Demetia – 21. Oktober
Das Feuermädchen kam tanzend nach Hause.
Wir sind in einem Hotel in der Nähe eingezogen, um sie unbemerkt beobachten zu können. Gestern hat sie offenbar ihre Prüfung gemacht, für die sie gelernt hatte.
Und sie hat bestanden. Heute, keinen Tag später, verlässt sie mit gepackten Taschen das Haus.
„Mitja!“, schnell wecke ich Dimitri. „Sie geht! Wir müssen hinterher.“
Schlaftrunken öffnet mein Bruder die Augen. Wir haben zum Glück kein Gepäck, weswegen wir mehr oder weniger aus dem Fenster springen und hinter dem Feuermädchen her rennen.
Okay, wir nehmen die Treppe, und als wir auf der Straße ankommen, ist das Mädchen außer Sicht.
„Nimm ihre Spur auf!“, dränge ich Dimitri.
Das Mädchen, eher eine junge Frau, hat ihre Kräfte schnell zu nutzen gelernt. Offenbar muss sie nicht schlafen, solange Kerzen in ihrer Nähe brennen. Dadurch konnte sie Tag und Nacht lernen, während ich mit Dimitri Schichten einlegen musste.
Verflucht, hat sie es eilig. Offenbar ist etwas sehr wichtig an diesem Waisenhaus. Ich habe gesehen, wie sie die Fahrkarten bereit gelegt hat, noch bevor sie zur Prüfung marschiert ist.
Ihre Haare sind heller geworden. Ich habe darauf geachtet, weil sowohl Dimitri als auch ich uns verändert haben. Unsere Haut ist kupferfarben geworden und unsere Haare lockig und braun. Aber offenbar hängen diese Veränderungen mit unseren Elementen zusammen.
Deshalb sehen Dimitri und ich jetzt mehr denn je wie Zwillinge aus – nur meine Haare sind ein wenig länger und mein Gesicht ein bisschen schmaler. Sonst würden wir uns noch gegenseitig verwechseln.
Dimitri hatte kurz die Augen geschlossen und öffnet sie jetzt wieder: „Sie ist die Straße runter zum Bahnhof“, informiert er mich und rennt los. Ich folge ihm.
Wir hetzten durch die Straßen. Menschen springen uns mit wütenden Flüchen aus dem Weg. Wir achten kaum darauf – immerhin haben wir eine Magierin einzuholen!
Doch als wir den Bahnhof erreichen, flucht Dimitri herzhaft, sodass ich ihn entsetzt ansehe.
„Sie ist weg!“, er deutet auf eine Schwebebahn über unseren Köpfen, die soeben den Bahnhof verlässt. „Wir haben sie verpasst.“
Ich kann in der überfüllten Bahn nicht viel erkennen, aber ich glaube Dimitri sofort. Ich sehe mich um: „Wir könnten ein Taxi nehmen. Oder wir suchen uns auf gut Glück einen Schnellzug oder Shuffel Richtung Dänemark. Wir könnten auch den UICE nehmen.“
Ich krame in meiner Tasche nach unserem letzten Geld. Es ist niemals genug, für jede Möglichkeit.
Dimitri seufzt: „Nein, sie ist weg.“
Er wirkt abgelenkt. Unruhig sieht er sich auf dem großen Platz vor dem Bahnhof um.
Dann bemerke ich es auch: Es ist windig geworden. Menschen legen ihre Schirme zusammen, als sich zu dem allgegenwärtigen Nieselregen plötzlich Windböen gesellen, dass die Schwebebahnen über unseren Köpfen wackeln wie Wäsche an der Leine. Ich sehe noch, wie die Bahn mit unserem Feuermädchen darin unbeschadet auf die höheren und stabileren Fernfahrtlinien gelangt, dann kracht nicht weit von uns entfernt etwas auf den Boden.
Eine Satellitenschüssel.
„Demia!“, schreit Dimitri. „Es ist der Sturmsohn!“
Ich sehe in den aufgewühlten Himmel und weiß, dass Dimitri recht hat. Düstere Wolken ballen sich zu einem Sturm zusammen, Blitze zucken, der Regen wird stärker, bis man kaum zwei Meter weit sehen kann.
Das kann nur das Werk eines Element-Kindes sein. Er muss uns verfolgt haben.
„Warum greift er uns an?“, frage ich.
Dimitri fasst meine Hand: „Egal. Lauf!“