machen, Erik konnte sich nicht beherrschen. Schließlich wusste er ganz genau, woher dieses verdammte Kribbeln kam. Besser gesagt bildete Erik sich ein, dass der Ursprung vollkommen klar sein musste, denn der Beweis dafür stand aus. Um den anzutreten, hätte Erik sich umdrehen müssen. Dann würde er wissen, ob Berger ihn tatsächlich anstarrte, oder er sich das nur einbildete.
‚Erhoffst.‘
Der beschissene Quälgeist war heute mal wieder eher ein Arschloch. Eines, das Erik nicht hören wollte. Aber umdrehen, um den Mistkerl im eigenen Kopf zu widerlegen, widerstrebte ihm genauso. Denn im Grunde gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder er bildete sich das alles nur ein. In dem Fall würde Berger nicht zu ihm sehen – weil Erik dem Blödmann am Arsch vorbeiging. Ganz genauso, wie er stets gedacht hatte. Oder er würde tatsächlich in diese so beschissenen grünen Augen blicken, von denen Erik sich peinlicherweise zu oft nicht losreißen konnte.
‚Und dann?‘
Erik schloss die Augen und atmete tief durch. Warum mussten sie auch ausgerechnet in ein ‚Spaßbad‘ fahren. Das waren definitiv zwei Dinge, die sich in Eriks Welt kategorisch in dieser Kombination ausschlossen. ‚Wasser‘ und ‚Spaß‘ gehörten einfach nicht zusammen in den gleichen Satz – vom selben Wort ganz abgesehen.
Geradezu verzweifelt ließ Erik einen Blick über die umliegenden Gäste wandern. Vielleicht wäre da zumindest irgendwo ein hübscher Anblick. Auf viel mehr brauchte er mit Berger im Nacken ja nicht zu hoffen. Bei Sandro hätte Erik bereits Hemmungen gehabt, sich vor dessen Augen eine Abfuhr abzuholen. Ganz sicher wollte Erik nicht, dass Berger diese Peinlichkeit erlebte.
‚Sollte aber egal sein‘, versuchte Erik sich, einmal mehr erfolglos, einzureden. Insbesondere dieses dämliche Hämmern in seiner Brust sprach sehr dafür, dass es ihm eben nicht egal war. Weder wie er auf Berger wirkte, noch was der von ihm hielt.
Trotzdem blieb Eriks wandernder Blick schließlich etwa vier, fünf Meter weiter links von ihm hängen. Dort ließen sich gerade drei junge Männer – vermutlich Anfang zwanzig – nieder. Lachend und schnatternd breiteten sie ihre Handtücher auf der Liegewiese aus und platzierten diverse Taschen und Rucksäcke, die sie dabei hatten, drumherum. Was genau es gewesen war, das Eriks Blick angezogen hatte, konnte er nicht sagen.
Sie waren alle drei das, was man gemeinhin ‚durchschnittlich‘ nennen würde. Weder sonderlich groß, noch klein, nicht dick oder dünn, keine Sportler, aber eben auch keine Moppel. Sie waren nicht einmal irgendwie extrem hübsch oder hässlich, nicht gestelzt oder laut brüllende Affen, so wie Sandro. Es gab absolut nichts, rein gar nichts, was sie aus der Masse der übrigen Gäste herausheben sollte. Und trotzdem wusste Erik irgendwie sofort, dass er lieber bei den dreien dort drüben sitzen wollte, als sich hier weiter von seinem Lehrer das Kribbeln die Wirbelsäule rauf und runter schicken zu lassen.
Langsam ließ Erik sich ein Stück weit die Liege hinuntergleiten und legte den Kopf zur Seite, während die drei Herren links sich ihrer Klamotten entledigten. Irgendwo in den Untiefen seines Hirns meinte Erik, eine Stimme zu hören. Eine, die versuchte ihn zu belehren, dass man trotzdem merken würde, dass er die Typen anstarrte. War ihm aber im Moment egal. Vorerst gelang es Erik recht erfolgreich, sich einzureden, dass es ihn kein Stück scheren würde, sollte einer von den dreien dort drüben es merken.
Die versteckten sich auch nicht gerade. Jedenfalls wenn man von der Art und Weise ausging, mit der einer von ihnen seine beiden Kumpel inzwischen mit Sonnencreme versorgte. Während der eine eher relativ schnell ‚abgefertigt‘ worden war, bekam der andere deutlich mehr Aufmerksamkeit.
Zumindest war es fraglich, ob man die Creme tatsächlich unter der Badehose verteilen musste. Aber vermutlich war der junge Mann, der da extrem entspannt bäuchlings auf einem Handtuch lag, wirklich ausgesprochen empfindlich, was Sonne anging. Jedenfalls ließ der Kerl, der auf ihm saß, sich sehr, sehr viel Zeit damit, die Creme zu verteilen.
Bei der Vorstellung, dass sich eine gewisse Hand genauso Eriks eigenen Oberschenkel hinauf und unter die Badehose schob, sackte ihm schließlich doch der eine oder andere Anteil des Blutvolumens in den Schritt. Glücklicherweise trug Erik noch seine normale kurze Hose, sodass das nicht derartig auffällig war. Dennoch spannte er die aufgestellten Beine an und schob das Buch im Schoß etwas besser in Position.
Aus den Untiefen von Eriks Hirns kamen prompt ein paar passende Bilder, die sich vor das schoben, was er tatsächlich weiterhin unter halb geschlossenen Lidern beobachtete.
Wie Bergers Hände sich auf Eriks Rücken angefühlt hatten, war ihm ohnehin noch viel zu deutlich in Erinnerung. Vermutlich fühlten sich die Hände von dem einen Kerl dort drüben gerade ähnlich an. Jedenfalls für den Glückspilz, über dessen Rücken sie weiterhin langsam und in kreisenden Bewegungen nach unten wanderten.
Der Mann, der die Creme verteilte, kniete dabei nicht einfach über seinem Kumpel. Stattdessen saß er eher auf dessen Oberschenkel. Erik versuchte, die Augen nur millimeterweit zu öffnen, damit das Starren nicht weiter auffiel. Aber Tatsache war, dass sich sein Blick verflucht stur auf genau einen ganz bestimmten Punkt richtete.
Nämlich den, an dem die verlockend ausgebeulten Badeshorts des einen auf die schräg angeschnittene und garantiert eine Nummer zu kleine Badehose am Po des anderen traf.
Als Eriks mentaler Quälgeist mal wieder zum Arschloch mutierte und ihm Berger als Partner zum Nachstellen der Szene anbot, konnte Erik das verfluchte Stöhnen nur dadurch unterdrücken, dass er sich heftig auf die Lippe biss. Für einen Moment war es schwer zu entscheiden, wer von den beiden dort drüben Erik in diesem Fall sein wollte.
Dabei hatte er über seine Präferenz, was das anging, nie wirklich groß nachgedacht. Speziell bei Dominik und Tom hatte sich die Frage ohnehin nicht gestellt. Keiner von den beiden hatte tatsächlich Interesse daran gezeigt, den aktiven Part zu übernehmen. Und Erik war da auch nicht böse drum gewesen. Die Fantasie vom gestrigen Morgen ließ da allerdings gewisse Fragen aufkommen. Jedenfalls wenn es darum ging, wer von den dreien dort drüben er sein würde.
‚Zweifellos die arme Sau, die ignoriert daneben liegt. Während der dämliche Lehrer sich mit irgendeinem französischen Schleimbeutel vergnügt.‘
Erik biss sich erneut auf die Unterlippe um weder das frustrierte Schnauben, das in ihm aufstieg, noch irgendwelche anderen verräterischen Geräusche von sich zu geben. Seine Hände krallten sich in das Buch im Schoß. Viel lieber würde Erik jetzt etwas ganz anderes umfassen. Oder wenigstens bequemer platzieren. Leider wäre das nicht sonderlich hilfreich, wenn es darum ging, unauffällig zu bleiben. Zumindest nicht, solange man in Betracht zog, wer da irgendwo hinter ihm saß.
Oder lag. Womöglich auch auf dem Bauch. Leider ersparte das dämliche Badeshirt die Notwendigkeit des Eincremens. Wobei Erik nicht einmal wusste, ob Berger überhaupt das verfluchte Hemd inzwischen ausgezogen hatte. Denn seit Sophie ihn hierher gezerrt hatte, weigerte sich Erik ja beharrlich, nach hinten zu sehen.
‚Ist schließlich egal, was der Kerl treibt.‘
Deutlich interessanter war ohnehin, was die Herren da drüben gerade für eine Vorstellung ablieferten. Besser gesagt, zwei von ihnen, denn der arme Kerl von Nummer drei lag ja noch immer sträflich missachtet neben den anderen beiden. Tatsächlich fühlte Erik sich bei dem Anblick für einen Sekundenbruchteil versucht, rüberzugehen und der Missachtung ein Ende zu setzen. Was Berger wohl dazu sagen würde?
‚Kann dir egal sein!‘
War es aber nun einmal nicht, denn da war definitiv eine Stimme in Erik, die weiterhin darauf hoffte, dass es Berger nicht vollkommen am Arsch vorbeigehen würde. Für Pierre schien diese Eifersuchtsmasche gut zu laufen. Jedenfalls wenn man davon ausging, dass der gestern Abend garantiert noch zum Schuss gekommen war.
Erik bezweifelte allerdings, dass das bei Berger genauso aussehen würde. Der machte nicht den Eindruck, als würde er drauf stehen, dass man ihn reizte. Falls doch, hätte er ja wohl irgendwann im Laufe des Schuljahres mal auf Eriks Versuche dahingehend reagieren müssen.
Der Besitzer der Hand, die bisher den Rücken von Glückspilz Nummer eins eingecremt hatte, hatte derweil erneut vom Oberschenkel aus einen Weg in dessen Badehose gefunden. Dort knetete sie inzwischen unter Eriks wachsamen Augen über den verführerisch wackelnden Po.
Der war zwar nicht ganz so fest und knackig, wie Bergers, konnte sich aber zweifellos sehen lassen. Vor allem schien er ausgesprochen interessiert an der ihm gegönnten Aufmerksamkeit zu sein.
Die Art und Weise, wie der zugehörige Kerl auf dem Handtuch herumzappelte, ließ zumindest Erik vermuten, dass die Badehose im Augenblick nicht nur an dem netten Hintern verflucht knapp saß.
Trotz der optischen Unterschiede fiel es Eriks mentalen Quälgeist überhaupt nicht schwer, das Bild dieses Hinterteils gegen eines, das er erst am Morgen hatte bewundern dürfen, auszutauschen. Leider wäre bei Berger die Badehose deutlich länger an den Oberschenkeln.
Da würde man vermutlich nicht so einfach reingreifen können. Aber Erik hätte ja ohnehin eher Interesse daran, die Hose gleich herunter zu ziehen. So würde sich der Po garantiert viel besser eincremen lassen. Schneller vor allem.
‚Das Vorspiel zieht sich seit Monaten, mehr braucht es nicht.‘
Entsprechend wäre es viel besser, den Bund der Badehose direkt an der Hüfte herunterzuziehen. Vorbei an der klaren und festen Rundung. Am liebsten deutlich weiter. Die Oberschenkel hinab, am Knie entlang, die Waden und schließlich über die Füße. Oh ja, das wäre definitiv ein wünschenswerter Anblick.
„Hey Erik! Willst du mit zum Rutschen kommen?“
„Was?“, keuchte Erik überrascht und musste sich zwingen, die Augen von dem Anblick ein paar Meter weiter links zu lösen. „Wie?“
„Hast du geschlafen?“, fragte Sophie lachend und deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Ich habe gefragt, ob du mit ins Wasser kommst?“
„Nein. Danke“, presste Erik heraus und versuchte, dabei nicht allzu unhöflich zu klingen. Aus lauter Verzweiflung schob er noch ein kurzes Grinsen hinzu. „Ich ... bin kein Rutschenfan.“
Sophie lachte unsicher und trat von einem Fuß auf den anderen. Es war unübersehbar, dass sie nach einem Grund suchte, damit er sie begleitete. Genauso klar war für Erik jedoch, dass er sich weder von der Liege noch von dem Buch oder gar seinen kurzen Hosen in absehbarer Zukunft trennen würde, um ins Wasser zu gehen. Wobei der allmählich reichlich unangenehm nach Aufmerksamkeit schreiende Ständer Sophie ja vielleicht davon überzeugte, dass er ein Arschloch war, sodass sie ihn für den Rest der Fahrt in Ruhe ließ.
Glücklicherweise verzog sie sich mit einem gemurmelten „Schade“ zurück zu einigen der anderen und ließ Erik in Ruhe.
Erleichtert legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Zwei, drei tiefe Atemzüge, und er fühlte sich allmählich ruhiger. Erst als er die Augen wieder öffnete, wurde Erik bewusst, dass er dafür, genau wie Berger es ihm gezeigt hatte, durch die Nase ein und langsam durch den Mund ausgeatmet hatte. Bei dem Gedanken glaubte Erik erneut, dieses Kribbeln zu spüren, wie es seine Wirbelsäule entlangwanderte.
Er sollte sich verziehen. Egal wohin. Vermutlich wäre es von Anfang an besser gewesen, wenn Erik sich nicht von Sophie hätte bequatschen lassen, bei dieser verdammten Gruppe zu bleiben. Aber da war eben dann doch dieses dumme Flattern in Eriks Bauch gewesen, das eine geradezu perfide Freude, ob der eingebildeten Blicke seines Lehrers empfand. Allmählich wurde das verfluchte Pulsieren in Eriks Schwanz aber wesentlich penetranter als das dämliche Flattern.
Zu verschwinden, um dieses nicht ganz so kleine Problem zu beseitigen, klang nach einer entsprechend guten Idee. So könnten weder Berger Blicke noch der Softporno mit den drei Franzosen dort drüben Erik weiterhin quälen. Trotzdem wanderte sein Blick zu genau den drei Herrschaften hinüber.
Man hätte meinen können, dass der Kerl mit der Sonnencreme endlich die Massage beendet hatte. Da hatte jemand wohl eine extrem sonnenempfindliche Haut – oder die Creme musste wirklich sehr gut verteilt werden. Zumindest saß der Mann inzwischen nicht mehr auf den Beinen des anderen. Dafür lag er daneben und schien die Sonnencreme nicht nur mit der Hand, sondern auch noch mit der Zunge verteilen zu wollen. Das selige Grinsen auf dem Gesicht von Glückspilz Nummer eins sprach nicht gerade dafür, dass er da in irgendeiner Art und Weise sexuell belästigt wurde.
Unsicher lugte Erik zu den umliegenden Gästen, aber niemand schien sich daran zu stören. Nun, vermutlich hatten alle anderen den Anstand, schlichtweg nicht hinzusehen. Etwas, woran es Erik ganz offensichtlich mangelte. Denn kaum hatte er bestätigt, dass sich keiner der anderen Gäste belästigt fühlte, wanderten seine Augen ein weiteres Mal zu den drei jungen Männern zurück.
Diesmal landete er jedoch nicht auf dem zunehmend heftiger rummachenden Pärchen, sondern vielmehr auf Nummer drei der Truppe. Derjenige, der bisher eher teilnahmslos daneben gelegen hatte. In Anbetracht von Pierres gestriger Einladung erwartete Erik fast, dass sich der jetzt auch allmählich beteiligen würde. Tat er aber nicht. Denn der Kerl starrte stattdessen direkt zu Erik zurück.
Erschrocken zuckte dieser zusammen und versuchte wegzusehen. Schaffte es allerdings nicht. Was dem Franzosen da drüben wiederum ein süffisantes und ausgesprochen wissendes Grinsen entlockte. Irgendetwas murmelte der Typ in Richtung seiner Freunde, woraufhin das Nicht-Opfer der sexuellen Belästigung den Kopf hob und nun ebenfalls zu Erik sah.
‚Scheiße! Erwischt!‘
Anständig wäre es gewesen, wenigstens jetzt wegzusehen. Aber Erik konnte seine Augen nicht von den Männern lösen. Inzwischen sahen alle drei zu ihm hinüber. Wobei Nummer zwei nicht aufhörte, weiter an seinem Kumpel herumzufummeln. Im Gegenteil. Er schien sogar näher an diesen heranzurücken. Abgesehen davon, dass die Badehosen noch an waren, fehlte nicht mehr viel und die beiden würden es hier ganz öffentlich und absolut ungeniert treiben.
‚Und du willst so verdammt gern zusehen.‘
Erik schluckte. Dabei war er, abgesehen von den üblichen Pornos, die sich ja wohl jeder halbwegs normale Jugendliche reinzog, nie wirklich auf Voyeurismus aus gewesen. Aber hey! Wenn die beiden hier eine Show abliefern würde, würde Erik zu einem Sitzplatz in erster Reihe nicht ‚Nein‘ sagen.
Dass er sich selbst in dieser Woche irgendwann mal zusammenreißen und etwas aus sich herauskommen würde, schien ja nicht sonderlich wahrscheinlich nach den Erfahrungen der letzten beiden Tage. Secondhand Sex war immer noch besser als gar keiner. Und die Toiletten waren hoffentlich nicht allzu weit weg, um den Rest zu erledigen.
Die drei jungen Männer starrten weiterhin zu Erik hinüber. Nummer eins und zwei waren aber inzwischen kollektiv dazu übergegangen, dem Dritten gegen die Schulter zu schubsen. Der schien davon allerdings wenig begeistert, drehte immer wieder den Kopf zu seinen Freunden zurück und zischte denen etwas zu. Abgesehen davon, dass die drei zu weit weg waren, um es zu verstehen, hätte Erik ja eh keine Ahnung, was sie sagten. Die sprachen vermutlich genauso gut Deutsch, wie er Französisch.
Aus weiter Ferne glaubte Erik plötzlich, seinen Namen zu hören. Erst als er erneut ertönte, schaffte er es jedoch, sich abzuwenden und in Richtung Wasser zu schauen. Dort winkte ihm Sophie lachend zu. Hoffentlich hatte die nicht vor, schon wieder hier aufzutauchen.
‚Verzieht dich!‘, sagte Erik sich und schaffte es, sich einigermaßen geordnet aufzurichten.
Sophie warf er vorsorglich ein Kopfschütteln entgegen. Gleichzeitig überlegte Erik, wie er von hier wegkam, ohne dass es allzu auffällig wäre, warum das notwendig geworden war. Dass sich seine Hose merklich ausbeulte, konnte man garantiert nicht übersehen. Deshalb schnappte Erik sich den Rucksack und stopfte das Buch hinein. Der würde zumindest etwas Deckung bieten.
Also rappelte Erik sich mühsam auf und versuchte sich dabei möglichst ‚normal‘ zu verhalten. In seinem Hinterkopf konnte er bereits die Stimme des mentalen Quälgeistes hören, der sich weiterhin als Arschloch aufspielen musste. Diesmal damit, dass er Erik einflüsterte, dass der sich schon an guten Tagen nicht wie ein ‚normaler‘ Junge seines Alters benahm.
Damit konnte er allerdings sehr gut leben. Schließlich wollte Erik lieber ein Erwachsener sein als weiterhin ein dummer Junge sein. Leider musste er zugeben, dass das ein reichlich lächerlicher Gedanke war, wenn man wie er gerade versuchte, mit einem Ständer in Richtung Umkleide zu verschwinden. Ohne dass der eigne Deutschlehrer oder irgendjemand sonst, der einen kannte, es bemerkte.
„Sie sollten sich nicht alle zu weit von der Gruppe entfernen“, hörte Erik auch prompt Bergers Stimme hinter sich.
Wütend drehte er den Kopf und sah seinen Lehrer erbost an. „Ich will aufs Klo. Wollen Sie mitkommen und zur Hand gehen oder darf ich da alleine hin?“
Kaum waren die Worte raus, konnte Erik spüren, wie das Herz in seiner Brust förmlich explodierte, bevor es begann mit Hammerschlägen seine Rippen zu malträtieren. Da unterhalb der Gürtellinie bereits alles reichlich versorgt war, schoss ihm das Blut daraufhin garantiert in den Kopf. Zumindest hatte Erik keine zwei Sekunden später das Gefühl, als würde sein Gesicht in Flammen stehen.
Hatte er Berger eben wirklich gefragt, ob der mit ihm auf der Toilette verschwinden würde? In Anbetracht der Umstände, aufgrund derer Erik gerade dorthin unterwegs war, bekam der zweite Teil zusätzlich eine ganz andere Färbung. Die sein total verrücktes Hirn natürlich prompt mit ein paar passenden Bildern untermalte.
‚Fuck!‘
Erik musste hier weg und irgendwie diesen Druck loswerden. Wenn sich der blöde Lehrer nicht innerhalb der nächsten drei Sekunden als helfende Hand zur Verfügung stellen wollte, sollte er besser die Klappe halten. Dessen Mundwinkel zuckten bereits verräterisch.
Scheiß auf die Hand! Berger hatte so einige Körperteile, die Erik ausgesprochen willkommen wären, um seinem aktuellen Problem zu entkommen. Trotzdem drehte Erik sich lieber hastig um, ohne auf eine weitere Antwort zu warten. Wie die ausfallen würde, war ja ohnehin abzusehen. Also machte er zur Abwechslung das Vernünftige und ließ Berger einfach stehen, bevor der doch noch etwas sagte.