89 – Enttäuschte Erwartungen
Der nächste Morgen kam zu früh. Wobei Robs Hirn diese inhaltlich vollkommen fehlerhafte Aussage prompt korrigierte. Schließlich ‚kam‘ hier gerade niemand. Und die Definition ‚Morgen‘ hing ebenso weder an der Uhrzeit noch der Helligkeit. Wobei es in Bezug auf Ersteres zumindest stimmte, dass es zu früh dafür war, dass Rob an einem Sonntagmorgen aufwachte.
Zumal es zusätzlich der Beginn der Sommerferien war. Zwar hieß das für Rob leider nicht automatisch sechs Wochen Urlaub, aber immerhin würden ihm irgendwelche nervigen, homophoben Abiturienten erspart bleiben. Die Art, bei denen man sich ernsthaft fragte, wie sie in den nächsten paar Jahren ihr Leben so weit auf die Reihe bekommen wollten, um in dieser Gesellschaft zu überleben. Andererseits schafften das die ledigen, notgeilen Kolleginnen, die er ja genauso wenig vermissen würde, auch irgendwie.
Rob seufzte und zog die Knie zum Bauch heran. Wie er bereits festgestellt hatte, fühlte er sich noch zu müde. Somit war es zu früh und er würde sich heute ganz sicher nicht vor zwölf aus diesem Bett bewegen.
Ein leichtes Ziehen in der Lendenwirbelgegend ließ ihn leise stöhnen. Robs Hirn war im Gegensatz zum Rest des Körpers weiterhin nicht wirklich willig aufzuwachen, also ignorierte er das Ziehen. Die dummen Sitze im Bus waren zu unbequem gewesen. Ganz sicher kamen die Rückenschmerzen davon.
Wobei Rob sich ja gleich zu Beginn der Reise so ein ausgesprochen passend großes Kissen als Sitznachbar besorgt hatte. Und der hatte nicht einmal gezuckt, nachdem Rob sich an ihn gelehnt hatte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen bei der Erinnerung daran, wie viel Spaß es gemacht hatte, Erik zu reizen.
Schlagartig riss Rob die Augen auf und schoss in die Höhe. „Schei...!“, brachte er keuchend heraus.
Blinzelnd sah Rob sich im Schlafzimmer um. Sein Herz schlug heftig in der Brust und auch der Atem war schneller, als er sein sollte. Mit einem Stirnrunzeln beugte Rob sich über das Bett hinweg, um auf der anderen Seite den Boden zu inspizieren. Irritiert richtete er sich danach wieder auf und fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare.
„Was zum ...“, murmelte Rob verwirrt.
Noch einmal sah er sich um, aber an der Situation hatte sich in den letzten zehn Sekunden trotzdem nichts geändert. Er war weiterhin allein in seinem Bett. Gedankenverloren fuhr Rob sich mit der Hand über die Brust. Es war jedoch nicht seine eigenen Finger, die er dort noch immer zu spüren glaubte.
Rob schluckte und erhob sich. Etwas in ihm wollte schreien – wenigstens rufen. Zumindest irgendeinen Laut von sich geben. Aber wie schon letzte Nacht bekam Rob einmal mehr keinen Ton heraus. Er verdrängte den Gedanken, dass er nur deshalb nicht rief, weil er sich vor der Antwort fürchtete – besser gesagt, deren Ausbleiben. Stattdessen schwang Rob die Beine über die Bettkante und stand auf.
Eher beiläufig zog er Unterhose samt T-Shirt aus dem Kleiderschrank und schritt anschließend hastig aus dem Schlafzimmer. Nach einer notwendigen Stippvisite im Bad – wo er offensichtlich niemanden sonst vorfand – kehrte Rob in den Flur zurück.
Mit zusammengepressten Lippen zog er sich das Shirt über den Kopf und lief weiter zur Küche. Hier jedoch begrüßte ihn ein ähnlicher Anblick. Mit jedem Schritt beschleunigte sich sein Herzschlag. Weiterhin wollte etwas in Rob rufen, während der vernunftbegabte Teil einwarf, dass das reichlich sinnlos sein würde.
Er wusste doch nur zu genau, wie die Antwort lauten musste. Der Moment, in dem er im Türrahmen zum Wohnzimmer stand, war letztendlich der, in dem jeder Teil von Rob die Realität akzeptierte: Er war allein. Erik war abgehauen, bevor Rob überhaupt aufgewacht war.
‚Was hast du erwartet?‘
Jedenfalls nicht, dass der Kerl sich am nächsten Morgen ohne ein Wort verkrümeln würde – redete Rob sich zumindest ein. Andererseits hätte er wohl nichts anderes erwarten dürfen.
Ein stechender Schmerz fuhr durch Robs Brust, während ihm klar wurde, dass er sich hier zwar nicht zum ersten Mal in dieser Situation wiederfand, es bisher aber nie dermaßen unangenehm gewesen war. Zudem er es diesmal nicht einmal ansatzweise hatte kommen sehen. Wann immer Rob in den letzten Jahren alleine aufgewacht war, hatte er damit gerechnet gehabt – hatte es sich fairerweise bei dem einen oder anderen sogar gewünscht. Aber nicht heute.
„Du bist ein Idiot“, murmelte Rob und wandte sich von dem schmerzhaften Anblick ab.
Nur Leute, die Angst haben etwas zu verlieren, hofften. Sah so aus, als wäre er entgegen allen Erwartungen doch wieder auf der Verliererseite gelandet. War ja nichts Neues. Und trotzdem tat es weh, auch wenn Rob weiterhin versuchte, das unangenehme Gefühl zu verdrängen. Diese stechende Frage, ob es am Ende trotz all der schönen Worte doch nur die Neugier gewesen war. Oder nicht einmal das.
Gegen den Schmerz half auch nicht die Erkenntnis, dass er Erik wenigstens im kommenden Schuljahr nicht mehr ständig über den Weg laufen würde. Stöhnend schloss Rob die Augen und hielt mitten im Flur inne. Das Stechen in seiner Brust wurde zu einem konstant dumpfen Druckschmerz, gegen den auch ein paar tiefe Atemzüge nicht halfen.
Am Ende war er eben ein Idiot. Zu verträumt, zu hoffnungsvoll, zu dumm, um endlich zu kapieren, dass ihm genau das passiert war, was Rob Erik in der vergangenen Woche ständig vorgehalten hatte. Er hatte sich in einer Illusion verfangen. Eine, die nicht nur behauptete, dass es diesmal anders laufen würde, dass Erik nicht so war wie die Typen vor ihm. Für ein paar wenige Momente letzte Nacht hatte Rob sich eingebildet, dass es funktionieren konnte. Dass da jemand war, der ihn ganz wollte. Nicht nur Robs Körper, sondern jeden Teil von ihm. Die falschen Fassaden, genauso wie den kaputten Kern. Das hübsche Gesicht zusammen mit den Narben der Vergangenheit.
‚Und dann hast du’s verbockt‘, sagte Rob sich selbst.
Nur hatte er keine Ahnung, was er diesmal falsch gemacht hatte. Vielleicht war er zu frech gewesen. Zu aggressiv. Zu vorlaut. Ein enttäuschtes Schnauben entkam Rob, während er den Kopf schüttelte. Tatsächlich hatte er doch wie immer kaum ein Wort herausbekommen. Aus Angst, dass jeder noch so kleine Wunsch seiner selbst dazu führen würde, dass dieser sich ins Gegenteil verkehrte und stattdessen gegen ihn eingesetzt werden würde. Also war es doch wohl eher das Schweigen gewesen, das Erik vertrieben hatte.
Langsam setzte Rob sich wieder in Bewegung – schlurfte in Richtung Küche. Davor stoppte er jedoch erneut. Wenn er sich jetzt einen Kaffee machte, würde er endgültig aufwachen. Dabei klang Schlafen nach einer ausgesprochen guten Idee. Ins Bett kriechen, sich zusammenrollen und warten, bis der jämmerliche Schmerz in der Brust endlich aufhörte.
„Klingt nach einem Plan“, krächzte Rob heiser.
Am kommenden Morgen würde die Welt sicherlich besser aussehen. Die nächste Woche hatte er schließlich tatsächlich frei. Da konnte Rob sich Zeit nehmen. Wofür auch immer. Sinnvollerweise wohl, um wieder auf die Beine zu kommen. Beziehungen machten eh nur Ärger. Enttäuschung, Schmerz. Es war doch ständig nur eine einzige Qual. Andere lebten schließlich ebenfalls ohne dieses altbackene Beharren auf Monogamie. Oder Gefühle. Sex und ab und zu über Nacht ein warmer Körper im eigenen Bett. Im Grunde war das doch genau das, was sein Leben in den letzten Jahren ausgemacht hatte.
Rob schloss die Augen und atmete tief durch. Wenn das so einfach wäre, würde er hier nicht mit diesem blöden Schmerz in der Brust stehen. Dann würde er ausschlafen und in ein paar Tagen ins Rush-Inn gehen, um sich jemanden für die Nacht zu suchen.
„Oh, Mist“, fluchte Rob, als ihm klar wurde, dass er vorerst nicht einmal mehr dorthin gehen konnte.
Seitdem er Erik an einem Abend unter der Woche im Rush-Inn gesehen hatte, war Rob ohnehin nur noch selten in der Bar gewesen. Und nie ohne vorher ganz genau nachzusehen, wer an diesem Tag hinter dem Tresen stand.
Ein Klacken riss Rob aus seinen Gedanken und ließ ihn den Kopf zurück in Richtung Wohnungstür drehen. Es folgte ein eher schleifendes Geräusch, während diese über den Teppichboden bewegt wurde. Das Klimpern von Schlüsseln, die kurz darauf an dem Haken neben der Tür landeten, wo sie hingehörten. Robs Augen zuckten zur Garderobe, nur um festzustellen, was ihm bisher entgangen war: Eriks Sakko hing noch immer dort.
„Oh“, begrüßte der Rob mit einem breiten Lächeln im Gesicht. „Wie gemein. Du bist ja schon wach. Und ich hatte mir gerade überlegt, wie ich dich gebührend wecken könnte.“
Am liebsten hätte Rob mit einem saloppen „Ach ja?“ geantwortet. Verbunden mit einem herausfordernden Grinsen. Aber sein Hirn war noch nicht weit genug in Gang gekommen, um überhaupt einen Ton herauszubringen.
Zumindest klang das nach einer sehr guten Ausrede dafür, dass Rob weiterhin schweigend im Flur stand und seinen Gast anstarrte. Der benahm sich derweil eher, als ob er hier wohnen würde. Robs Augen verengten sich, während er beobachtete, wie Erik die Schuhe von den Füßen zog und sie achtlos über den Boden purzeln ließ. Wenigstens schob er sie noch mit dem Fuß ein Stück beiseite. Wirklich ordentlich standen die aber weiterhin nicht da.
„Jetzt guck nicht so finster. Tut mir leid, dass ich den Schlüssel einfach genommen hab“, meinte Erik mit einem gut gelaunten Lächeln, während er auf Rob zutrat.
Der konnte weiterhin nur sprachlos zurück starren. Das war definitiv der richtige Moment, um endlich etwas zu sagen. Blöderweise hatte Rob keine Ahnung, was das sein sollte. Eine Frage wäre vermutlich gut. Und sinnvoll.
„Was machst du hier?“
Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, bereute Rob sie auch schon. Ein weiteres Mal verzog er das Gesicht. Das war nicht das, was er sagen wollte. Ebenso wenig war es eine der wirklich interessanten Fragen, die sich irgendwo in ihm drinnen versuchten zu formen.
„Wo ...?“, setzte Rob erneut an, kam aber nicht weiter.
Anstatt zu antworten, drückte Erik ihm einfach einen Kuss auf die Lippen und trat anschließend an ihm vorbei.
„Wieso ...?“
Allmählich fing es an, peinlich zu werden. Zeit, sich endlich zusammenzureißen! Also drehte Rob sich auf dem Absatz um und sah Erik hinterher. Der war inzwischen auf dem Weg in die Küche. Robs Verstand war zwar dank des Koffeinmangels weiterhin nicht auf Hochtouren, aber allmählich kam es in Gang.
„Nachdem ich wach war, habe ich in deiner Küche versucht Frühstück zu machen“, erklärte Erik derweil völlig unbeeindruckt von Robs Gestammel. „Aber du hast ja echt gar nichts hier. Keine Kaffeemaschine und der Inhalt des Kühlschranks sieht aus, als ob du nicht nur eine Woche, sondern ein ganzes Jahr weg warst.“ Mit einem vorwurfsvollen Blick sah Erik Rob über die Schulter hinweg an. „Den Joghurt hab ich übrigens entsorgt, der stand kurz davor, ein Bewusstsein zu entwickeln.“
So sehr Rob sich wünschte, er könnte etwas erwidern, in seinem Kopf gab es nur einen halbwegs klaren Gedanken: Erik war hier. Er war nicht einfach abgehauen, hatte ihn nicht zurückgelassen.
Robs Blick wanderte zur Arbeitsplatte neben dem Spülbecken. Dort hatte Erik eine Tüte vom Bäcker abgelegt. Daneben standen zwei Becher in einer Pappschale. Einen davon ergriff Erik gerade, drehte sich herum und hielt ihn Rob vors Gesicht. Der Duft von Kaffee stieg ihm prompt in die Nase. Erik war tatsächlich hier. Mit Frühstück. In Robs Brust begann etwas zu hämmern. Stetig stärker – und schneller.
„Schwarz, ohne Zucker“, meinte Erik mit einem Grinsen auf den Lippen. Das wurde sogar noch ein Stück breiter, während er achselzuckend hinzufügte: „Der Bäcker war nicht gerade um die Ecke. Deshalb ist er vermutlich nicht mehr heiß. Aber ich dachte, du kannst vielleicht einen brauchen.“
Unsicher sah Rob zunächst zu dem zweiten Becher, der noch immer auf der Arbeitsplatte stand. Dass der sich gerade einmal einen Meter neben der French-Press-Kanne und der Dose mit dem extra dafür gemahlenen Kaffeepulver befand, sagte er lieber nicht.
Erik war nicht abgehauen. Er hatte einen Bäcker gesucht. Und Kaffee geholt. Für Rob. Von allein. Einfach so. Gedankenverloren fuhr Rob sich über die Brust, hinter der es dermaßen schnell hämmerte, dass er die Schläge schon fast nicht mehr unterscheiden konnte.
Rob schloss die Augen, zwang sich selbst zur Ruhe. Erst als sein Herz allmählich langsamer schlug, griff er zum Becher und murmelte verhalten: „Danke.“
Ein beiläufiges Lächeln. Anschließend wandte Erik sich wieder der Arbeitsplatte zu. Rob starrte auf den breiten Rücken, nicht sicher, was er sagen sollte.
Vorsichtig nippte Rob an dem Kaffee. Der war in der Tat nicht mehr heiß, aber warm genug. Also nahm er einen größeren Schluck. Da das Koffein auf seinen ohnehin zu leeren Magen hoffentlich schnell wirken würde, gleich noch einen weiteren hinterher. Das Zeug war zwar für Robs Geschmack etwas zu schwach, aber okay. Dass Erik ihn nicht zusätzlich mit reichlich Milch verwässert hatte, ließ das Klopfen in Robs Brust schon wieder anschwellen.
„Ich habe Schokocroissants und ein Plunderstück für dich. Ich war mir nicht sicher, was von beidem du lieber magst. Und entschuldige noch einmal, dass ich einfach deinen Schlüssel genommen habe.“
Rob schüttelte den Kopf. „Schon ... gut“, antwortete er zögerlich.
Verhalten starrte er auf den breiten Rücken – noch immer das Einzige, was er von Erik sehen konnte. Vermutlich sollte Rob irgendetwas Geistreiches sagen. Etwas, das mehr ausdrückte als ein simples ‚Danke‘. Aber in Rob bebte und pulsierte alles und verhinderte damit sehr effektiv, dass wenigstens seine Gedanken zur Ruhe kamen.
Zögerlich trat Rob in die kleine Küche. Rechts war die Spüle, daneben die Arbeitsplatte, vor der Erik stand. Gegenüber der Kühlschrank, mehr Arbeitsfläche und am anderen Ende der Herd. Zwischen den beiden Seiten ein keiner, zwei Meter breiter Streifen, auf dem man sich bewegen konnte – jedenfalls sofern der Weg nicht von einem zu kräftig gebauten Abiturienten versperrt wurde.
Unschlüssig, was er sagen oder tun sollte, trat Rob auf die linke Seite neben den Kühlschrank und stellte nach einem weiteren Schluck den inzwischen fast leeren Kaffeebecher auf der Arbeitsplatte ab.
Allmählich genervt von der eigenen Unsicherheit fuhr Rob sich durch die Haare. Bisher hatte er doch auch kein Problem damit gehabt, mit Erik zu reden. Im Gegenteil – es war sogar extrem einfach gewesen, den Mann im Verlauf der letzten Woche immer wieder herauszufordern.
Nicht zu vergessen, dass dieses dabei stets in Rob aufsteigende Prickeln ausgesprochen reizvoll gewesen war. Trotzdem brachte er seit letzter Nacht kaum ein Wort heraus. Wenn Rob so weitermachte, würde er das hier in den Sand setzen, bevor sie überhaupt mit irgendetwas begonnen hatten.
Mit einem Mal presste sich Erik gegen seinen Rücken. Rob schloss die Augen und unterdrückte das Stöhnen, während sich zu der breiten, warmen Brust, auch ein merklich interessierter Schritt gegen sein Hinterteil presste.
„Entschuldige“, raunte Erik hörbar amüsiert neben Robs Ohr. „Die Teller waren hier oben drinnen, oder?“
Langsam schüttelte Rob den Kopf. Der Kaffee wirkte allmählich. Zumindest fühlten sich seine Gedankengänge etwas klarer an.
„Gegenüber. Links von der Spüle.“
„Hm“, brummte es unzufrieden hinter Rob.
Erik lehnte sich weiter vor, presste Rob dabei gegen die Kante der Arbeitsplatte. Dieser schloss die Augen. Der Druck auf seinen Unterbauch war kaum schmerzhaft – das könnte sich aber schnell ändern. Für einen Moment zuckten Rob die Bilder aus einem von Eriks Aufsätzen durch den Kopf. Der Gedanke daran, dass es in der Küche leider keinen Tisch gab, trieb Rob die Schamesröte ins Gesicht. Hoffentlich würde Erik das nicht bemerken.
„Na so was“, raunte der mit einem Grollen in der Stimme, das Rob einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Hinterließ dabei nicht nur warmen Atem, der Rob am Ohr kitzelte, sondern ebenso einen Kuss am Hals darunter sowie ein herrliches Prickeln, das sich von dort aus Robs Wirbelsäule entlang nach unten vorarbeitete.
„Dabei könnte ich schwören, dass ich hier irgendwo Teller gesehen habe.“
Rob biss sich auf die Unterlippe, um das Stöhnen zu unterdrücken, das ihm entkommen wollte. Der Stoff seiner Unterhose war zu dünn, als dass er irgendetwas verstecken könnte. Leider konnte man das von Eriks Anzughose nicht behaupten. Zumindest war Rob sich sehr sicher, dass es ein deutlich interessanteres Gefühl sein dürfte, die bereits spürbare Härte an seinem Hinterteil mit mindestens einer Stoffschicht weniger genießen zu können.
Erik fuhr derweil mit einer Hand unter Robs T-Shirt. Vom Bauchnabel strich er tiefer, zog ihn dabei von der Arbeitsplatte weg. Die gleichen Finger wurden wenige Sekunden später unter den Bund von Robs Unterhose geschoben. Zunächst streichelnd, kurz darauf jedoch mit mehr Druck.
„Ich sagte doch“, presste Rob keuchend heraus. „Andere ... Seite.“
Mit einem Ruck drehte Erik ihn herum. Überrascht starrte Rob nach oben, in diese hellblauen Augen, die ihn schon wieder mit einem geradezu zügellosen Hunger ansahen. Wie oft hatte Erik tatsächlich von diesen Situationen fantasiert? Nur für seine Aufsätze? Öfter? Wöchentlich? Täglich?
Die Vorstellung jagte ein weiteres Pulsieren durch Robs Schritt, zauberte eine Gänsehaut auf seine Arme, die nichts mit Angst oder Sorge zu tun hatte. Sie war ausgelöst einzig und allein durch das Verlangen, das ihm aus Eriks Augen entgegenstrahlte.
„Was ist?“, fragte der mit einem zufriedenen Grinsen. „Du sagtest doch ... ‚Andere Seite‘.“
Der Herzschlag, der diesen Worten hätte folgen müssen, setzte aus. Die folgenden kamen dafür umso schneller. Da half auch nicht die mentale Zurechtweisung, dass es entgegen früheren Vorwürfen im Augenblick eher Rob war, der sich wie ein hormongesteuerter Teenager fühlte. Und wahrscheinlich auch aufführte. Da er die Zeit beim ersten Mal nicht wie andere Jugendliche in seinem Alter verbracht hatte, war das womöglich schlichtweg eine Überkompensation eines durchgeknallten Stammhirns.
‚Rede dir keinen Unsinn ein‘, ermahnte Rob sich geistig erneut.
Um wenigstens einigermaßen klar im Kopf zu werden, presste er seine Linke gegen Eriks Brust und drängte diesen zurück. Obwohl es sicherlich ein Leichtes gewesen wäre, dem Druck von Robs Hand standzuhalten, gab Erik sofort nach, trat einen halben Schritt zurück, um ihm Raum zu geben. Ein weiteres Mal stolperte der rasende Rhythmus in Robs Brust, flackerte das Rauschen in seinen Ohren.
„Ich dachte ... du wärst ... nach Hause“, meinte Rob zögerlich. Nicht ganz die Worte, die sich eigentlich in seinem Kopf geformt hatten.
Erik runzelte verwundert die Stirn. „Ich hab doch extra einen Zettel geschrieben.“
„Was für einen Zettel?“
Rob zuckte zurück, als ihm klar wurde, dass er die Worte nicht nur gedacht, sondern ausgesprochen hatte. Erik ließ sich davon jedoch nicht beirren und grinste mit geradezu stolzgeschwellter Brust.
„Na, auf dem Schreibtisch in deinem Schlafzimmer.“
Es dauerte einen Moment, bis Rob die Worte verarbeitet hatte. Nachdem es endlich so weit war, drückte er Erik erneut von sich weg, befreite sich damit endgültig aus dessen Umarmung und stürmte aus der Küche zielstrebig zurück ins Schlafzimmer. Hinter Rob rief Erik seinen Namen. Er ignorierte den Ruf jedoch und lief stur weiter.
Erst als Rob vor dem Schreibtisch stand, hielt er inne. Tatsächlich. Dort, mitten auf der braunen Schreibunterlage, lag der Block, auf dem Rob sich normalerweise Notizen machte. In Eriks üblicher krakeliger Schrift stand darauf in knappen Worten, dass er etwas zum Frühstücken besorgen und ‚gleich‘ zurück sein würde.
Es stimmte. Erik war nicht nur nicht abgehauen, er hatte sogar versucht, sicherzustellen, dass Rob sich keine Sorgen wegen seiner Abwesenheit machte.
Robs Atem stockte, nachdem er sich mit einem Mal erneut in einer Umklammerung wiederfand. Doch das ängstliche Gefühl von ‚gefangen‘ kam nicht. Deshalb musste Rob sich mental schon wieder selbst korrigieren. Keine Umklammerung, eine Umarmung. Sanft, vorsichtig und dennoch fest genug, um sich darin sicher zu fühlen. Ungewohnt. Aber nicht ungewollt, wie Rob nach kurzer Überlegung feststellte.
Er hob die linke Hand und legte sie auf Eriks Unterarm – stellte erst jetzt fest, dass das Hemd mit einem Mal fehlte. Wenn er das eigene T-Shirt nicht tragen würde, könnte er die Wärme von Eriks Körper dann noch besser fühlen?
Ein Raunen neben seinem Ohr, jagte Rob ein angenehmes Prickeln über den Rücken: „Wozu hast du das Shirt an?“