„Herrin. Die Wenzon halten die Furt.“. Nian sah auf und betrachtete den jungen Mann. Sie trat an die Karte.
„Aufstellungen? Wer führt sie an, der Generalstab?“, befahl sie.
Der Rebell trat zu ihr und tippte auf die Karte.
„Sie haben ihre Truppen südlich und nordöstlich des Dorfes Gerui aufgestellt. Der rechte Flügel hält eine Anhöhe nördlich des Dorfes Gerui, diese wurde mit einer Schanze verstärkt, dann eine Senke, wo sich zwei weitere Schanzen befinden. Im Süden wird das Gelände durch einen Wald abgeschlossen. Angeführt werden sie von Tanju, Generalquartiermeister ist Endju, Verbindungsoffizier Hanu und erster Adjutant ist Nolching.“.
Nian beschriftete die Karte mit Fähnchen.
„Tanju? Ich habe noch nie von ihm gehört.“.
„Er ist jung, Herrin. Der Sohn von Wan. Er soll ein kaisertreuer Mann sein und ein guter Offizier.“.
Nian hörte ihm schon nicht mehr zu.
„Ruf die Generäle zusammen und bring mir die Aufzeichnungen über ihre Truppenstärke“, befahl sie und betrachtete nachdenklich die Karte.
Wenig später saßen die Generäle beisammen. Nian hatte verantwortungsbewusste Männer mit Erfahrung ausgewählt.
„Diong soll einen Ablenkungsangriff gegen Gerui führen, aber der wahre Angriff geht gegen ihre Mitte, General Sanju soll ihn anführen, während General Achkjon ihren linken Flügel umgehen soll und ihnen in den Rücken fallen soll.“, eröffnete sie ihnen und verdeutlichte ihre Pläne mit Hilfe der Karte.
„Das ist gut.“, erklärte Diong, den sie zu einem ihrer Generäle gemacht hatte.
„Es wäre mir lieber, wenn wir ihre Stellungen umgehen könnten, aber das können wir nicht, da dies die einzige Furt ist. Ein anderer Weg würde zu viel Zeit kosten und dem Heer die Zeit geben von Niing nach Cesing zu ziehen.“.
„Ihr müsst eure Entscheidung nicht rechfertigen.“, erklärte Sanju, ein alter, erfahrener General, der schon unter Dioargchies Vater gedient hatte. „Allerdings müssen wir aufpassen, dass General Achkjon nicht eingekesselt wird, durch das Heer südlich von Gerui und das Heer in Gerui.“.
„Richtig!“, erwiderte Achkjon, „Wie sieht es mit ihrer Bewaffnung aus?“.
„Etwa dreihundert Mann Infanterie, einhundert Mann Kavallerie. Sowohl Infanterie als auch Kavallerie sind mit Bögen bewaffnet und die Wenzon sind die bestausgebildeten Männer des ganzen Kaiserreiches.“.
„Acheving hat aus seinen Fehlern gelernt.“, knurrte Sanju.
„Was sie gefährlich macht, ist die Kavallerie.“, mischte Fanjong sich ein, „Wenn sie sie geschickt einsetzen, können sie uns vernichten, da wir keine Reiter besitzen.“.
„Und deshalb müssen wir die Männer mit Bögen und mit Yueyachan ausrüsten, damit sie – sobald die Kavallerie angreift – Karrees bilden können. Aber ich kenne die Generäle und ihre Taktiken nicht. Ich wüsste wie Wan oder Naichie handeln würden, aber nicht wie Tanju seine Aufstellungen wählt.“.
„Wahrscheinlich hat Acheving das mit Absicht gemacht.“.
„Natürlich hat er das.". Nian seufzte. Sie wollte nicht gegen diesen Mann kämpfen, der in letzter Zeit das Schicksal der kaiserlichen Armee in die Hand genommen hatte. „Gibt es noch Anmerkungen?“. Die Generäle verneinten.
„Heute Nacht überqueren wir den Fluss und am Morgen greifen wir an.“.
Nian stand auf und nickte ihren Generälen zu.
In den frühen Morgenstunden überquerte das Heer der Rebellen den Fluss. Nian spürte die Anspannung der Männer, als sie ihre Stute durch den Fluss trieb. Es war das Gefühl, das sie zu gut kannte, das Gefühl, das jedes Mal vor der Schlacht auftauchte. Ihre Hand umfasste ihren Schwertgriff, die Narben erinnerten sie an all die vergangenen Schlachten. So viele hatte sie schon geschlagen, nur dass sie jetzt gegen die Truppen der Kaiserin kämpfte, einer Kaiserin, der sie einst die Treue geschworen hatte. Es war ihr nie leicht gefallen, sich so zu entscheiden, aber jetzt gab es kein Zurück. Die Wegkreuzung war unerreichbar geworden, sie durfte nicht verlieren.
Pfeile zischten über sie hinweg und Blut färbte das Wasser rot. Die Schlacht hatte begonnen. Männer rechts und links von ihr fielen ins Wasser und wurden von der Strömung davon getrieben. Schreie durchbrachen die Stille, was die feindlichen Bogenschützen aber nicht zum Aufgeben bewegte. Im Wasser gab es keinen Schutz, außer den feinen Nebelschwaden, aber die Geräusche des plätschernden Wassers verrieten das Heer sowieso.
Endlich erreichten sie das Ufer. In der Ferne ging die Sonne auf und färbte den Himmel blutrot. Blutrot, an diesem Tag würde viel Blut fließen. Nian erkannte die Schanzen, die Tanju erbaut hatte. Es waren nur vierhundert Mann, die insgesamt dahinter standen und dennoch würde die Einnahme der Schanzen viel Blut kosten.
Aber schon jetzt griffen Tanjus Männer an. Es waren leicht bewaffnete Fußtruppen, die nur Wurfspeere sowie ein Schild bei sich führten. Sie näherten sich bis auf Wurfnähe und warfen dann ihre Waffen, die Tod und Verderben unter Nians Männer brachten. Die Männer, die grade das Ufer erklommen, hatten keine Möglichkeit sich mit ihrem Schild gegen den Angriff zu wehren. Noch mehr Blut färbte das Wasser und sammelte sich in Pfützen auf der Erde. Bevor Nians Truppen die Feinde erreichen konnten, zogen sich diese zurück und verschwanden hinter den Schanzen.
Ihre Männer marschierten weiter, bis erneut Schreie laut wurden.
„Krähenfüße?“, fragte sie Sanju, der neben ihr ritt.
„Krähenfüße.“, bestätigte dieser. Die Waffen, die meistens noch nicht einmal größer als eine Handspanne waren, waren durch ihre Spitzen und Widerharken dem Vormarsch von Nians Truppen hinderlich. Viele Männer waren durch die Eisenspitzen, die sich in die Füße bohrten, kampfunfähig.
Endlich gelang es ihr, ein Lager aufzuschlagen.
Sie beobachtete wie Diongs Männer abmarschierten, um das kleine Dorf Gerui anzugreifen, das nun ins Zentrum einer Schlacht rücken würde. Sanjus Männer, die einige Stunden später auf die Schanzen zu marschierten und Achkjon, der das feindliche Heer zu umgehen hatte, um es von hinten zu zerschlagen.
Nian selbst stand auf einem Hügel und beobachtete die Truppenbewegungen, ließ sich über Niederlagen und Gewinnen berichten. Bei ihr befand sich die Reserve, die dort einzugreifen hatte, wo sie gebraucht wurde.
Sanju sah die Schanze vor seinen Augen auftauchen. Ein befestigter Wall, wie viele Männer sich wohl dahinter verbargen? Und vor allem: wo stand die Kavallerie? Sanju wandte sich zu seinen Männern um. Sie waren mit Degen und Bögen, sowie Yueyachan oder Speeren und einem kleinen Rundschild bewaffnet. Schwere Bewaffnung, aber sie war nötig, da sie sich sowohl gegen Pfeile, die Schwerter der Infanterie, sowie die Speere der Reiter wehren mussten.
„Zum Angriff.“, befahl er und trieb seinen Wallach an, ein Privileg als General. Die Männer marschierten vorwärts, während ein Teil der Männer sich auf einem Hügel aufgestellt hatte.
„Pfeile!“.
Ein Regen aus Pfeilen ergoss sich über die Schanzen und Schmerzensschreie hallten zu ihnen herüber. Eine weitere Welle aus Pfeilen erhob sich in die Luft, dann erwiderte die kaiserliche Armee den Beschuss. Sie zielten auf die Marschierenden, die sich die Schilde schützend über die Köpfe höben. Und dennoch fanden viele ihr Ziel, die Rebellen waren nicht gut genug mit Leder und Metall ausgerüstet, um den Pfeilen zu widerstehen. Sanju trieb sein Pferd den Hügel herunter und ritt an die Spitze seiner Männer. Pfeile jagten hin und her, durchbohrten Stoff, Erde und Fleisch. Dann erreichten sie die Schanzen. Angespitzte Speere sollten als Behinderung dienen und jetzt war Sanju froh, dass er keine Kavallerie anführte. Die Männer achteten darauf, nicht in die Spitzen zu fallen und so wurden nur wenige Opfer der Speere. Problematisch war der stetige Pfeilregen. Schreie kamen von beiden Seiten und Blut machte den Boden schlüpfrig. Überall lagen Leichen. Die ersten Männer erklommen die Schanze und wurden Opfer der Speere, die die Gegner auf einmal hochhielten. Dann brachen die ersten Schwertkämpfe aus. Sanju hob sein Schwert und parierte die Klinge eines Gegners, er kämpfte schon lange nicht mehr zu Pferd.
Stunden wog der Kampf hin und her, das was blieb, waren die Toten auf beiden Seiten. Endlich wich die kaiserliche Armee zurück und überließ die Schanze Sanju und seinen Männern, die sogleich begannen dem abrückenden Heer Pfeile hinter her zu schicken.
Es warteten noch zwei weitere Schanzen auf sie.
„Lasst die Verluste zählen, die Verwundeten versorgen und Nachricht an Nian schicken.“, befahl er einem ihrer Männer. Dann begann er sein Heer neu zu ordnen.
Diong zügelte seinen Hengst und betrachtete das Dorf Gerui nachdenklich. Einfache Häuser, aber von ihren Bewohnern fehlte jegliche Spur. Der Wind ließ einige Fensterläden klappern und eine Katze strich um eine Ecke, aber ansonsten rührte sich nichts. Es war eine Falle, todsicher. Seine Männer marschierten dennoch unbeirrt weiter, gehorchten ihren Befehlen, die Waffen gezogen.
„Zurück.“, schrie er, als er das Öl erkannte, das den Boden tränkte. Aber die Brandpfeile waren zu schnell, als das die Männer reagiert konnten. Flammen schossen aus der Erde und das Feuer fraß sic gefräßig weiter, hungrig, zerstörend. Diong spürte die Hitze in seinem Gesicht, sein Hengst stieg und wich von den Flammen zurück. Die vorderen Reihen seiner Männer standen in Flammen, der Geruch von verbrannter Kleidung und Fleisch füllte die Luft und ließ Diong würgen.
„Wasserträger.“, befahl er. Die Rebellen waren für solch einen Angriff nicht unvorbereitet, es gab eine Gruppe, die allein mit der Aufgabe betraut war, Wasser für solche Fälle herbei zu schaffen. Es zischte, als das Wasser auf die Flammen traf. Für die brennenden Wesen, die einst Menschen gewesen waren, war es längst zu spät. Diong versuchte auch nicht, sie zu retten, es galt den Weg, für das Heer frei zu machen. Eine Welle Von Pfeilen zischte über ihn hinweg und die Schmerzensschreie verkündeten, dass sie ihr Ziel gefunden hatten. Ungeachtet der sich vor Schmerzen am Boden Windenden, setzen sie ihren Weg fort. Und jetzt stürmten ihre Gegner herbei. Diong hob sein Schwert und parierte einen Schlag. Er trat mit dem Fuß nach seinem Gegner und traf ihn an der Kniescheibe. Stöhnend knickte er ein und Diong erledigte ihn. Dann kam der nächste Gegner auf ihn zu.
Es waren Stunden, Stunden, in denen seine Arme taub wurden und Blut seine Rüstung tränkte. Es war ein Kampf um jedes Haus, dieses winzigen Dorfes. Von den Bewohnern hatten sie keinen einzigen erblickt, vermutlich waren sie geflohen, aber dafür sahen sie umso mehr Soldaten. Obwohl es nur dreihundert Soldaten insgesamt waren und bei ihnen nur ein kleiner Teil war, schienen sie nicht weniger zu werden. Während von ihnen gefühlt hunderte starben.
Aber nach und nach trieben die den Feind zurück.
„Wie sieht es aus?“. Nian sah von ihren Karten auf. Sie befand sich auf einem Hügel nahe des Flusses und beobachte die Schlachten aus der Ferne. Bei ihr befand sich ebenfalls die Reserve. Sie strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und sah auf. Es war einer ihrer Adjutanten.
„Gut.“, erklärte sie, „Diong hat Gerui eingenommen, er meldet mäßige Verluste. Sanju hat die erste Schanze eingenommen und bittet um Unterstützung für den entscheidenden Durchbruch.“.
„Achkjon?“.
„Er hat den linken Flügel zurückgedrängt, kann aber durch den Pfeilhagel und das dichte Buschwerk nicht durchdringen und von Süden die Schanzen angreifen.“.
„Damit hat sich eure Falle erledigt.“.
„Ja.“. Nian nickte, „Achkjon soll Diong zur Hilfe komm, um die Truppen dort einzukesseln. Fanjong führt einen Teil der Reserve zur Unterstützung von Sanju heran.
Tanju betrachtete die Karte. Er hatte schon, als er diese Aufgabe angenommen hatte, gewusst, dass er nicht für einen Sieg kämpfte. Seine Männer waren gut ausgebildet. Von der Qualität waren sie viel besser als die Rebellen, aber es war die Quantität weswegen seine Truppen zurückgedrängt wurden. Nian hatte eine schier unendliche Anzahl an Männern zu Verfügung, während für ihn keine Unterstützung kommen würde.
„Herr? Wir erwarten Eure Befehle, Herr.“.
„Schickt die Kavallerie zur Unterstützung des linken Flügels, sie dürfen dort nicht durchbrechen.“.
Pferdewiehern. Diong wich vor einer Schwertklinge zurück, rutschte fast auf dem Blut aus und sah auf.
„Karrees bilden!“, schrie er, seine Stimme überschlug sich fast. Aber wie sollten seine Männer zwischen den Häusern Karrees bilden? Natürlich war es unmöglich. Sie stellten sich halbherzig zusammen und hoben die Speere, aber es war längst nicht genug, um die Reiter aufzuhalten, die wie Dämonen unter sie fielen. Was machte die Kavallerie hier? Denn wenn sie hier war, dann waren sie im Süden durchgebrochen, dort wo Achkjon eigentlich stehen sollte. Was war geschehen? Entweder hatte der General sich zurückgezogen oder er war vernichtet worden. Beides waren keine angenehmen Vorstellungen. Verdammt! Diong hustete den Staub und Blut aus. Irgendwo war er verwundet worden. Er konnte seine Verletzungen längst nicht mehr zählen.
Er sah auf und was er sah, erschreckte ihn. Er sah viele Tote, die die einfache Kleidung der Rebellen trugen aber es waren nur wenige zu sehen, deren Brust das Wappen der Kaiserin schmückte. Und seine Männer wurden zurückgedrängt. Der Gedanke an den Sieg war wieder in die Ferne gerückt, die Hufe der Pferde hatten ihn zerschlagen.
Diong hob sein Schwert, wehrte den Schlag eines Reiters ab und spürte einen schmerzhaften Stich als die Waffe seine Schulter streifte. Und dennoch griff er nach den Zügeln des Pferdes, für einen Moment wurde er mitgeschleift, doch dann gelang es ihm, sich hochzuziehen. Auf einmal saß er hinter dem Reiter auf dem Pferderücken. Fast wäre er abgerutscht, schaffte es dann aber doch, sich am Sattelleder festzuhalten. Das Schwert löste sich aus seinem Griff und fiel klappernd zu Boden. Diong griff nach seinem Messer und wollte es dem Mann in die Seite stechen, scheiterte aber an dessen Rüstung. Für einen Moment rangen sie um dieses Messer, dann entglitt auch diese Waffe Diongs schwitzigen Fingern. Er fiel in die Dunkelheit.
„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“. Der Wasserkrug ergoss sich bei Nians Schlägen über den Tisch und eilig brachte sie ihre Papiere in Sicherheit. Die Kavallerie hatte Diongs Armee in die Defensive gedrängt und da von Achkjon immer noch keine Nachricht gekommen war, war so gut wie gewiss, dass seine Armee vernichtet und verstreut war. Diong konnten sie allerdings noch retten. Von Sanju dagegen war gute Nachricht gekommen, die Schanzen waren allesamt erobert, allerdings sammelte sich die Infanterie des Feindes erneut und es war ein Gegenangriff zu befürchten.
„Sanju soll Diong von den Schanzen unterstützen.“.
„Herrin. Ist es sinnvoll, Sanjus Armee zu teilen, wo er so kurz vor dem Ziel steht? Sollte Diong sich nicht lieber zurückziehen und Sanju an den Schanzen unterstützen, damit dort ein Durchbruch zu erlangen ist?“.
„Sanju wird Diong von den Schanzen her unterstützen.“, beharrte sie. „Das Dorf muss gehalten werden, damit Sanju nicht von zwei Seiten kämpfen muss.“.
Dass die kaiserlichen Armee die Schanzen die ganze Zeit an zwei Seiten verteidigt hatte, nahm sie nicht wahr. Sie sah nur, dass Diong in Gefahr war.
„Endlich! Sie hat einen Fehler gemacht.“. Tanju nickte zufrieden. „Sanju hat sein Heer geteilt. Ein Teil zieht zur Unterstützung des Dorfes Gerui nach Westen, während der Rest weiterhin gegen unsere Truppen im Süden kämpft. Hier.“. Er deutete auf die Karte und sah seine Generäle an, „Ist eine Lücke zwischen den beiden Heeren geschaffen, ein Teil der Schanzen der kaum verteidigt ist, dort werden wir durchbrechen und die beiden Heere einzeln schlagen.“.
Sanju wich zurück. Damit sein Heer nicht vernichtet wurde, zog er sich zurück und überließ die beiden südlichen Schanzen dem Gegner. Warum schickte Nian keine Unterstützung, sondern behielt die Reserve bei sich? Sanju verstand es nicht, jetzt wäre der Moment zur Vernichtung des Feindes gewesen. Seine Soldaten waren abgekämpft, hunderte lagen reglos in der Senke und an den Wällen. Die Sonne hatte den Zenit schon hinter sich gelassen, als Sanju zurück wich. Stunden hatte er gekämpft, viele Männer geopfert für die Eroberung der Schanzen.
„Das Dorf ist wieder in unserem Besitz.“, versuchte einer seiner Offiziere, ihn seelisch zu stärken.
„Aber was nutzt uns Gerui, wenn der Feind die Schanzen hat und jeden der das Dorf verlassen will, einfach niederschießt, solange der Vorrat an Pfeilen reicht?! Es sind die Schanzen, die den Sieg bringen werden, nicht das Dorf, denn mit der Zeit dürfen wir nicht spielen.“.
Er sah sich um. Seine Männer, die eine Pause brauchten, die er ihnen nicht verschaffen konnte.
„Wir greifen jetzt an. Jetzt, wo Tanju damit rechnet, dass wir uns zurückziehen.“, murmelte er. „Zum Angriff!“. Seine Stimme hallte über das Schlachtfeld und kam selbst bei dem hintersten seiner Männer an. Sie mussten jetzt kämpfen, jetzt, wo sie noch eine Chance hatten und die Sonne noch hoch am Himmel stand.
Mit dem Mut der Verzweiflung stürmten die Männer den Abhang herab, während die Bogenschützen beider Seiten sich einen Schlagabtausch lieferten. Die Senke zwischen den drei Schanzen wurde zum Treffpunkt der beiden Heere. Schwerter klirrten, Pferde wieherten, Menschen schrieen, Bogensehnen sirrten. Seine Männer hatten Karrees gebildet, Karrees an denen die Kavallerie nichts ausrichten konnte. Die Infanterie des Feindes dagegen existierte nicht mehr, zumindest nicht an diesem Ort. Entweder lag sie tot auf dem Boden, verteidigte die Schanzen oder sie kämpfte an der anderen Front.
Sanju stieß mit seinem Speer nach links nach rechts, kreuzte das Schwert mit einem Kavalleristen, der einer Kavallerie angehörte, die längst keine geschlossene Linie mehr bildete. Die Karrees hatten ihre Wirkung getan, die Kavallerie war verstreut. Die Speere und Yueyachan hatten die Pferde abgeschreckt. Ein Lachen entrang Sanjus heiserer Kehle. Die Kavallerie wich zurück.
„Vorwärts!“.
Die Männer lösten die Karrees auf und marschierten in Linien, während die Pfeile über ihnen hinweg sirrten und Lücken in die Linien rissen. Sie rannten die Wälle hinauf und kreuzten ihre Schwerter. Es waren Stunden, die sie hier standen, vor und zurück wichen, aber endlich, endlich wich der Feind zurück. Die Schanzen waren wieder die seinen. Doch dieses Mal stoppte er nicht, sondern sie folgten der Armee und vertrieben sie vollends. Die Armee von Tanju, die bestausgebildete Armee, die Sahres je gesehen hatte, ließ in wilder Flucht das Schlachtfeld hinter sich. Ein Sieg, aber er war teuer bezahlt.