29 – Überraschende Herausforderung
Nachdem er sich endlich von dem nicht vorhandenen Anblick lösen konnte, stapfte Erik weiter in Richtung der Liegen, auf denen sie es sich bequem gemacht hatten. Während er näher kam, konnte Erik bereits sehen, das Berger hier ebenfalls nicht war. Das ungute Gefühl in seinem Magen begann, sich wieder einmal zu einem Stein zu verdichten.
‚Du hast das beschissenste Timing überhaupt‘, verhöhnte Erik bereits der eigene Verstand. Oder das Arschloch. Wer auch immer. Dummerweise hatte ‚es‘ damit schon wieder recht. Allmählich fing das an zu nerven!
Mit dieser bescheuerten Selbsterkenntnis über seine Absichten bezüglich Berger hatte Erik sich schließlich nicht nur um ein paar unbeschwerte Minuten mit Mathis gebracht. Nein, er war auch noch direkt zur mentalen Selbstfolter übergegangen, nachdem der dumme Lehrer natürlich keineswegs vor der Tür auf ihn gewartet hatte.
Da half auch nicht die Hoffnung, dass es Berger womöglich nicht gefallen hatte, dass Mathis Erik gefolgt war. Denn selbst wenn der Blödmann tatsächlich so etwas wie Interesse an ihm haben würde, hätte Erik das durch das Beinaheintermezzo mit dem Franzosen jetzt ja garantiert versaut.
‚Dabei ist ja nicht mal was passiert, Du Volltrottel!‘
Erik schnaubte und fuhr sich durch die Haare. Ein weiteres Mal sah er sich um, aber von Berger keine Spur. Da waren nur zwei von Eriks Mitschülerinnen, die sich flüsternd unterhielten. Wenigstens sahen die nicht zu ihm, sonst wäre sein manchmal etwas paranoider Quälgeist vermutlich direkt angesprungen. Dennoch wurde der dämliche Stein in Eriks Bauch zunehmend kompakter.
Bisher hatte Berger ständig mit seinen bescheuerten Regeln um sich geworfen. Von wegen ‚bleiben Sie bei der Gruppe‘ oder ‚nicht mehr als zehn Meter von der nächsten Aufsichtsperson entfernt‘. Wo bitte war der Blödmann denn, wenn Erik sich nicht von ihm entfernen sollte?
‚Von irgendeiner Aufsichtsperson , niemand hat gesagt, dass das Berger sein muss.‘
Erik presste die Lippen aufeinander und schleuderte den Rucksack missmutig neben die Liege, auf der er zuvor schon gelegen hatte. Als er sich darauf setzte, sah Erik sich ein weiteres Mal in der näheren Umgebung um, aber Berger war nirgendwo. Dafür waren die drei Herren zu seiner Linken weiterhin nicht zu übersehen. Mathis zwinkerte ihm zu und die anderen beiden grinsten so breit, dass sie davon garantiert Muskelkater bekamen.
Scham kroch Erik schon wieder den Nacken hinauf. Vermutlich hatte Mathis seinen Kumpels brühwarm davon berichtet, dass er zu blöd gewesen war, den Quickie in der Umkleide durchzuziehen.
‚Zu feige‘, korrigierte der Quälgeist sofort.
In der Hoffnung, nicht ganz so bescheuert und kindisch rüberzukommen, wie er sich fühlte, lächelte Erik kurz zurück, sah anschließend aber lieber in Richtung des Wassers. Er konnte einige seiner Mitschüler entdecken. Vielleicht war Berger dort drüben. Der verfluchte Quälgeist hielt zur Abwechslung endlich die Klappe und jammerte nicht darüber, dass es Erik egal sein sollte, wo Berger war. Scheinbar hatte selbst der inzwischen kapiert, dass es eben nicht so scheißegal war, wie er in den letzten Monaten versucht hatte, sich einzureden.
‚Wahrscheinlich raucht Berger wieder irgendwo heimlich‘, sagte Erik sich schließlich.
Das klang nach einer vernünftigen Erklärung, die rein gar nichts mit ihm zu tun hätte. Oder mit Mathis. Wobei der Gedanke, dass Berger eine Kippe brauchte, weil er es eben nicht sonderlich toll fand, wenn Erik sich mit jemand anderem vergnügte, durchaus etwas für sich hatte. Allerdings würde das heißen, dass Erik gerade dabei war, sich die womöglich einzige, geradezu winzige Chance bei dem Mann zu verbauen. Wegen nichts, denn schließlich war in der verfluchten Umkleide genau das passiert: nichts.
„Scheiße ...“
Der stetig schwerer werdende Stein riss das verdammte Loch in Eriks Bauch schon wieder auf. Es zerrte an seinen Eingeweiden, um sie zu verschlingen. Dennoch versuchte er, sich einzureden, dass Berger auch mal jung gewesen war und an seiner Stelle zu Mathis wie jeder halbwegs normale Teenager vermutlich nicht ‚Nein‘ gesagt hätte. Oder?
Immerhin hatte der Blödmann am Vorabend ja auch mit diesem Haargelunfall auf der Promenade gestanden. Unwillkürlich zuckte Eriks Blick ein weiteres Mal zu den drei Franzosen nach links. Die waren inzwischen wieder miteinander beschäftigt und achteten nicht mehr auf ihn. Mathis‘ Freunde schienen allerdings mit ebenjenem Erbarmen zu haben, nachdem Erik ihn so sträflich hatte hängen lassen.
‚Wenigstens einer, der heute auf seine Kosten kommt.‘
Als Berger fünf Minuten später weiterhin nicht zurück war, ging Erik doch die Geduld aus. Auch wenn es sinnlos, kindisch und vermutlich reichlich albern war. Erik wollte das, was da nicht in der Umkleide passiert war, klären. Aufklären. Erklären. Irgendetwas. Obwohl er nicht sicher war, ob das überhaupt etwas ändern würde. Denn schließlich hatte Berger bisher nicht gerade den Eindruck erweckt, als ob er an Erik tatsächlich Interesse haben könnte. Dass ausgerechnet dieses Nicht-Intermezzo mit Mathis daran etwas ändern sollte, war sehr fraglich.
‚Trotzdem möglich.‘
Entschlossen sprang Erik auf und zog sich die kurze Hose aus. Wenn er mit der hier herumlief, würde das erst recht auffallen. Nur in Badehose stapfte er in Richtung der Becken. So würde es wenigstens nicht ganz so sehr danach aussehen, als ob Erik ausgerechnet einen Lehrer suchte.
‚Als ob dir jemand abkauft, dass du nur einmal nachsiehst, was der Rest der Truppe so treibt.‘ Erik verkniff sich ein Stöhnen und versuchte, den nervigen Quälgeist zu ignorieren.
Kaum dass er sich dem Wasser näherte, kam Sophie auf Erik zu. Die Frau wollte einfach nicht aufgeben. Der leichte Rotschimmer auf ihren Wangen kam hoffentlich von einem angehenden Sonnenbrand und nicht von dem Blick, den sie an Erik rauf und runter gleiten ließ.
Die hungrigen Augen im Rush-Inn kannte er inzwischen ja zu Genüge. War sie gewohnt – konnte sie mitunter sogar zu schätzen wissen. Aber wenn man nur noch Badehose trug, bekam die Formulierung, dass manche Blicke jemanden auszogen, eine im Augenblick weniger angenehme Bedeutung.
‚Der einzige Kerl eurer Reisegruppe, von dem du ausgezogen werden willst, glänzt gerade durch Abwesenheit.‘
Erik schluckte und versuchte, den Gedanken in die Untiefen seines Hirns zurückzudrängen, bevor man ihn sehen konnte. Zumal sich just in diesem Moment Sophie vor Erik aufbaute und mangels Shirt stattdessen nervös an ihrem Höschen zog.
„Kommst du jetzt doch mit ins Wasser?“, fragte sie etwas zu hoffnungsvoll für Eriks Geschmack.
Vor allem gefiel ihm allerdings die Frage nicht, denn auch wenn das Wasser am Auslauf der meisten Rutschen nicht sonderlich tief aussah, wollte Erik unter keinen Umständen eine weitere Panikattacke riskieren.
„Ich ... dachte, ich sehe mich erst einmal ein bisschen um“, murmelte Erik deshalb und zwang sich ein Lächeln ab.
„Oh. Okay. Ich komm mit.“
Na super, das fehlte ihm noch. Dennoch hielt Erik die Klappe. In Sophies Begleitung würde es zumindest nicht ganz so sehr auffallen, dass er in der Tat eben doch nach diesem blöden Herrn Berger suchte.
Erik biss sich auf die Lippe und folgte Sophie den Weg entlang. Sie erzählte ihm irgendwas zu den Rutschen und verschiedenen Becken. Wie üblich hörte Erik nur mit halbem Ohr zu, weil es ihn im Grunde überhaupt nicht interessierte.
„Da drüben ist ein Warmwasserbecken. Ist fast wie ein großer Whirlpool. Lauter Massagedüsen. Man kann am Rand sitzen. Magst du mit reinkommen, Erik?“
Beinahe umgehend beschleunigte sich sein Herzschlag. Sah man davon ab, wer Erik begleiten wollte, klang das gar nicht so übel. Als ihm der Quälgeist zusätzlich ein paar passende Bilder von den drei Franzosen vorgaukelte, wie sie sich zusammen mit seinem Lehrer da drinnen vergnügten, stand die Entscheidung sehr schnell fest.
„Jetzt grad nicht“, presste Erik heraus.
Das dezente Kribbeln im Schritt konnte er einigermaßen unterdrücken. Hoffentlich würde sich das auch weiterhin zurückhalten. Auf keinen Fall würde Erik sich hier neben Sophie irgendeine Blöße geben. In der verdammten Badehose konnte man schließlich rein gar nichts verstecken. Also stapfte Erik weiter.
„Wen haben wir denn da? Traust du dich jetzt auch endlich mal ins Wasser, Hoffmann?“
Erik schnaubte genervt, versuchte aber, sich nicht provozieren zu lassen. Das hatte ihn schließlich nicht nur in den letzten Tagen, sondern auch in den Wochen und Monaten davor ständig in Schwierigkeiten gebracht. So nah am Wasser wäre es verflucht unvernünftig, irgendein Risiko einzugehen. Bevor Erik sich tatsächlich verziehen konnte, wurde er jedoch schon von hinten angerempelt und stolperte ein paar Schritte nach vorn.
„Was soll das, Sandro!“, zischte statt Erik jedoch Sophie diesen wütend an. „Kannst du diesen blöden Mist nicht endlich stecken lassen? Werd‘ erwachsen, Mann.“
Nicht nur Sandro, sondern auch Erik selbst sah überrascht zu ihr zurück. Das hielt allerdings nicht lange an, denn nur wenige Sekunden später brach Sandro in schallendes Gelächter aus.
„Hoffmann ist offenbar endgültig zum Mädchen mutiert und lässt sich jetzt von seinesgleichen verteidigen.“
Sofort war Eriks Puls auf hundertachtzig. Das Brennen im Bauch breitete sich explosionsartig aus. Sein erster Impuls war es, zu dem Affenkönig zu stürmen und dem die Fresse zu polieren. Erik hatte bereits einen Schritt gemacht, da stoppte er. Wenn er Sandro jetzt eine verpasste, würde Erik gar nichts gewinnen. Abgesehen davon, dass er wie der Unruhestifter aussehen würde, während der Affenkönig sich als Opfer aufspielen konnte.
„Was ist?“, provozierte Sandro weiter. „Hat’s dir die Sprache verschlagen?“
„Du bist es nicht wert“, gab Erik kühl zurück und grinste kurz darauf hinterhältig. „Aber vermutlich lässt dich Ines echt nur aus Mitleid ran. Wir wissen doch alle, dass es an der Größe nicht liegen kann.“
Man konnte sehen, wie Sandro das Blut in den Kopf schoss. Nicht mehr viel und es würde vermutlich ebenso Dampf aus den Ohren kriechen. Der Anblick war besser als die blutige Nase, die Erik dem Affen vor ein paar Monaten verpasst hatte.
Mit jeder verstreichenden Sekunde, in der Sandro nach einer passenden Erwiderung suchte, wurde Eriks Grinsen breiter. Das hier war in der Tat mindestens so befriedigend, wie dem Idioten eine reinzuhauen. Nein, sogar deutlich besser.
Vermutlich war das der Grund, warum Eriks verfluchter Quälgeist noch eins draufsetzen musste, bevor er sich selbst stoppen konnte: „Wenn’s womöglich zusätzlich an der Technik hapert, kann einem die arme Ines nur noch leidtun.“
Damit war Erik offensichtlich zu weit gegangen. Denn jetzt war es er es, der mit schmerzender Wange ein Stück nach hinten taumelte. Ein Teil von Erik wartete auf die Wut, die wie immer in ihm hochkochen würde, um sie für den Gegenschlag zu nutzen. Doch sie kam nicht. Verwundert über sich selbst sah Erik zu Sandro. Der blickte jedoch lediglich wutschnaubend zurück, ohne etwas zu sagen. Um sie herum war hingegen Gemurmel zu hören.
Berger hatte gesagt, dass er sicher war, dass Erik nicht dieser wutzerfressene Teenager sein musste, dass er mehr sein konnte. Ein Mann. Einer, der zu einer anständigen Beziehung fähig wäre. Wenn Erik sich jetzt hier auf eine Prügelei mit Sandro einließ, würde er sich nicht anders verhalten als der dumme Junge auf dem Schulhof vor ein paar Monaten.
„Ich lass mich von dir nicht mehr provozieren“, gab Erik ruhiger zurück, als er sich fühlte. Das Hämmern in der Brust konnte man ihm hoffentlich nicht ansehen.
„Ach ja?“, zischte der Affenkönig mit einem hinterhältigen Grinsen.
Sandro blickte über die Schulter und nickte seinen Lakaien Luca und Oliver zu, die sich bisher dezent zurückgehalten hatten. Und das auch weiterhin taten. Unsicher sahen die beiden zunächst einander und anschließend Sandro an.
„Lassen wir Hofmann doch einfach in Ruhe“, meinte Oliver schließlich. „Wir sind hier, um Spaß zu haben. Oder nicht? Ich hab keine Lust auf Ärger. Wir sind Schließlich keine Zwölf mehr.“
Das machte Sandro aber nur noch wütender. Da seine Kumpel ihm nicht helfen wollten, drehte er sich wieder zu Erik herum. Der rührte sich nicht von der Stelle, war aber diesmal bereit, um den nächsten Kinnhaken abzufangen.
Der kam allerdings nicht. Stattdessen schubste Sandro Erik gegen die Brust. Erneut stolperte er daraufhin nach hinten. Diesmal, weil er damit nicht gerechnet hatte. Verunsichert sah Erik aus dem Augenwinkel dabei zu dem Becken, dem er sich immer mehr näherte.
„Was ist los, Hoffman?“, tönte Sandro, dem der Blick natürlich nicht entgangen war. „Sag bloß, du hast tatsächlich Angst vor Wasser? Kann das Baby etwa nicht schwimmen?“
„Wir hatten als Kinder zusammen Schwimmunterricht, du Trottel“, zischte Erik gereizt zurück. Zwar wollte er sich nicht provozieren lassen, aber noch weniger hatte er ein Interesse daran, dass Sandro von seinem Problem mit tiefem Wasser etwas spitzbekam.
„Deshalb kannst du inzwischen ja trotzdem untergehen wie eine Bleiente.“
Bevor Erik antworten konnte, tat nun wieder Sophie heran. „Es reicht!“, zischte sie ihnen zu. „Jetzt hört endlich auf, Jungs. Die Leute schauen schon komisch.“
Sandro lachte hämisch und baute sich erneut vor Erik auf. Was allerdings mächtig an Wirkung verlor, weil der Affenkönig eben doch ein paar Zentimeter kleiner als Erik selbst war. Und – zumindest was den Oberkörper anging – auch nicht ganz so kräftig gebaut.
„Bist du ein Mann, Erik, oder nur ein feige kleiner Junge?“
Er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht die nächstbeste dämliche Bemerkung sofort zurück zu giften. Es wurde zunehmend schwierig, vernünftig zu bleiben. Letztendlich war aber genau das die Frage, um die es ging, sagte Erik sich, während er einmal tief durchatmete. Wer wollte er sein? Und in wessen Augen?
‚Das Kind, das keine Antworten wert ist oder der Partner auf Augenhöhe?‘
„Ich wette, du traust dich nicht, vom Fünfer dort hinten zu springen“, zischte Sandro.
Sofort schlug Erik das Herz bis zum Hals, aber er ließ sich nichts anmerken – hoffte er jedenfalls. Jetzt hatte er einen Grund mehr, sich von dem Affenkönig nicht provozieren zu lassen. Denn ganz sicher würde Erik auf keinen verfluchten Sprungturm klettern. Und erst recht nicht, um von dem anschließend ins Wasser zu springen.
„Was ist los? Traust du dich echt nicht, du Memme?“, verhöhnte Sandro ihn jedoch weiter. „Ich wette, du Baby hüpfst nicht einmal vom Ein-Meter-Brett.“
„Ich hab’s nicht nötig, dir irgendwas zu beweisen“, gab Erik mit grollender Stimme zurück. Die zitterte hoffentlich nicht allzu sehr unter dem Hämmern in seiner Brust.
„Weil du Schiss hast!“ Sandros Grinsen wurde breiter.
‚Blamage oder Panikattacke‘, bot der mentale Quälgeist als mögliche Alternativen an. Keine von beiden gefiel Erik sonderlich gut.
„Trauen Sie sich denn, Herr Claasen?“, mischte sich mit einem Mal eine kühle Stimme direkt hinter Erik ein und ließ diesen dabei zusammenzucken.
Als sich eine warme Hand für einen Sekundenbruchteil auf Eriks Rücken legte, wäre der beinahe kreischend beiseite gesprungen. Glücklicherweise konnte er diese Schmach gerade noch verhindern. Sonderlich elegant sah es aber trotzdem garantiert nicht aus, als Erik zwei Schritte zur Seite stolperte, um der Berührung zu entkommen.
Nachdem er sich umgedreht hatte, stand da Berger. Die Hände inzwischen lässig in den Hosentaschen, sah er nicht zu Erik, sondern zu Sandro. Eiskalte Augen, die sich förmlich in den Affenkönig bohrten.
Der wirkte genauso verwundert wie Erik und sah zunächst verwirrt seinen beiden Kumpeln nach hinten, bevor er zu ihrem Lehrer zurückblickte. Wie Berger sich hatte anschleichen können, ohne dass es einer von ihnen bemerkt hatte, war Erik ein absolutes Rätsel. Aber immerhin hatte er damit wohl gefunden, wen er ursprünglich gesucht hatte.
„Nun? Fünf Meter klingt nach einer vernünftigen Höhe“, fuhr Berger emotionslos fort. Nur um kurz darauf ein süffisantes Grinsen aufzusetzen, als er fortfuhr: „Oder sind Sie es, der sich hier nicht traut?“
„Ich ...“, stammelte Sandro – offensichtlich weiterhin zu überrascht vom plötzlichen Auftauchen ihres Lehrers. „Natürlich hab ich keine Angst!“, presste Sandro kurz darauf hervor.
Es klang jedoch nicht sonderlich überzeugend. Wofür auch Bergers weiterhin geradezu hämisches Grinsen sprach. „Ach wirklich? Nun ... In dem Fall möchte ich sehen.“
„Was?“, keuchte Sandro.
Auch Erik starrte ihren Lehrer ungläubig an. War Berger hier gerade dabei, den Affenkönig herauszufordern? Das Herz in seiner Brust schlug schon wieder einen heftigeren Rhythmus an, als die Stimme in Eriks Kopf behauptete, dass Berger das nur machte, um ihm selbst die Blamage oder eine mögliche Panikattacke zu ersparen.
„Pah!“, rief Sandro jedoch mit einem unsicheren Lachen. „Ich hab garantiert keine Angst.“
Bergers Grinsen wurde breiter, als er fortfuhr: „Dann bin ich gespannt, ob Sie ihren großen Worten ebenso Taten folgen lassen.“
Sandro zuckte sichtlich zusammen und auch Erik wurde allmählich unwohl bei der Sache. Berger schien aber fest entschlossen. Langsam öffnete er die Knöpfe an den Ärmeln des Hemdes und machte dann mit den übrigen vor der Brust weiter.
„Ich hätte ja auch mit den höheren Türmen kein Problem. Aber ich nehme an, Sie standen noch nie auf einem Zehn-Meter-Turm?“
Der ängstliche Blick, der daraufhin zur höchsten Anlage am Rand des Sprungbeckens wanderte, war nicht zu übersehen. Sandros Augen zuckten unsicher zwischen dem Turm und ihrem Lehrer hin und her.
„Also nein“, fuhr der unbeirrt fort. „Dann ist es sicherlich vernünftig, wenn wir bei fünf Metern bleiben. Schließlich kann ich das Risiko nicht verantworten, dass Sie sich ernsthaft verletzen.“
„Ver...letzen?“, stammelte Sandro unsicher.
„Für einen Sprung vom Zehner reicht ein großes Ego nicht aus, Herr Claasen“, belehrte Berger ihn. Mit einem weiteren süffisanten Grinsen sah der Blödmann plötzlich zu Erik. „Dafür braucht es in der Tat auch ... Technik.“
Der kurze Seitenblick Bergers schien Sandro jedoch zunächst daran zu erinnern, wen er hier eigentlich hatte provozieren wollen. Schon fing er an zu grinsen. Da zog sich ihr Lehrer plötzlich das Hemd von den Schultern und drückte es Erik gegen die Brust. Als ebendieser nach unten blickte und es ergriff, fiel ihm ein weiteres Mal das Armband an Bergers linkem Handgelenk auf.
„Also? Der Fünfer? Oder wollen Sie doch lieber auf den Dreier umschwenken?“, fragte Berger mit einem eigenen Grinsen, während er sich genau zwischen Erik und Sandro platzierte.
„Was?“
„Also der Dreier sollte es wirklich mindestens sein, Herr Claasen. Mit einem Sprung vom Einer-Brett kann ich Sie nach der Ansage echt nicht davonkommen lassen.“
Sandro schnaubte verächtlich. Davon ließ sich wiederum Berger nicht stören und knöpfte nun ebenfalls die Hose auf. Erik war sich nicht sicher, ob er beleidigt oder beeindruckt sein sollte, von der Selbstsicherheit, mit der ihr Lehrer Sandro hier abservierte. Als Berger sich nach vorn beugte, um die Hose auszuziehen, war Erik allerdings in erster Linie schon wieder geil. Diese beschissene Badehose saß so eng um Bergers Hinterteil, dass er auf die kurze Entfernung das Gefühl hatte, als würde man jede verdammte Muskelfaser darunter sehen können.
Von irgendwo glaubte Erik ein leises Stöhnen zu hören. Sofort hoffte er inständig, dass es nicht von ihm gekommen war. So ganz sicher konnte er da allerdings nicht sein. Als Berger sich umdrehte und Erik ebenfalls die Hose in die Hand drückte, konnte er sie nur noch in dem verzweifelten Versuch, dass die herunterhängenden Klamotten das eine oder andere verdecken würden, gegen den Bauch pressen.
Dabei blickte er aus dem Augenwinkel zu seinen Mitschülern. Luca und Oliver sahen sich zweifelnd an und flüsterten irgendwas, was Erik nicht verstehen konnte. Sandro wirkte zunehmend eingeschüchtert. Und Sophies glasiger Blick hieß wohl, dass sie genau wie Erik die ungewohnten Einblicke bezüglich ihres Lehrers zu schätzen wusste.