5. September
Ich hatte schon immer Angst im Dunkeln. Lange Zeit konnte ich nicht ohne Licht einschlafen, aber es kam die Zeit, als der Strom zu teuer wurde.
Die Welt schien immer dunkler zu werden, scheinbar nur, um mich zu quälen.
Da haben Anton und Natalie Sam geholt. Er kommt aus einem Tierheim, hat eine unbestimmte Herkunft, so wie ich. Und auch Sam hatte große Angst. Vor Gewitter, vor Fremden und vor Regenschirmen, aus irgendeinem Grund.
Ich vermute, dass seine Geschichte furchtbar traurig und grausam ist. Manchmal habe ich das Gefühl, seine Augen würden sie erzählen.
Jedenfalls schlossen wir sofort Freundschaft. Sam fürchtete sich nicht vor mir. Nach zwei Tagen in unserer kleinen Wohnung schlief er vertrauensvoll in meinem Bett – da hatten Natalie und Anton sich nicht einmal im gleichen Raum wie der Hund aufhalten dürfen.
Wir sind unzertrennlich. Ich füttere ihn und kaufe sogar sein Futter, von dem Geld, dass ich mit dem Austragen von Zeitungen verdiene. Ich führe ihn durch die Straßen der Stadt und zu besonderen Gelegenheiten fährt Anton uns hinaus, aus der Stadt raus und in die Wälder.
Als Dank ist Sam immer an meiner Seite. Er kommt immer zu mir, wenn ich traurig bin. Er scheint das zu spüren.
Der warme Hundekörper an meiner Seite gibt mir Sicherheit. Das Gewitter scheint zu verschwinden. Ich habe die Augen geschlossen und lausche auf meinen Atem.
Mit Sam als Beschützer brauche ich mich nicht zu fürchten.
Ich umarme den Hund und ziehe ihn an mich. Sams Schwanz klopft neben meinen Beinen auf die Decke. Er streckt den Kopf, um mir das Kinn zu lecken. Lachend drehe ich mich weg: „Lass das, Sam!“
Er streckt sich weiter und ich lasse ihn gewähren. Nach ein paar Sekunden verliert Sam die Lust.
Wir liegen nebeneinander.
„Weißt du, Sam“, sage ich leise: „Wenn ich groß bin, werde ich auch Polizist. Und du wirst mein Polizeihund, ja?“
Ich kraule Sam. Er antwortet natürlich nicht. Aber ich weiß, dass er es sofort tun würde.
Welche Gefahr auch kommt, wir stellen uns ihr.
Ich schlafe ein, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, auf Anton zu warten. Irgendwann löscht auch Natalie das Licht in Wohnzimmer und geht ins Bett. Es wird dunkel in der kleinen Wohnung im dritten Stock.
Wir schlafen tief und fest. Draußen fahren Autos vorbei, Betrunkene grölen, aus ein paar Nachtclubs dringt noch Musik.
Und dann verstummen plötzlich die Stimmen auf der Straße. Der Regen scheint in der Luft anzuhalten. Sogar im Schlaf bemerke ich die Veränderung und bewege mich unruhig.
Doch ich wache noch nicht auf. Die Uhr zeigt 3 Uhr morgens.
Sam hebt den Kopf, als er ein Geräusch hört.
Er winselt ängstlich und stupst mich an.
Ich öffne die Augen. Sam zittert in meinen Armen. Mit offenen Augen liege ich im Dunkel und lausche. Ich habe dem Atem angehalten.
Es ist still, unnatürlich still. Sam hat panische Angst.
Deshalb höre ich das leise Geräusch auch so deutlich als wäre es sehr viel lauter.
Die Haustür öffnet sich.