Midilog: Die letzte Woche der Menschheit
Darüber, wie sich die Kinder in der roten Wüste trafen.
25. Juli 2999
Wie jede Nacht kann ich nicht schlafen. Schreie verfolgen mich bis in meine Träume hinein. Ich sehe Gesichter vor mir, die schon lange tot sind.
Es gibt kaum eine Stunde, in der ich mir nicht die Kontrolle über die Zeit wünsche, um zurückzukehren und alles anders zu machen. Von dem Moment an, da ich zum ersten Mal ein Streichholz in der Hand hielt, bis Fenia mir die Wahrheit erzählt hat.
Alles ist wie ein einziger, böser Traum. Ich wünschte nur, ich könnte irgendwie aufwachen.
Ich habe gemordet. Aus der Einsamkeit heraus, wo ich es besser hätte wissen müssen. Aber konnte ich wissen, dass ich nicht allein war? Konnte ich wissen, dass meine Schwester mich suchte?
Fenia. Sie ist wunderbar. Sie gibt mir immer noch Trost und Kraft, und das, obwohl ich ihr so furchtbare Sachen angetan habe. Ich hätte sie beinahe geopfert, in blinder Gier. Und trotzdem liebt sie mich.
Womit ich eine solche Schwester verdient habe, weiß ich nicht.
Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe direkt in die unbarmherzige Sonne der roten Wüste. Die Luft ist warm und trocken. Ein normaler Mensch würde es als unerträglich heiß ansehen, deshalb sind wir weit von jeglicher Zivilisation entfernt.
Für uns, Kinder der Flammen, ist die Wüste ein Paradies. Warm und trocken, genau wie unsere Seelen. Hier soll ich alles vergessen, was geschehen ist. Es fällt mir schwer.
Das Feuer hat seine Spuren hinterlassen, nicht sichtbar, aber fühlbar. Ich habe eine Schuld angehäuft, die sich nicht abtragen lässt, indem ich hier sitze und abwarte.
Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Irgendwas.
Aber ich will nicht mehr unter Menschen gehen. Ich habe Angst vor dem, wozu ich fähig war. Ich habe Angst vor mir. Und vor dem, was ich wieder tun könnte.
Fenia sagt mir, das ginge vorbei. Ich würde wieder normal werden, doch ich glaube ihr nicht. Die Kinder, die ich getötet habe, werden nicht mehr lebendig, und ihre Stimmen werden mir ewig folgen.
Ich bin ein Monster. Und es wird keine Schöne geben, die mich retten kann.
Fenia kommt mit leisen Schritten aus dem geduckten Haus und setzt sich neben mich. Ich wende das Gesicht ab. Es ist bereits Morgen, ich habe wie immer nicht geschlafen.
„Ach, Aiden“, murmelt Fenia und drückt sich an mich. Ich lege den Kopf auf ihrem Scheitel ab und seufze. Ihr Geruch beruhigt mich. Aber ich muss an das denken, was ich ihr angetan habe. Das schlechte Gewissen überrollt mich.
Schweigend sehe ich auf meine Hände: „Ich habe immer noch Alpträume, Fenia.“
Sie legt eine Hand auf meinen Arm: „Es ist vorbei. Du wirst wieder gesund, Aiden.“
„Ich habe Menschen verletzt und getötet.“, sage ich mit harter Stimme.
Fenia antwortet nicht, doch der Druck ihrer Arme wird stärker. Ich fühle mich erdrückt. Wie kann sie mich noch lieben?
„Wir stehen das durch, Bruder.“, sagt sie. „Wir werden unsere Magie einfach nie mehr nutzen. Dann wird auch nichts mehr geschehen.“
Ich atme tief durch. Das Feuer ist ein Teil von mir – doch ein Teil von mir, der nur schaden kann.
Fenia hat wohl recht.
Plötzlich spüre ich Energie. Magie. Ich bin mir sicher.
Wir springen alarmiert auf. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen – woher kommt die Energie?
Die Erde unter uns bebt. Wir weichen zurück, bis wir mit dem Rücken an dem Sandstein unseres Hauses stehen.
Dann teilt sich der Boden und spuckt zwei Kinder aus.