88 – Schwindende Zurückhaltung
„Wenn ich mich geändert habe ... Ist es eine Änderung zum Guten?“
„Andernfalls wärst du wohl kaum hier“, schnaubte Rob belustigt.
Achselzuckend ließ Erik ihn los und grinste schelmisch in Richtung Spiegel. Würde Rob ihn darüber nicht weiterhin im Auge behalten, wäre ihm der Ausdruck womöglich entgangen. Dabei war es definitiv einer von Eriks anziehenderen Looks. Denn er war Teil einer der wenigen Momente, in denen die so krampfhaft aufrecht erhaltene Fassade der Anständigkeit bröckelte.
Abgesehen von dem kurzen Kommentar kam jedoch nichts mehr. Kein provokanter Spruch, keine Hand an Robs Hintern, nicht einmal einer dieser durchaus nicht uninteressanten schüchternen Blicke. Die Sorte von Blick, die immer dann kam, wenn bei Erik die Angst vor der eigenen Courage einsetzte.
„Vielleicht ist der Plan doch nicht so ideal“, murmelte Rob, während er weiterhin mithilfe des Spiegels Erik anstarrte.
Der schien seine Worte jedoch falsch zu verstehen. Zumindest wandte Erik sich schweigend ab, sodass Rob ihm nicht mehr in die Augen sehen konnte. Stattdessen trat Erik neben ihn, während er die Packung der Zahnbürste aufriss.
„Ich hab gesagt, dass ich nichts gegen deinen Willen tun werde.“
Definitiv falsch verstanden. Rob hob die Hand und packte Eriks Oberarm. Selbst durch das Hemd konnte er spüren, wie sich die Muskeln darunter schlagartig anspannten. Kurz darauf funkelte Erik ihn bereits wütend an.
Nicht zum ersten Mal fiel Rob dabei das ungewöhnlich helle Blau auf, das sich wie ein Eiszapfen in ihn bohrte. Anderen Leuten würde dieser Blick in Angst und Schrecken versetzen. In Robs Fall führte es eher zum Gegenteil.
So viel Emotionen, so viel Leidenschaft und sie galt im Moment ihm allein. Erregung pur, die sich da Robs Wirbelsäule entlang nach unten arbeitete. Ein Prickeln und Kribbeln, das sich überall ausbreitete. In der Brust, dem Bauch, dem immer interessierter werdenden Schritt.
„Du willst nicht, dass ich gehe“, stellte Erik unnötigerweise erneut fest.
Wenn Rob das gewollt hätte, wäre Erik allerdings schon längst vor der Tür gelandet. Falsch. Er hätte es nicht einmal bis in Robs Wohnung geschafft.
Eriks Mundwinkel zuckten. Versuchten, ein Lächeln auf diese Lippen zu bringen, die Rob doch gefühlt eben erst so leidenschaftlich geküsst hatten. Aber da war weiterhin eine Unsicherheit, die Erik nicht ablegen konnte. Und mit ihr blieb ebenso die unangebrachte Zurückhaltung. Diese falsche Scheu davor, der Mensch zu sein, den Erik bisher lediglich in seinen Hausaufgaben freigelassen hatte.
Statt zu antworten, lächelte Rob kurzzeitig und schob sich demonstrativ die Zahnbürste in den Mund. Erik presste daraufhin die Lippen noch fester aufeinander. Die blauen Augen zuckten schon wieder suchend über Robs Gesicht. Garantiert fragte Erik sich gerade, ob er richtig lag, einen Fehler machte, was Rob wirklich wollte.
Erik schwieg zwar, folgte jedoch Robs Beispiel. Die Situation, wie sie da nebeneinander vor dem Waschbecken standen, wirkte merkwürdig. Zu vertraut und gleichzeitig ungewohnt. Erik war sicherlich nicht der erste Mann, der hier eine Nacht verbrachte. Darüber, wie viele es vor ihm gewesen waren, wollte Rob lieber nicht nachdenken.
Zu viele. Nicht genug. Irgendwo dazwischen. Definitiv die falschen Männer, wie sich herausgestellt hatte.
Aus dem Augenwinkel schielte Rob nach rechts zu Erik. Der hielt den Blick jedoch starr geradeaus gerichtet. Plötzlich war da ein Zucken um Eriks Mundwinkel. Zu spät wurde Rob klar, dass sein Seitenblick im Spiegel nicht unbemerkt geblieben war.
Schon spürte Rob das sanfte Prickeln in seinem Inneren aufsteigen. Erwartung, Vorfreude. Doch er drängte sie zurück. Eriks angedeutetes Grinsen hatte Rob sich sicherlich nicht eingebildet, mehr bekam er jedoch nicht. Was das Prickeln auf einem konstant nervigen Niveau hielt, welches beinahe unerträglich war.
Ein Gefühl, als würde er auf dem Sprungturm stehen. Nur dass die Füße daran festgebunden waren. Das Ziel lag vor ihm. Es war völlig klar, was kommen sollte, müsste. Aber es war dennoch unerreichbar.
Um sich nicht selbst keine Blöße zu geben, wandte Rob sich ab. Er war erwachsen, Himmel noch einmal! Ganz sicher würde er sich nicht von einem Typ unterkriegen lassen, der bis vor einer Woche den Anschein erweckt hatte, als würde er noch mitten in der Pubertät feststecken.
Darauf vertrauend, dass Erik sich in seiner kleinen Zweizimmerwohnung ganz sicher nicht verlaufen würde, lief Rob aus dem Bad in Richtung Schlafzimmer. Er verzichtete darauf, das Deckenlicht anzuschalten. Stattdessen schritt er, den spärlichen Schein aus dem Flur nutzend, zum Nachttisch. Allmählich wurde der Gedanke, dass diese Nacht tatsächlich völlig platonisch im Bett enden würde, reichlich unangenehm. Also trat Rob ein Stück zurück, bis er vor dem Kleiderschrank stand – den Rücken zur Tür gewandt.
Am Hotel hatte Eriks Plan gar nicht so schlecht geklungen. Vor allem, da Rob tatsächlich nach dem emotionalen Auf und Ab der letzten Tage reichlich ausgelaugt war. Außerdem fühlte sich die ganze Situation weiterhin sehr merkwürdig an. Vor allem in den klaren Momenten, wenn Rob daran dachte, dass Erik bis vor ein paar Stunden offiziell sein Schüler gewesen war.
Es kostete Rob deshalb einiges an Konzentration, um auf die kaum hörbaren Schritte im Flur zu achten. Allerdings machte Erik es ihm leicht, denn das Klicken des Lichtschalters im Bad war nicht zu überhören. Nachdem Rob ein zweites aus dem Flur vernahm, musste Erik im Türrahmen zum Schlafzimmer stehen.
Sicher war Rob sich nicht. Das aus dieser Unsicherheit resultierende Prickeln in seinem ganzen Körper spornte ihn jedoch nur noch mehr an. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend beschleunigte sich Robs Herzschlag auf ein geradezu peinlich hohes Tempo. Er musste sich zwingen, die Hände ruhig zu halten, während er am Knopf der Hose herumfingerte, um diesen endlich aufzubekommen.
Für einen Moment zuckte der wahnwitzige Gedanke durch seinen Kopf, dass er Erik um Hilfe bitten könnte. Aber dafür hätte Rob ja den Mund aufbekommen und irgendetwas sagen müssen. Andererseits hatte die nonverbale Einladung im Bad ebenso funktioniert.
Mit durchgedrückten Knien beugte Rob sich vor, um die Hose über seinen Po und die Beine hinabzuschieben. Hinter sich konnte er das erhoffte leise Stöhnen hören. Glücklicherweise hatte Rob den Kopf gesenkt, andernfalls wäre das Grinsen, das sich in diesem Moment auf seinen Lippen zeigte, reichlich verräterisch gewesen.
„Du bist ein fieser Mistkerl“, grollte es von der Tür her.
„Ach ja?“, gab Rob zurück – darum bemüht, seine Stimme gelassen klingen zu lassen.
Als er über die Schulter zu Erik sah, begann diese ohnehin nur gespielte Gelassenheit aber prompt ins Wanken zu geraten. Selbst im nur schummrigen Schein der Nachttischlampe konnte Rob ihn sehen – den Hunger in Eriks Augen. Die wild in alle Richtungen abstehenden, kurz geschnittenen blonden Haare taten ihr Übriges, um den rebellischen Anblick zu verstärken. Ein zu verführerisches Bild, das Rob nur mit einem ungewohnt zittrigen Atemzug ertrug.
„Niemand zwingt dich, zu bleiben.“
Erik fuhr unübersehbar zusammen. Einen Augenblick lang war sich Rob nicht sicher, ob er zu weit gegangen war. Im nächsten knallte er mit dem Rücken gegen den Spiegel des Kleiderschranks. Eriks Nase war keine drei Zentimeter von seiner eigenen entfernt. Ein Blick so düster und voller Emotionen, dass es diesmal kein simples Prickeln mehr war, das durch Robs Körper jagte.
Das war der Erik, den er sehen und spüren wollte.
Unter normalen Umständen wäre das der Moment gewesen, die vorlaute Klappe zu halten. Rob hatte zu oft die Erfahrung gemacht, dass sein loses Mundwerk ihn in Schwierigkeiten brachte. Besonders, wenn er seine Gegenüber nicht gut genug kannte. Eigentlich sollte genau das auf Erik ebenso zutreffen. Was wusste er schon über den Jungen?
‚Mann.‘
Ein introvertierter Hitzkopf mit dominant aggressiven Tendenzen, der nicht selten erst handelte und anschließend nachdachte. Während er zu anderen Zeiten definitiv zu viel grübelte und dafür rein gar nichts tat. Jedenfalls nicht das, was Rob genauso wollte wie Erik selbst. So wie jetzt. Andernfalls wäre die Erektion, die da gegen Robs Schritt drückte, garantiert nicht weiterhin durch drei Schichten Stoff von seiner eigenen getrennt.
Erik war noch immer nicht selbstsicher genug.
Rob setzte ein Grinsen auf. Eines von denen, die ihre Wirkung bisher nie bei verfehlt hatten, und wisperte: „Ich dachte, du hattest einen Plan?“
Kaum waren die Worte heraus, wurde Rob noch fester gegen den Schrank in seinem Rücken gepresst. Das zufriedene Stöhnen, das ihm entkam, hätte Rob bei bestem Willen nicht unterdrücken können. Trotzdem war es kaum zu hören. War allerdings nicht sein eigener Verdienst.
Wie schon mehrmals an diesem Abend stahl Erik sich einen weiteren Kuss. Wobei der Begriff nicht wirklich korrekt war, denn Rob gab ihn schließlich bereitwillig her. Akzeptierte nur zu gern das ungeliebte Gefühl einer fremden Zunge, die gegen die seine stieß. Seine Arme legten sich um Eriks Nacken, während Rob die Lippen ein Stück weiter öffnete, den Kuss vertiefte. In Eriks Fall könnte er sich glatt hieran gewöhnen. Ein Beben wanderte durch Robs Körper, als sein Geist dem Rest von ihm bereits drei, vier Schritte vorauseilte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste Erik sich endlich von Robs Lippen. Die Spur an Küssen, die er vom Kinn zum Ohr hinweg zog, fühlte sich merkwürdig vertraut und dennoch fremd an. Der zaghafte Biss in Robs Ohr schoss wie ein Blitz durch seinen Körper. Schwer atmend schloss er die Augen. Einmal mehr drehte Rob den Kopf und hob das Kinn, gab Erik genug Angriffsfläche, um die Seite seines Halses zu erreichen.
„Der Plan“, keuchte Rob.
„Scheiß auf den Plan“, gab Erik knurrend zurück.
Ehe er es sich versah, fand sich Rob mit einem Mal auf dem Bett wieder. Mit an seiner Halsbeuge vergrabenem Gesicht stöhnte Erik gepresst. Eine Mischung aus Knurren und Seufzen, die aus der dunkelsten Ecke dieses breiten Brustkorbs über Rob zu kommen schien.
Mit einem eigenen Stöhnen schlang Rob zunächst die Beine um Eriks Hüfte, bis der seine Position über ihm endlich aufgab und sich im wortwörtlichen Sinne fallen ließ. Rob zog die Arme fester um Eriks Hals, verschränkte sie im Nacken und presste ihn somit in voller Länge an sich. Das Gewicht drückte Rob ins Laken, nahm ihm für einen Augenblick den Atem. Zu schwer, zu groß, zu breit.
‚Perfekt!‘
Wirklich Zeit, sich zu freuen oder auch nur ernsthaft darüber nachzudenken, was er hier tat, hatte Rob jedoch nicht. Stattdessen fühlte es sich an, als wären da überall Hände. Definitiv zu viele, um real sein könnte. Jedenfalls angesichts der Tatsache, dass er hier allein mit Erik lag. In seinem Bett. Fast nackt. Sah man von der Unterhose ab. Die just in dem Moment von Robs Po gezogen wurde, während dessen Anstand hämischerweise schon wieder behauptete, dass Erik schließlich einen Plan hätte.
„So viel zu nur schlafen“, presste Rob erneut reichlich unehrlich heraus.
Immerhin wusste er nach der letzten Woche genau, dass es saudämlich war, Erik zu verunsichern, wenn der endlich zu dem kam, was er so großmäulig ein Jahr lang vor Robs Nase gehalten hatte. Aber die Versuchung war zu groß und somit die Worte heraus, bevor er sich bremsen konnte.
Erik stemmte sich mit den Händen links und rechts von Robs Schultern nach oben und sah ihn einen Moment nur an. Lange hielt er das aber nicht durch.
„Oh, ich hab durchaus vor zu schlafen“, meinte Erik. „Mit dir.“
Dieses freche Grinsen war nicht nur kilometerbreit, sondern darin lag ebenso unglaublich viel Verlangen, dass sich Robs Herzschlag prompt beschleunigte. Glücklicherweise nicht, um Adrenalin durch seinen Körper zu pumpen, sondern einzig und allein dafür, seine Erektion mit ausreichend Blut zu versorgen.
Anders war nicht zu erklären, dass da weiterhin absolut null Fluchtgedanke in Rob aufkam. Dabei hätte ihn die Erfahrung doch lehren sollen, wohin solche Blicken führen konnten. Dass der Hunger allzu oft zu viel wollte. Immer mehr, bis nichts mehr übrig war. Und trotzdem war es genau das, was Robs verdrehtes Hirn wollte. Brauchte. Verlangte.
Rob war einigermaßen stolz darauf, dass seine Stimme so gut wie nicht zitterte, als er entgegnete: „Dafür hast du etwas viel an.“
Eriks Mundwinkel zuckten verräterisch, während selbst das Dämmerlicht nicht das Spitzbübische in seinen Augen verstecken konnte. Dabei wusste Rob nur zu gut, dass das meiste davon seine Einbildung sein dürfte. Romantisch verklärte Bilder einer Welt, die er nur aus Büchern kannte. Aber irgendwie war es Erik. Es gehört zu diesem merkwürdigen jungen Mann dazu, dessen Äußeres so gar nicht mit seinem Inneren übereinzustimmen schien. Meistens wenigstens.
Plötzlich verlagerte Erik das Gewicht auf den linken Arm und zog mit der Rechten Robs Hand zum Kragen des Hemdes hinauf. „Wie wär’s mit etwas Hilfe?“
Zunächst war da wieder so oft dieses hinterhältige Bedürfnis danach, Erik weiterhin zu reizen, ihn hinzuhalten und mit ihm zu spielen. Denn das Versteckspiel machte schließlich einen nicht geringen Teil der unangebrachten Faszination aus. Auch wenn Erik das garantiert nicht bewusst gewesen war. Falls doch, wäre der kleine Verführer ein ziemlich fieser Mistkerl. Aber das traute Rob ihm zugegebenermaßen nicht zu. Nein, Erik war sich seiner Wirkung schlichtweg nicht bewusst. Noch nie gewesen. Und vielleicht würde er das auch nie sein. Was ebenfalls seine Vorteile hätte.
Im Moment war Rob diese Unwissenheit jedenfalls nur recht. So fiel das leichte Zittern seiner Hand, als er den ersten Knopf durch das Knopfloch drückte, hoffentlich nicht auf. Zumindest wäre es in diesem Fall weniger peinlich. Vielleicht. Oder auch nicht. Weil das hier am Ende womöglich doch eine saudämliche Idee war. Eine, die Rob diesmal zu viel kosten könnte.
Er hielt für eine Sekunde inne und schloss die Augen. Wenn er jetzt selbst unsicher wurde, würde der vermaledeite Anstand wieder hervorkommen und das alles beenden. Dieses ‚etwas‘, das Rob auf keinen Fall tun sollte. Weil es ihn im schlimmsten Fall zur Abwechslung nicht nur körperlich an den Rand des Ruins bringen würde.
‚Erik ist anders‘, schoss es Rob sofort durch den Kopf.
„Alles in Ordnung?“
Rob rang sich ein Lächeln ab und nickte. „Natürlich“, gab er heiser zurück, öffnete die Augen und wandte sich dem nächsten Knopf zu.
Kurz darauf waren die endlich alle offen. Robs Herz schlug ihm aber auch jetzt noch bis zum Hals. Da war ein schwarzes Loch in seinem Bauch, das mit jeder Sekunde größer zu werden schien. Seine Hände zitterten, während er sie an Eriks Körper hinabgleiten ließ. Harte Muskeln im Brustbereich. Als Rob mit dem Daumen über eine der Brustwarzen strich, zuckte Erik kurz zusammen.
Ein Keuchen, bei dem Rob sich nicht sicher sein konnte, wem es entkommen war. Es wurde immer schwerer, überhaupt etwas über das Rauschen in seinen Ohren hinweg wahrzunehmen. Robs ganzer Körper vibrierte förmlich im Einklang damit. Ein Pulsieren, das er selbst in den Fingerspitzen fühlte. War das sein Herz, das da so raste, oder Eriks?
Rob ließ seine Hände weiter wandern. Zunächst die deutlich sicht- und spürbaren Umrisse des pectoralis majors entlang. Fast die ganze Woche schon hatte es ihn in den Fingern gejuckt, diesen Weg wenigstens einmal nachzuzeichnen. Etwas, das er natürlich niemals getan hätte. Verboten. Falsch. Gegen jede Regel, die Rob sich in den vergangenen Monaten förmlich hatte einhämmern müssen.
Aber das spielte keine Rolle mehr.
‚Kein Schüler. Nur ein Mann.‘
Das klang dermaßen falsch, dass Rob gar nicht hätte sagen können, was genau daran alles nicht stimmte. Denn schließlich war es wahr. Erik war weder sein noch überhaupt irgendein Schüler. Und dass er ein Mann war, konnte nun wirklich niemand bestreiten. Ein grollender Laut entkam Rob. Erik entging er nicht, brachte aber diesmal kein Grinsen, sondern ein zufriedenes Lächeln hervor.
Ohne etwas zu sagen, richtete Erik sich auf und ließ das Hemd von den Schultern gleiten. Dass der hinterhältige kleine Verführer sich Rob dabei demonstrativ in den Schoß setzte und übertrieben heftig hin und her rutschte, war garantiert kein Zufall. Nein, das war volle Absicht. Aber im Gegensatz zu dieser Nacht vor ein paar Tagen, als Erik schon einmal dort saß, brauchte Rob sich nicht mehr zusammenzureißen.
„Wenn du da noch lange herumwackelst, hat sich der Rest der Nacht demnächst erledigt“, zischte Rob entsprechend gereizt.
Als er Eriks Hüfte packte und sie runterzog, während er gleichzeitig nach oben stieß, war die Unsicherheit auf Eriks Gesicht zurück. Da war zusätzlich etwas anderes. Ein neugieriges Flackern in Eriks Augen, das prompt einen Funken in Robs eigene Eingeweide sandte.
Aber für diesen Abend hatte Rob weder den Nerv noch die Geduld, näher erkunden zu wollen, was genau es war. Was es hieß oder bedeuten konnte. Schon wieder stieg dieses alberne Gefühl der Hoffnung in ihm auf. Diesmal darauf, dass es noch mehr als nur eine Gelegenheit geben würde, herauszufinden, welche Ausdrücke er Erik alles auf das Gesicht zaubern konnte.
Den einen oder anderen verführerischen Blick hatte Rob ja in den vergangenen Tagen bereits kennenlernen dürfen. Zusätzlich zu den frechen, ungehobelten oder glattweg feindseligen Blicken, die Erik ihm im Verlaufe des zurückliegenden Schuljahres gezeigt hatte.
Dessen Hände fühlten sich merkwürdig warm an, während sie sich um Robs Handgelenke schlossen. Diesmal konnte er den Drang, sich loszureißen allerdings kaum unterdrücken. Der schlagartig weiter beschleunigte Herzschlag hatte in diesem Fall leider so gar nichts mit Erregung oder Vorfreude zu tun. Dennoch kämpfte Rob darum, den Griff zu ertragen. Sekundenbruchteile später war dieser jedoch bereits verschwunden.
Verwundert blickte Rob auf und sah Erik ins Gesicht.
„Entschuldige“, murmelte der. Sein Gesichtsausdruck mit einem Mal nicht mehr verschmitzt, sondern ernst.
Rob konnte nicht anders, als zu lächeln. Vielleicht war Erik ja am Ende doch gar kein so schlechter Gedankenleser. „Es ist nichts“, gab er rasch zurück.
„Sicher?“
Anstatt zu antworten, senkte Rob seine nun freien Arme und griff beherzt zum Knopf an Eriks Hosenbund. Während es in seiner Brust erneut vor Aufregung hämmerte, öffnete er nach diesem auch noch den Reißverschluss.
„Ich nehme das einfach als ‚ja‘“, fügte Erik mit einem zögerlichen Lächeln hinzu.
Anstatt brav auf Robs Schoß sitzen zu bleiben, ging Erik anschließend wieder auf alle viere, kniete über Rob und sah zufriedenen auf ihn herab. Das Lächeln wurde noch ein Stück breiter, nachdem Rob die Hose endlich über Eriks Po schob.
Weiter kam er jedoch aus dieser Position nicht, was beinahe zu einem frustrierten Schnauben geführt hätte. Das verkniff Rob sich allerdings gerade noch rechtzeitig. Allzu viel Angriffsfläche wollte er Erik nicht geben. Der schien schließlich weiterhin zum Spielen aufgelegt zu sein. Das fand Rob zwar an sich anregend. Für heute war er allerdings zu müde, um dabei lange mithalten zu können.
Ein Prickeln fuhr mit einem Mal seine Wirbelsäule entlang. Es dauerte jedoch ein paar Sekunden, bis Rob klar wurde, was es ausgelöst hatte. Die Tatsache, dass er den Finger, der quer über seine Brust fuhr, eigentlich nicht spürte und er dennoch Robs eigenen Körper zum Beben brachte, ließ seinen Puls rasen.
Rob wusste genau, dass der Finger da war. Ab und zu fuhr er über eine Stelle, an der die Nervenenden bis heute Informationen in Richtung Hirn schickten. Jede einzelne davon fühlte sich an, als würde ein Blitz durch seinen Körper fahren. Keuchend streckte Rob den Rücken durch – in der Hoffnung, mehr davon zu bekommen.
Aber Erik hatte andere Pläne. Welche, denen Rob durchaus recht schnell etwas abgewinnen konnte. Warme, feuchte Lippen, die zunächst über seinen Bauchnabel geführt wurden, um von dort der schmalen Spur schwarzer Härchen weiter abwärts zu folgen. Und endlich bekam danach auch Robs Erektion die Aufmerksamkeit, die sie gefühlt seit einer Ewigkeit verlangte. Ein leises Lachen ertönte zwischen Robs Beinen – ließ ihn die Augen wieder öffnen. Alles, was er sah, war jedoch die Zimmerdecke über ihm. Eriks Kopf war weiterhin verschwunden.
‚Gott sei Dank.‘
In Robs Ohren rauschte das Blut, durchsetzt mit einem leisen Klingeln, das jedes andere Geräusch auszublenden schien. Jedenfalls wenn man von Eriks Stimme absah. Und dessen stoßweisem Atem. Aber womöglich war das ja eher Robs eigener.
Würde zumindest erklären, warum er tatsächlich etwas davon mitbekam, als Erik plötzlich feixend meinte: „Ich hab doch gesagt, dass ich schon dafür sorgen werde, dass du bekommst, was du willst.“
Der freche Tonfall ließ ein weiteres Mal etwas in Rob vibrieren. Ehe er es sich versah, hatte er bereits Eriks Kopf zurück in seinen Schritt gepresst und zischte: „Warst du da nicht gerade gut beschäftigt?“
„Hm ...“, brummte Erik, machte aber glücklicherweise an der Stelle weiter, wo er kurz zuvor unterbrochen hatte.
Mit einem verhaltenen Seufzen schloss Rob erneut die Augen. Seine Hände behielt er aber vorsichtshalber auf den kurzen blonden Haaren, die sich zusammen mit dem dazugehörigen Kopf erneut bewegten. Langsam. Stetig. Auf und ab – immer wieder. Mit einer Ruhe, die Rob selbst im Augenblick nicht einmal ansatzweise hätte aufbringen können. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, während das ursprünglich sanfte Prickeln in seinem Körper zu einem nur zu bekannten Pulsieren wurde.
Stoßweiser Atem, der sich förmlich aus Robs Brustkorb herausdrängte. Er biss sich auf die Lippe, um das Stöhnen zu unterdrücken. Kein Gedanke in seinem Kopf, kein Zweifel, keine mahnende Stimme, die ihn daran erinnerte, als wie dämlich sich das, was er hier tat, am nächsten Morgen herausstellen würde. Da waren nur er selbst und Erik. Die Lippen, die ihn kontinuierlich einem deutlich zu frühen Höhepunkt entgegentrieben und damit einfach nicht aufhörten. Aber Rob hätte es ja ohnehin nicht stoppen wollen. Weder das Prickeln noch das Pulsieren oder gar das Rauschen des Blutes in seinen Ohren.
Mit einem Mal packte Rob den Kopf zwischen seinen Beinen und zog ihn zu sich nach oben. Gleichzeitig spannte er die eigenen Bauchmuskeln an, um Erik entgegenzukommen. Der sah ihn überrascht an – das strahlende Blau einer Lagune in den Augen, in der Rob nur noch versinken wollte. Er ließ sich zurückfallen und zog Erik damit auf sich drauf.
Der versuchte zwar sich abzustützen, scheiterte jedoch. Glücklicherweise. Das deutlich schwerere Gewicht presste Rob in die Matratze, die Luft aus seinen Lungen – und jeden möglicherweise vorhandenen Gedanken beiseite. Während sich Eriks Griff um Robs Erektion für einen Moment verstärkte, stürzte es ihn damit endgültig über die Kante des Turmes in die Tiefe.
Keuchend und nach Atem ringend klammerte Rob sich förmlich an Eriks Hals. Die Augen fest verschlossen, versuchte er dieses Hochgefühl so lange wie möglich auszukosten. Aber wie so oft verschwand es viel zu schnell wieder. Trotzdem war da ein leises Lachen, das Robs Brust kurz darauf entkam. Erik stemmte sich nach oben, befreite sich dabei aus Robs Umklammerung und sah ihn mit einer absolut irrwitzig erscheinenden Mischung aus Unsicherheit und Zufriedenheit an.
„Du hattest recht“, keuchte Rob schließlich zwischen zwei schnaufenden Atemzügen.
„Womit?“
„Dein Französisch ist gar nicht so übel ...“