Unbekannter Tag
Wut brennt heiß und schnell. Hass glüht und kokelt, bis er im richtigen Moment ausbricht. Ärger brennt nicht ganz so heiß, dafür flächendeckend und in sattem Orange. Die Flammen von Selbsthass haben eine giftige, grüne Färbung.
Ich kenne tausend Arten von Feuer. Meine Gefühle sind mein Zunder und meine Energiequelle. So haben es mir die Funken geflüstert. Ich verbrenne die schwarze Leere, in der ich gefangen bin.
Ich erschaffe eine Landschaft aus Feuer. Helle, gleißende Leuchtfackeln wie Bäume, Berge aus glimmender Kohle, Meere und Wiesen aus Flammen. Die Luft ist mit Funken erfüllt.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich hier verbracht habe. Es gibt weder Tag noch Nacht in dieser Welt. Ich schlafe nicht. Ich wandere durch das Feuer und suche.
Es muss einen Ausgang geben. Wie ein gefangenes Tier hinter Gittern durchschreite ich meinen Käfig. Ich habe das Ende meiner Welt gefunden – eine schwarze Wand wie aus Glas, die diesen Ort kuppelförmig umschließt. Das Glas ist gewellt, ich kann nicht erkennen, was dahinter ist. Vermutlich nur unendliche Dunkelheit. Das Glas lässt sich nicht verbrennen, so sehr ich mich bemühe. Jetzt laufe ich am Rand dieses Gefängnisses entlang. Vermutlich bin ich schon unzählige Male im Kreis gelaufen. Doch falls es eine Tür gibt, muss ich sie finden.
Ich werde nicht hier bleiben.
Das Feuer brennt gut auf dem Boden aus schwarzem Obsidian und Feuerstein. Doch irgendwann erlöschen die Flammen. Dann kehre ich zurück und entfache sie von Neuem.
Vielleicht ist das hier die Hölle. Oder es ist mein persönlicher Tartarus und ich habe mit meinem Feuer die Hölle daraus gemacht. Meine Aufgabe bis in alle Ewigkeit ist es, immer von Neuem das Feuer zu entzünden.
Mir ist warm als hätte ich Fieber. Manchmal schmerzt es, das Feuer zu entzünden. Wie ein Stechen im Herzen. Doch ich höre nicht auf. An diesem Ort habe ich unbegrenzte Macht, unbegrenzte Kraft. Ich habe das Gefühl, dass ich mich selbst töte, je mehr Feuer ich zünde. Doch ich will meine Rache.
Viele Tage sind vergangen. Wochen. Monate. Ich habe kein Zeitgefühl. Aber viel Zeit zum Nachdenken. Ich erinnere mich an den Schlag, der mich herbrachte. Die Druckwelle der Magie eines anderen Menschen. Das Gefühl ist in mir so lebendig wie in jenem Moment. Ich kann das Bewusstsein des fremden Magiers spüren. Er hat mich mit aller Kraft seines Geistes angegriffen. Für einen Moment waren wir beinahe verschmolzen. Wie zwei Flammen zu einem Feuer werden.
Ich bleibe stehen und sehe mich um. Überall nur Feuer. Manchmal in grün, in rot, orange, gelb und weiß und blau. So viele Farben, wie die Welt zu bieten hat. Meine Hand verlässt das Glas, an dem ich entlang gegangen bin. Ich folge einem Ruf, das Feuer ruft mich, ruft mir etwas zu.
Ich gehe geradeaus auf die Mitte zu. Dort ist etwas anders. Die Flammen haben etwas entdeckt.
Ich bin an einem Ort, der nicht existiert. Ich sammele Funken um meine Finger. Flammen tanzen auf meinen Armen und auf meinem Rücken wie feurige Flügel. Sie umkreisen meinen Kopf.
Ich bin das Feuer. Ich will meine Rache.
Der andere Magier hat mich hier eingesperrt. Er dachte wohl, dass ich niemals heraus finden würde, doch er hat sich getäuscht.
Ich hebe den Kopf und atme die rauchgeschwängerte Luft tief ein. Mein Herz schlägt im Rhythmus der Flammen. Ich balle die Hände zu Fäusten.
Man kann mich nicht ewig einsperren. Ich finde einen Ausweg. Ich werde zurückkehren und dann wird die Welt meinen Zorn spüren.
Das Feuer brennt. Eine Landschaft aus Hitze, die Luft flimmert. Es regnet weiße Asche, Funken steigen hinauf. Mit jedem Schritt in Richtung Mitte spüre ich den Fremdkörper mehr und mehr.
Es ist kein Feuer in der Mitte. Vielleicht ist das mein Schlüssel zurück ins Leben.
Hitze, Feuer und Rauch. Ich habe alle Gedanken außer Rache aus meinem Kopf verbannt. Sie sollen bezahlen, die Menschen. Für die Kälte in der Welt.
Und der andere Magier wird dafür bezahlen, dass er mich eingesperrt hat.