Am gleichen Tag
Die Mitte ist voller Rauch. Hier weicht das Feuer einer anderen Macht, es herrscht ein ständiger Krieg. Flammen entstehen neu und erlöschen wieder. Der Kampf erschafft Wind, der meine Haare zerzaust. Schritt für Schritt gehe ich vorwärts. Vor mir zischt und knistert es. Ich sehe kaum, wohin ich gehe.
Doch ich durchschreite den Rauch. Kälte schlägt mir entgegen. Ich verstärke die Flammen auf meinen Armen. Zwischen Hitze und Kälte herrscht ein Sturm.
Die Mitte dieser schwarzen Welt ist ein Diamant aus blauem Eis. Meine Flammen züngeln unermüdlich über die glatte Oberfläche, doch sie sterben bei dem Versuch, das Eis zu schmelzen. Es ist ein riesiger Diamant, er überragt mich um viele Längen. Die Oberfläche ist so glatt, dass ich mich darin spiegeln kann.
Ich habe mich verändert.
Meine Haare sind länger geworden. Einst schwarz wie Kohle sind sie jetzt rot wie Feuer. Meine Augen brennen, doch sie liegen tief in ihren Höhlen. Ich trete an den Spiegel aus Eis heran. Ich bin unrasiert, mager. Meine Haare und Augen sind rot. Meine Haut ist nicht mehr totenbleich sondern rot wie von Sonnenbrand. Ich streiche mit den trockenen Fingerspitzen über meine Wange. Warum gleicht mein Kopf so sehr einem Totenschädel?
Mit den Fingern berühre ich das Eis. Es ist so kalt! Die Kälte sticht in meine Finger wie dünne Nadeln und schießt mir die Hand hinauf. Ich verstärke mein Feuer, spüre den Hass, der mich antreibt. Ich lenke das Feuer in meine Hand, durch meine Finger in das Eis. Es tut weh, so schrecklich weh. Ich weiß nicht, ob es das Eis ist oder ob dieser Ort sich gegen meine Angriffe wehrt, aber jede Welle von Hitze, die ich in den Eiskern leite, trifft mich selbst durch irgendeinen kranken Zauber.
Ich lege meine ganze Handfläche an das Eis. Schon wird meine Haut taub. Wasser läuft über meine Finger, löscht das Feuer. Ich nehme immer neue Wut und dringe weiter in das Eis ein. Ich schmelze es. Stück für Stücke dringe ich tiefer in die dicke Hülle ein. Ich kämpfe darum, meinen Atem unter Kontrolle zu haben. Eis und Feuer umkämpfen mich. Mal wird es heiß, dann wieder eisig. Die Wechsel sind unregelmäßig, unberechenbar und unvorhersehbar. Jedes Mal nimmt es mir den Atem.
Mein Arm ist bis über das Handgelenk im Eis. Ich habe Schmerzen, als würde sich eine eisige Hand in meine Brust graben. Bunte Flecken tanzen vor meinen Augen.
Aber ich bin an einem Ort, der nicht existiert. Und deshalb ist auch nicht mein Körper hier, sondern nur mein Geist. Ich kann nicht sterben. Denke ich. Und wenn doch, dann wenigstens nicht kampflos!
Ich lehne mich nach vorne und verstärke die Hitze an meiner Hand. Ich habe unendliche Kraft. Es ist wie ein Höhenflug, doch gleichzeitig so furchtbar schmerzhaft.
Ich gebe nicht auf. Je tiefer ich in das Eis vordringe, desto mehr erfriert mein Herz. In meiner Brust wird es zu eng zum Atmen. Doch ich sehe etwas im Inneren des Eises. Einen schwarzen Kern absoluter Kälte. Ich weiß irgendwie, dass ich ihn erreichen muss. Es gibt außen keinen Weg heraus, vielleicht muss ich tiefer in die Kälte eindringen, um zu entkommen.
Kälte und Hitze. Der Gegensatz erschafft einen Sturm. Die Kälte schwächt mich, die Hitze stärkt mich. Es kann innerhalb von Sekunden umschlagen, mit einem Blinzeln. Ich stehe über dem Feuer und plötzlich falle ich in die Kälte. Ich habe keinen Halt. Mein Arm ist bis zum Ellbogen im Eis. Er wird zurück gedrängt, ich stoße vorwärts. Meine Schulter dringt in die Kälte, meine Wange liegt auf dem glatten Eis auf. Die Kälte kriecht in meinen Kopf. Das Feuer tobt um mich. Irgendwo zwischen diesen gewaltigen Kräften atme ich flach und schnell. Meine Finger haben das schwarze Herz im Eis beinahe erreicht. Die Schmerzen machen mich blind, aber ich brauche die Augen nicht, um zu sehen. Noch wenige Zentimeter. Mein Herz ist schnell. In meinen Ohren ist Stille, obwohl ich doch weiß, dass der Sturm tobt. Ich kann nicht mehr wahrnehmen, wo ich stehe. Ich habe das Gefühl, ich falle. Alles verschwimmt, wie die Oberfläche von Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hat. Mir ist so schwindelig.
Ich berühre das schwarze Herz. Der Schmerz kommt wie eine Explosion, wie ein Schlag. Ich werde durch die Luft geschleudert, schreie, schnappe nach Luft und weine. Ich habe keine Kontrolle mehr über meine Muskeln. Ich lande in Eis oder in Feuer. Ich spüre keinen Unterschied, als ich in neue Schwärze sinke.
Ich kann das Herz nicht berühren.