Im Jahr 2984
Ich warte in dem leeren Raum, die Hände im Schoß. Durch eine Glasscheibe von mir getrennt, als wären wir im Gefängnis, sitzen Tobi, Torben, Kalle, Lars und Sven.
Jeder hat eine kleine Kabine für sich. Eigentlich sind diese Zellen für die Klassenarbeiten, damit wir nicht flüstern können. Wände, Tischplatte und Sitz aus Glas lassen uns keine Geheimnisse.
Jetzt warten wir, bis sich die schwere Tür vor uns öffnet.
Herein kommen drei Männer in schweren Ledermänteln, nass vom Regen und mit grimmigen Gesichtern. Sie tragen Cowboy-Stiefel und -hüte und haben schwere Armbrüste in den Händen.
„Das sind die Jungen“, sagt die junge Erzieherin Nele: „Bei denen ist jede Hoffnung verloren.“
Wir sehen gleichgültig auf die Kopfgeldjäger. Die mustern uns ebenfalls.
„Können sie rennen? Arbeiten?“, fragt einer.
Nele nickt langsam: „Rennen können sie wie die Teufel, alle sechs.“
„Die Teufel“, lacht ein anderer Mann dreckig.
Wir verstehen den Witz daran nicht.
Der dritte Mann hat bisher geschwiegen und uns scharf beobachtet. Offenbar ist er der Anführer Jetzt tritt er vor Svens Zelle: „Hey, Bursche. Schonmal geschossen?“
„Näh“, sagt Sven.
Der große Mann im Ledermantel wirft dem blonden Jungen einen bösen Blick zu: „Das heißt: >Nein, Herr
„Das heißt >Sven
Der Anführer knurrt und sagt: „Dir prügeln wir noch Disziplin ein!“
Sven springt auf und will etwas sagen.
„Still, Krieg“, sage ich mit scharfer Stimme.
Sven klappt den Mund zu und setzt sich sofort. Seine Augen huschen zu mir.
Der Anführer der Kopfgeldjäger sieht mich ebenfalls an: „Krieg? Dieses Bürschchen?“
Sven knurrt etwas Unverständliches. Er ist immer leicht zu reizen. Ich sehe dem Kopfgeldjäger furchtlos entgegen, der zu meiner Zelle kommt.
„Sie haben sich nach den Apokalyptischen Reitern benannt“, erklärt Nele und zieht damit unseren Hass auf sich. Doch die drei Kopfgeldjäger lachen darüber.
„Ihr seid sechs Jungs. Es gibt nur vier Reiter“, spottet der Kopfgeldjäger.
„Ich bin erstaunt, dass ein Mörder so viel darüber weiß“, knurrt Sven düster.
„Es gibt verschiedene Versionen“, antworte ich ruhig. Jetzt stehe ich auf und sehe dem gedrungen Mann in die Augen, der uns gekauft hat.
Er lächelt und offenbar gelbliche Zähne: „Dann schieß' mal los. Welcher Reiter bist du?“
„Ich bin kein Reiter. Ich bin der Sturm, der ihnen vorauseilt“, sage ich mit verschränkten Armen: „Die Reiter Tod, Krankheit, Angst, Krieg und Hunger folgen mir.“
„Du führst sie also an, ja?“, sagt der Mann und mustert mich: „Kannst du auch Befehlen folgen?“
Ich schüttele den Kopf: „Das kann keiner von uns.“
Die drei Kopfgeldjäger lachen: „Störrische Jungs haben Sie da. Keine Sorge, wir kommen mit ihnen klar.“
Geldbeutel wechseln klirrend die Besitzer. Wir tauschen in unseren Glaskabinen Blicke. Am Ende sehe die anderen fünf mich an und warten darauf, was ich tun werde.
Ich trete aus der Kabine, als der Anführer der Kopfgeldjäger mich zuerst befreit, und lasse es zu, dass er mir eine Kette mit Erkennungsmarke über den Kopf zieht.
Was spielt es schon für eine Rolle? Ich weiß doch schon, dass die Welt bald untergeht. Wofür kämpfen?
Die anderen fünf lassen sich nach meinem Vorbild seelenruhig abführen. Nele guckt ein wenig überrascht, bis ich ihr als Abschiedsgeschenk vor die Füße spuke, und die anderen es mir gleich tun.
Jetzt sind wir also Sklaven. Was für eine Karriere.