Im Jahr 2992
Nacht liegt über der Prärie. Die kleine Gruppe der vermummten Reiter hat kein Feuer gemacht und ihr Lager mit trockenen Ästen und Gräsern abgedeckt. Die Sterne verhüllen ihr Antlitz mit düsteren Wolken, während sich fünf Reiter aus den Schatten schälen.
Die Wache der Gruppe gibt keinen Alarm, sondern starrt die Gestalten aus aufgerissenen Augen an – haben die Pferde Hörner? Und Flügel? Sind es vielleicht Drachen?
Eine grollende Stimme spricht: „Nun kommt eure Strafe!“
Erst jetzt schreit der Mann und weckt seine Kumpanen. 20, 25 Männer springen auf und greifen zu den Waffen. Die Pferde galoppieren los, die Reiter lachen grausam.
Schüsse fallen. Männer schreien. Klirrend werden Schwerter gezogen. Die Angegriffenen haben sich nicht einen Fußbreit gerührt. Sie sind vor Schreck wie gelähmt.
Blitze zucken und Donner grollt. Ein Sturm entfaltet seine Macht über der Ebene. Das Wetter scheint mit den Reitern verbündet. Im Licht der Blitze sehen die Pferde aus wie Dämonen aus der Unterwelt, in Feuer gebadet, gehörnt, mit flatternden Flügeln. Furchtbare Bestien!
Es regnet, und es regnet Pfeile. Donner ertönt so laut, dass man die Sterbenden nicht schreien hört. Innerhalb von Sekunden ist der Angriff vorüber.
Fünf Pferde galoppieren davon. Die Reiter lachen. Wie ein Gruß wird ein Totenschädel zurückgeworfen. Im Licht eines Blitzes leuchtet der Zettel auf, den dieser im grinsenden Mund trägt: „Grüße von den Reitern der Apokalypse!“
Ein Hohngelächter, ein Lachen über Tod und Mord.
Der spöttische Gruß, mit dem ein Name gefestigt wird.
Der Wächter hat überlebt, als einziger. Am nächsten Tag wird er den Zettel finden und fliehen und die Geschichte der fünf Reiter in alle Welt tragen.
Die Furcht soll sie ergreifen. Rache für unseren toten Freund!
Wir bremsen unsere Pferde in paar Meilen weiter aus. Lachend recken wir die Gesichter in den stillen, mongolischen Himmel. Langsam wird die Prärie zum Gebirge.
Wir nehmen unseren Pferden die metallenen Schützer ab, die gehörnten Drachengesichtern nachempfunden sind. Dann schnallen wir die flatternden Stoffbahnen ab, die an Flügel erinnern.
Wir schlagen unser Lager ohne Sorge auf. Ich weiß, dass weit und breit keine Menschenseele ist. Um das Feuer herum reichen wir einen Weinschlauch. Eine Ziege brät über den Flammen. Die Pferde ruhen sich aus, grasen und trinken aus einem kleinen Bach.
„Das war herrlich!“, sagt Sven lachend: „Habt ihr die Gesichter gesehen?“
Wir nicken und grinsen. Kalle streut ein paar Gewürze auf die Ziege.
Hunger ist unser Koch. Das war zuerst als Witz gemeint, und jetzt stellt sich heraus, dass er verflucht gut im Kochen ist.
Tobi wischt sich den Mund ab: „Gut, wohin jetzt, Sturmreiter?“
Alle sehen mich an. Ich zucke mit den Schultern: „Wollen wir weiter jagen? Oder mal unsere Belohnungen abholen?“
Wir haben säckeweise Habseligkeiten unserer Opfer gesammelt, als Beweis für deren Tod. Wie viele Vermögen wir mit uns tragen, wage ich kaum zu schätzen.
„Zur nächsten Stadt“, schlägt Lars vor: „Ich möchte mal sehen, wie so ein Hurenhaus von Innen ist.“
Lachend stimmen die anderen ihm zu. Ich schließe kurz die Augen und sage dann: „Einen halben Tagesritt nach Westen. Da liegt die nächste Stadt.“
Kopfschüttelnd sehen mich die anderen an.
„Weißt du das wirklich, oder ist das jedes Mal Glück?“, fragt Lars kopfschüttelnd.
„Es ist eine Gabe“, erwidere ich: „Und ein Fluch.“
„Du kannst einen Sturm heraufbeschwören, oder? Und den Wind beherrschen?“, fragt Tobi leise. Vermutlich wusste er es schon immer.
Ich nicke: „Ja. Ich bin ein Sohn der Luft.“
„Klasse! Du bist ein Superheld!“, jubelt Kalle.
„Eher ein Superschurke“, grinse ich zurück.
Kall nimmt die Ziege vom Feuer und schneidet für jeden von uns dicke Streifen ab.
„Na und? Ein Superschurke auf unserer Seite!“