Im Jahr 2990
„Seid ihr soweit?“, rufe ich in den düsteren Stall.
„Gleich!“, antwortet Tobis Stimme mir. Das graue Pferd mit der kurzen Mähne schnaubt und zieht an den Zügeln, die ich fest im Griff habe. Es ist ein junger, stahlgrauer Hengst. Er sieht aus wie ein aufgewühlter, stürmischer Himmel. Wir haben endlich genug Geld für fünf Pferde gehabt, und jetzt holen wir uns gerade die besten Tiere, die wir finden konnten.
Tobi hat vorgeschlagen, dass wir unsere Pferde an die Reiter der Apokalypse anpassen, und darauf haben wir uns geeinigt. Trotzdem bin ich ein bisschen sprachlos, als sie nacheinander mit ihren Tieren aus dem düsteren Stall kommen.
Sven kommt als Erster. Er führt eine feuerrote Fuchsstute an seiner Seite, die fertig gesattelt tänzelt. Dann kommt Kalle mit einem schlanken, braunen Wallach. Das Tier ist dünn, man sieht die Rippen, aber trotzdem scheint das Pferd voller Energie. Lars hat einen dunklen Friesen. Er ist nicht pechschwarz, sondern ein wenig gräulich, aber trotzdem eine beeindruckende Erscheinung. Als letztes kommt Tobi mit einer schneeweißen Stute, leuchtend wie Knochen.
Wir haben uns neue Sättel gekauft, und Satteldecken anfertigen lassen. Alles ist pechschwarz, und nur in roten Lettern stehen unsere Pseudonyme auf den Decken: Krieg, Hunger, Pestilenz, Tod und Sturm.
Wir sind die apokalyptischen Kopfgeldjäger. Ich muss vor lauter Stolz breit grinsen.
„Ihr seht toll aus, Männer!“
Die anderen grinsen. Ein paar der Pferde zerren an ihren Zügeln. Es ist stürmisch, genau das richtige Wetter.
Ich setze meinen Hut auf und schnalle den Kinnriemen fest, damit er mir nicht vom Kopf fliegt. Die anderen machen es mir gleich. Wir tragen neue, schwarze Mäntel, breite Hüte und Tücher vor dem Mund. In einer schweigenden Parade reiten wir aus dem Vorort, wo wir die Pferde gekauft haben.
Man kann uns wirklich nur noch an den Pferden unterscheiden, oder aber an den Waffen, denn jeder von uns bevorzugt andere. Sven ist zum Schwert übergegangen und greift manchmal zum Colt, Kalle bei der Armbrust geblieben, Lars schießt Giftpfeile, Tobi kämpft mit Wurfdolchen und einer schallgedämpften Pistole, ich mit dem Gewehr. Andere Hinweise geben wir unseren Gegnern nicht.
Schon jetzt werden wir ängstlich angestarrt. Wie müssen sich erst die Verbrecher fürchten, wenn wir ihnen auf der Spur sind?
Die teure Ausrüstung ist zum größten Teil nur eine Verkleidung. Wir wollen zu einem Richtkommando werden, zum Schrecken der Vogelfreien. Und dabei hilft es uns, wenn wir gruselig erscheinen.
Draußen geben wir unseren neuen Pferden zum ersten Mal die Sporen. Sie sind so viel schneller als die kleinen Ponys – und der Boden ein ganzes Stück weiter weg. Seite an Seite galoppieren wir in die endlose Ödnis hinaus, wo einmal China war. Und wir lachen in den Wind.
Ich hebe die Nase in den Wind und suche nach einer Spur. Fast sofort weht er in eine andere Richtung. Ich treibe mein Pferd dem Wind hinterher. Die anderen folgen, ohne zu fragen. Seit ich ihnen von meinen Visionen erzählt habe, folgen sie mir, ohne zu zögern. Sie haben inzwischen auch verstanden, dass ich eine Art sechsten Sinn habe, um Verbrecher aufzuspüren.
Die vier sind nun mal die treuesten Freunde, dich ich mir wünschen könnte. Und nebenbei die besten Kopfgeldjäger, die ich kenne. Garrik hat uns wirklich gut ausgebildet, und dazu kommt das Talent, dass die Jungen mitbringen. Sie sind skrupellos, intelligent, wild wie Feuer und so treu, wie ich es mir nur wünschen könnte.
Von allen Vieren widerspricht mir nur Tobi. Wir führen immer wieder lange Debatten, aber meist hat Tobi recht. Er hält mich von manchem Risiko ab, und sorgt dafür, dass ein bisschen Optimismus in unserer Gruppe bleibt.
Die Luft schmeckt kühl und metallisch. Heute werden wir Niemanden mehr finden. Aber ich habe die nächste Spur aufgenommen.
Die Reiter der Apokalypse – jetzt werden wir Angst und Schrecken sähen – und vielleicht eine bessere Welt ernten.