33 – Feuchtfröhliche Feier
Der verdammte Abend schien kein Ende zu nehmen. Irgendwann nach der ersten Stunde hatten die alten Leute angefangen, Musik in das Kellerloch einzuspielen. Was dem Ganzen zugegeben etwas mehr ‚Party Flair‘ verliehen hatte.
Prompt hatten einige aus dem Kurs begonnen, die restlichen Fässer-Tische samt Stühlen zu verrücken, um Platz für eine improvisierte Tanzfläche zu schaffen. Rein zufällig landeten nicht wenige dabei in der näheren Umgebung des ‚Aufsichtspersonals‘.
Die Stimmung wurde zunehmend ausgelassener, was Erik so gar nicht nachvollziehen konnte. Die Weinversorgung blieb wenigstens konstant. Das Einzige, was Erik – trotz aller guten Vorsätze – den Anblick von Berger und seinem Fanklub etwas erleichterte.
Als irgendwann eine Flasche Rotwein vor ihm stand, überlegte Erik nicht einmal mehr, bevor er einschenkte. Kaum war der erste – deutlich zu große – Schluck seine Kehle runter verzog er angewidert das Gesicht und griff direkt hinterher zum Wasserglas.
„Wäh“, murmelte Erik und nahm stattdessen eine der drei Weißweinflaschen, die weiterhin auf dem Tisch vor ihm standen. „Der war, glaube ich, nicht schlecht“, nuschelte er und schenkte ein.
Missmutig schob Erik sich vom Stuhl und stellte den Rotwein stattdessen auf den Nachbartisch. Das merkwürdige Schwanken des Bodens konnte sein Hirn glücklicherweise ausgleichen.
Trotzdem nahm Erik sich vor, von dem Roten lieber nichts mehr zu trinken. Der bekam ihm offenbar nicht. Außerdem mutete es verflucht unnatürlich an, dass etwas Flüssiges derartig staubtrocken schmecken konnte. Zurück an seinem Tisch nahm Erik erneut ein Schluck Wasser, um den unangenehmen pelzigen Geschmack von der Zunge zu bekommen.
„Ekelhaft“, meinte er verhalten und schob sich wieder auf einen Stuhl.
Sitzen fühlte sich besser an. Wobei Erik im Augenblick nicht hätte sagen können, ob er überhaupt etwas spürte. Ein durchaus angenehmer Zustand, den er so normalerweise nicht kannte. Nicht einmal aus den Zeiten, in denen er mit seinen Freunden regelmäßig am Lagerfeuer gesessen und sich betrunken hatte.
‚Nicht besoffen‘, versuchte Erik sich zu korrigieren, war sich aber gleichzeitig nicht sicher, ob er die Zeit aus seiner Erinnerung oder den heutigen Abend damit meinte.
Irritierenderweise war das Glas fünf Minuten später schon wieder leer. Musste verflucht warm hier drinnen sein, wenn der Wein einfach so verdunsten konnte. Nachdem ihm der Gedanke erst einmal gekommen war, fühlte Erik sich prompt ziemlich aufgeheizt.
Ein Glucksen war zu hören. Irritiert sah Erik sich um. Aber an dem Tisch saß längst niemand anderer mehr außer ihm selbst. Ein Teil der Chaoten vergnügte sich in der Mitte des Raumes zu einer Musik, die vermutlich bereits vor der Geburt ihrer Lehrer entstanden war.
Schon wieder dieses Glucksen, das irgendwie wie ein Lachen klang. Dazu war da ein komisches Blubbern in Eriks Brust. Woher das kam, konnte er blöderweise nicht nachvollziehen. Ein tiefer Atemzug und beides wurde besser. Das merkwürdige Geräusch war weg und damit auch das Blubbern. Erik griff zum Glas und drehte es einen Moment hin und her, während er blinzelnd versuchte, zu erkennen, ob der Inhalt Wasser oder Weißwein war. Das Licht hier drinnen wurde immer schummriger.
Als Erik aufblickte, um nach den Lampen zu sehen, fiel sein Blick in Richtung Lehrertisch. Dort war die Party in der Tat in vollem Gange. Der einzige, der augenscheinlich keinen Spaß hatte, war Berger.
‚Geschieht ihm recht‘, dachte Erik bei sich.
Ein Lächeln schob sich auf sein Gesicht, als Erik kurzzeitig darüber nachdachte, dass der Kerl ja zu ihm rüberkommen könnte. Die eine oder andere Möglichkeit für ‚Spaß‘ würde Erik da schon einfallen.
In dem Moment tauchte aber, wie so oft an diesem Abend, Hanna in seinem Blickfeld auf. Und auch wenn Alina, eine ihrer Freundinnen, sie quasi umgehend von Berger wegzog, spürte Erik, wie ihm die Galle hochkam.
‚Scheiß Fahrt. Scheiß Hanna.‘
Und zusätzlich noch der Blödmann von Lehrer, der einfach nicht hier rüber kam. Wo er hingehörte. Schlief schließlich auch in der gleichen Hütte. Da würden sie ja wohl wenigstens einen zusammen heben können. Erik senkte den Blick und nahm einen weiteren Schluck aus einem der Gläser.
‚Okay. Ist der Weißwein‘, kommentierte sein Verstand. Zumindest der Teil, der offenbar noch nüchtern genug war, um die Signale der Geschmackssensoren zu empfangen.
In Eriks Brust war schon wieder dieses Blubbern und das merkwürdige Glucksen war zu hören. Kam das eigentlich von ihm selbst? Er war sich nicht sicher. Allerdings auch nicht sonderlich interessiert an der Antwort.
„Wo war ich?“, murmelte Erik kaum hörbar. Da fiel es ihm wieder ein. Richtig. Scheiß Lehrer.
‚Nein‘, ermahnte ihn irgendwas. ‚Berger nicht.‘
Erik runzelte einen Moment die Stirn. Sein Kopf fühlte sich zunehmend merkwürdig an. Aber er war sich weiterhin sicher, dass er nicht betrunken war. Das hatte sich bei den Besäufnissen am Lagerfeuer immer anders angefühlt. Da war allerdings die Wodkaflasche gekreist. Der schlug ja deutlich direkter ein. Heute hatte Erik lediglich ein paar Gläser Wein gehabt.
‚Das waren maximal ...‘
Er ließ einen Blick über den Tisch wandern. Eine Zahl konnte Erik jedoch nicht hervorbringen. Waren aber bestimmt nicht so viele gewesen. Ein etwas zu forscher weiterer Blick in die Runde ließ den Stuhl wackeln und Erik selbst schon wieder die Stirn runzeln. Irgendwas stimmte mit dem Boden in diesem blöden Keller nicht. Vermutlich war das Ding so alt, dass es krumm und schief war.
‚Deshalb wackeln die Stühle.‘
Der Blick durch den Raum hatte gezeigt, dass der Rest der Mitschüler allmählich ebenfalls Ermüdungserscheinungen zeigte. Vielleicht lag es ja an der Luft hier unten. War schließlich auch so verdammt heiß, dass der Wein verdunstete.
Wieder griff Erik zum Glas und trank einen guten Schluck. Irritiert linste er anschließend auf den restlichen Inhalt. Diesmal hatte er offenbar das Wasser erwischt. Das war leider nicht mehr sonderlich kalt, half dennoch gegen die Trockenheit, die sich trotz des Weines in seiner Kehle ausbreitete.
‚Oder heißt das ‚wegen des Weines‘?‘
„Ah, verdammt“, murmelte Erik leise.
Allmählich wurde es wohl zu spät. Wann war diese blöde Veranstaltung endlich zu Ende? Bett klang gut. Gesellschaft noch besser. Aber auf die brauchte Erik ja nicht wirklich zu hoffen. Oder?
Prompt sah er nach links, wo Erik feststellen musste, dass Sandro und Ines offenbar gerade keine Beziehungsprobleme hatten – oder wenigstens dabei waren diese zu lösen.
Auf der Tanzfläche standen diverse Pärchen eng umschlungen, von denen zumindest Erik bisher keine Ahnung gehabt hatte, dass sie ein Paar waren. Von Tanzen konnte man allerdings nicht bei allen davon reden. Der eine oder andere sah eher so aus, als würde er nur durch den jeweiligen Partner überhaupt aufrecht gehalten werden.
Irgendwo mittendrin war Frau Hirvi, die gut gelaunt das Tanzbein neben einigen ebenso fröhlichen – und definitiv zu nüchternen – Schülerinnen schwang. Selbst Frau Farin hatte zwischen mehreren – ebenfalls zu nüchtern aussehenden – Damen offensichtlich eine interessierte Gesprächsrunde gefunden.
‚Warum organisieren die Weiber eigentlich so eine doofe Weinverkostung, wenn sie da nicht einmal ordentlich zulangten?‘
Das war voll dämlich. Irgendwie.
Eriks Blick wanderte zu Berger. Prompt fachte das die Wut erneut an, als er sah, dass der doofe Lehrer die olle Hanna schon wieder anlächelte. Wenigstens winkte der Blödmann ihr ab, als die mit der Weinflasche neben ihm stand. Sie zog einen Schmollmund und fragte irgendetwas, was Erik über den Geräuschpegel in dem blöden Keller hinweg natürlich nicht verstehen konnte. Aber Berger lächelte ein weiteres Mal.
‚Dämlicher Lehrer mit seinem bescheuerten Lächeln, den viel zu undurchsichtigen Jeans und dem so beschissenen engen Badeshirt.‘
Irritiert sah Erik nach unten, nachdem in seinem Bauch dieses blöde Rumoren schon wieder einsetze. Unterlegt von einem dezenten Brennen. Als er erneut aufblickte, stand Hanna weiterhin neben Berger. Wann verschwand die blöde Kuh endlich?
‚Das sollten die überhaupt alle!‘, giftete es in seinem Kopf weiter.
Erik war es, mit dem der Blödmann ständig flirtete. Machte er doch, oder? Schon. Fühlte sich zumindest manchmal so an. Jedenfalls schlief Berger mit Erik in einer Hütte und nicht mit der doofen Hanna. Und er hatte dem Franzosen mit dem beschissenen Gel in den Haaren nicht in die Eier getreten. Das machte Berger ja wohl eindeutig zu Eriks Baustelle. Und nichts, an dem Hanna rumbaggern konnte.
Das Glucksen war schon wieder da. Aber diesmal wurde Erik endlich klar, dass er der Grund dafür war – dass es aus seinem eigenen Körper kam.
‚Soll das etwa ein Lachen sein?‘
Noch immer hing Eriks Blick an Berger. Der hatte es offenbar endlich geschafft, Hanna wieder loszuwerden, und starrte stattdessen auf das volle Glas vor ihm. Was würde wohl passieren, wenn Erik jetzt einfach aufstand und da rüberging. Sich holte, was er haben wollte. Diesen beschissenen Kuss, für den er gestern Abend zu feige gewesen war.
‚Nicht zu feige, sondern zu anständig‘, korrigierte etwas Erik in seinem Kopf.
Was auch immer es war, es sollte gefälligst die Klappe halten. Der beschissene Anstand hatte ihm heute schon den Fick mit Mathis versaut. Zumindest einen Blowjob. Irgendwas wäre garantiert bei rumgekommen. Aber der blöde Anstand hatte sich ja einschalten müssen. Der und die total bescheuerte Vorstellung, dass es Berger was ausmachen würde. Und Erik sich dadurch jede noch so winzige Möglichkeit versauen würde, dem Kerl jemals näherzukommen. So richtig. Und definitiv nicht nur körperlich.
‚Eine Beziehung auf Augenhöhe? Mit einem unreifen Idioten wie dir? Trottel!‘
Eriks Blick wanderte über Bergers Gesicht. Das beschissene Licht war zu schummrig, um viel zu erkennen, und der Blödmann sah ja weiterhin auf das dämliche Glas, anstatt zu Erik zurück. Aufstehen, Rübergehen, Küssen. Drei total simple Dinge. Machbar. Konnte er.
‚Hat sich zumindest bisher keiner beschwert.‘
Ein Grinsen schlich sich auf Eriks Lippen und er spürte schon wieder dieses Blubbern in der Brust aufsteigen. Diesmal konnte er das glucksende Lachen aber unterdrücken. So etwas machten Mädchen. Oder Besoffene. Und er war schließlich keines von beidem. Maximal angeheitert. So ein bisschen. Okay, vielleicht auch ein bisschen mehr. Aber bestimmt nicht betrunken!
Dennoch hatte Erik nicht genug getrunken, um wirklich aufzustehen und dem dummen Lehrer da drüben die Zunge in den Hals zu stecken. Wobei er sich weiterhin fragte, wie es sich anfühlen, ob Berger sich wehren würde. Den französischen Schleimbeutel von gestern hatte der Blödmann schließlich nicht von sich gestoßen. Und der hatte zu deutlich mehr angesetzt als zu einem lächerlichen Kuss.
Und der Rest des Kurses? Wie würden die reagieren? Hanna würde Erik vermutlich die Augen auskratzen. Sandro würde entweder lachen oder ihm eine reinhauen. Und danach würde von irgendwoher eine Weinflasche auf Eriks Kopf zerschellen. Zumindest passierten solche Sachen in Filmen in diesen Momenten.
Glücklicherweise war das hier keiner. Und das bestimmt auch der Grund, warum Erik weiterhin an seinem Tisch saß und eben nicht zu Berger rüber stakste. Denn in einem Film würde der Protagonist doch genau jetzt von einer ‚Welle des Mutes‘ erfasst werden. Oder so ein Quark. Okay, vielleicht war sich ein Teil von Erik auch nicht ganz sicher, ob er es überhaupt stehenden Fußes bis zu Berger schaffen würde, ohne umzukippen. Der Boden hier hatte ja die blöde Angewohnheit zu schwanken.
Erik schloss die Augen und legte den Kopf auf den Armen ab. Wenn er sich kurz sammelte, würde das mit dem instabilen Boden bestimmt geben. Und mit den schweren Augenlidern. Und dem noch schwereren Schädel. Dann würde er vielleicht endlich den Mut aufbringen und ein Mann sein. Einer, der da zu dem doofen Berger rübermarschierte und ihm dieses viel zu nette Lächeln von den Lippen küsste. Oder der zum Neandertaler wurde und den Kerl gleich über die Schulter warf. Schließlich konnte der Mann nicht sonderlich viel wiegen. Aber erst einmal kurz ausruhen. Danach konnte Erik das alles angehen. Vielleicht. Mal sehen.
‚Man könnte meinen, du wärst doch betrunken‘, höhnte es von irgendwoher. Als Erik träge den Kopf hob, war da aber niemand sonst an seinem Tisch.
Warum auch? Er saß ja schon den ganzen Abend alleine hier. Nicht einmal Sophie hatte sich her getraut. Vermutlich hatte sie endlich aufgegeben. Darüber sollte Erik eigentlich froh sein, aber irgendwie konnte er das nicht. Immerhin wäre die Frau Gesellschaft gewesen. Und Erik hätte nicht, wie so oft im vergangenen Jahr, am Rand eben dieser gesessen, ohne wirklich dazuzugehören.
‚Hast dich auch nicht unbedingt drum bemüht.‘
Das blöde Arschloch in seinem Kopf könnte echt endlich einmal die Klappe halten. Wobei es womöglich doch ein Glas Wein zu viel gewesen war.
Erik hatte keine Ahnung, wie lange er die Augen ausruhte. Konnte ja aber schließlich nur ein paar Minuten gewesen sein. Immerhin war er nicht betrunken. Und für einen Filmriss müsste er ja erst einmal besoffen genug sein.
Außerdem fühlte Erik sich gut. Okay, vielleicht nicht wirklich so richtig toll. Aber auch nicht sonderlich mies. Nein, das traf es ebenfalls nicht. Irgendwie war die Wortfindung zunehmend schwieriger.
‚Bist eben doch etwas angetrunken‘, gestand er sich selbst.
In dem Moment rief Frau Farin, dass sie langsam zum Ende kommen und ihre Sachen zusammensuchen sollten. In ein paar Minuten würde es zurück zur Herberge gehen.
Mit verhangenem Blick sah Erik auf. Es dauerte einen Moment, bis er sich orientiert hatte. Komischerweise war Sandro inzwischen nicht mehr links von ihm. Ines auch nicht. Also vielleicht hatten sie die Mandel-OP ja irgendwo anders hin verlagert.
‚Interessiert keine Sau.‘
Richtig. Berger. Wo war der eigentlich? Eriks Blick wanderte nach rechts, wo der Blödmann schließlich an einem Tisch sitzen sollte, während Hanna ihn unverhohlen anmachte. Tat der aber nicht. Sie offensichtlich ebenso wenig. Erik war zunehmend verwirrt. War der Kerl etwa gegangen? Ohne ihn? Ja wohl hoffentlich nicht mit Hanna! Oder einer von den anderen Schnepfen.
„Blöder Arsch“, murrte Erik beleidigt. Wenn Berger sich hier schon vorzeitig verkrümelte, hätte er ihn wenigstens mitnehmen können.
‚Mit ins Bett?‘
Ein schnaubendes Lachen entkam Erik. Oh ja, da würde er nicht ablehnen. Wobei er sich im Augenblick ehrlicherweise nicht zu wirklich viel in der Lage sah. Aber wenn sich die Gelegenheit schon einmal ergab, ging bestimmt noch etwas. Irgendwie.
In dem Moment entdeckte Erik zumindest Sandro. Der stand schwankend in der Nähe des Ausgangs – was ihn aufrecht hielt, waren Oliver und Luca. Das unzusammenhängende Lallen war nicht zu verstehen. Aber es klang nicht sonderlich freundlich. Und die beiden Spacken, die ihren Affenkönig aufrecht hielten, sahen nicht gerade glücklich mit ihrem besoffenen Anführer aus.
Ines war weiterhin nirgendwo zu sehen. Als Erik erneut durch die Runde blickte, war er sich zwar nicht hundertprozentig sicher, aber es fehlten scheinbar noch ein paar andere. Zumindest schickte Frau Farin in diesem Augenblick zwei Leute in Richtung der Toiletten, um die fehlenden Schüler zu holen.
‚Die Weicheier kotzen sich vermutlich gerade auf dem Klo aus.‘
Erik grinste, während er beobachtete, wie in der Tat einige reichlich unschön anmutende Gestalten, inklusive Ines, aus Richtung der Toiletten geschlichen kamen. Frau Farin erklärte noch einmal den Abend für beendet und lief anschließend voraus zum Ausgang. Berger war weiterhin nirgendwo zu sehen. Der Blödmann hatte es offenbar tatsächlich geschafft, in den paar Minuten, die Erik seine Augen ausgeruht hatte, zu verschwinden.
„Scheiße“, murmelte er verhalten.
Hoffentlich hatte der Kerl wenigstens nicht die Hütte abgeschlossen. Wobei Erik die Idee, Berger aus dem Bett zu brüllen, gar nicht so schlecht fand. Jedenfalls wenn das damit enden würde, dass er daraufhin doch endlich einen Blick auf den Mann ohne irgendein beschissenes Shirt am Leib werfen konnte. Die Vorstellung davon, dass Berger nackt schlief, weckte leider nicht mehr als ein müdes Flattern in Eriks Bauch.
Die anderen strömten einigermaßen geordnet aus dem Raum. Erik wusste, dass er aufstehen und hinterhergehen sollte. Aber sein Körper gehorchte dem Funken Verstand, überhaupt nicht. Stattdessen starrte Erik bewegungslos auf die Meute, die sich langsam auf die offenbar zu kleine Tür zubewegte.
Linkerhand war eine Bewegung aus Richtung der Toiletten zu sehen. Als Erik den Kopf drehte, stand da plötzlich Berger. Und sah ihn stirnrunzelnd an. Er wusste selbst nicht, woher es kam, aber mit einem Mal spürte Erik ein zufriedenes Lächeln, das an den eigenen Lippen zog.
‚Er ist doch nicht ohne dich weg.‘
Irgendwie fühlte sich das gut an. Vielleicht besser, als es sollte. Aber das Flattern in Eriks Bauch wurde heftiger, als er meinte, da auch bei Berger ein zaghaftes Lächeln zu sehen. Warum zum Teufel das Erik irgendetwas bedeutete, war im Grunde doch scheißegal. Oder?
In dem Moment kamen drei weitere Mädchen aus Richtung der Toiletten. Eriks Blick verfinsterte sich, was ihm ein Stirnrunzeln Bergers einbrachte. Plötzlich stolperte Hanna. Absolut zufällig. Garantiert. Na klar. Während sich Hannas Schlangenarme um Berger legten, setzte bei Erik etwas aus.
Was genau es war, konnte er nicht sagen. Aber Erik schnellte nach oben und machte instinktiv zwei Schritte in Richtung Berger. Was glaubte die Pute eigentlich, was sie da tat?
‚Was tust du denn hier?!‘
„Scheiße ...“, fluchte Erik krächzend.
Offenbar war er zu vorschnell hochgeschossen. Zumindest sah es stark danach aus, dass Eriks Kopf aktuell nicht mit der Geschwindigkeit des zugehörigen Körpers mithalten konnte. Anders war es nicht zu erklären, dass die Signale vom Hirn zu den Beinen zu langsam unterwegs waren.
Ehe Erik es sich versah, befand er sich auf dem direkten Weg gen Boden. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich am Tisch abfangen, bevor er sich hier tatsächlich der Peinlichkeit ausgesetzt hätte, mit dem Gesicht auf dem Steinboden aufzuschlagen.
Gerade noch war Erik sich sicher gewesen, dass er nicht betrunken war, da fing mit einem Mal der Boden wieder zu schwanken an. Der Raum drehte sich stetig stärker. Dazu ein wenig erbauliches Dröhnen und Rauschen, die zusammen alle anderen Geräusche um ihn herum abdämpften. Trotzdem glaubte Erik, Gelächter zu hören. Stühle wurden beiseitegeschoben, Rumpeln.
‚Verdammt noch mal!‘, fluchte Erik innerlich, weil er sich vermutlich gerade zum Affen machte – einem offenbar doch etwas angetrunkenen Primaten. Dabei war er weiterhin sicher, dass es sich nicht anfühlte wie die Folgen früherer Saufgelage.