29. Juli 2999
„Können wir die Fenster irgendwie schließen?“, fragt Demetia und sieht zu den flachen Löchern in der Lehmwand auf, durch die Licht und Wärme in das Schlafzimmer dringt.
„Wir könnten Tücher davor hängen“, meint Fenia.
Auf dem Bett liegt Soyala und ringt um Atem. Die trockene, heiße Luft scheint ihr nicht gut zu tun. Mingan sitzt an ihrer Seite und streicht ihr über die Stirn.
„Wir haben kein Wasser mehr“, sagt Aiden, der missmutig den Kopf durch die Tür steckt: „Sie hat alles aufgebraucht.“
Ich stehe hilflos mitten im Raum und komme mir fehl am Platz vor. Demetia murmelt beruhigend auf Soyala ein. Ich kann spüren, wie sie die Tochter des Wassers langsam heilt.
Mingan wirkt verzweifelt. Ich schleiche mich leise aus dem Raum und weiche dabei Fenia aus, die offenbar los rennt, um Tücher zu holen.
Die bedrückende Stimmung, die über uns allen liegt, ist fast zum Greifen. Die anderen haben Angst – Soyala ist die Einzige, die das Wasser beherrscht. Wenn wir sie verlieren, ist der ganze Kampf verloren.
Ich schleiche mich nach draußen in den Garten. Die Hitze trifft mich wie ein Schlag. Ich taumele fast.
Die rote Wüste ist wirklich das Land des Feuers. Fenia und Aiden haben sich ein gutes Versteck gewählt. Selbst für die Erde sind die Temperaturen beinahe unerträglich. Selbst nachts wird es selten kühl. Die Luft ist dick genug, um geschnitten zu werden.
Und natürlich kann Soyala an einem solchen Ort nicht lange leben.
Als sich meine Augen an den hellen Sonnenschein gewöhnt haben, bemerke ich eine dunkle Gestalt, die im Garten sitzt. Es ist Aiden, der sich auf eine Bank zurückgezogen hat und mich jetzt grimmig mustert.
„Hallo“, sage ich leise. Ich hatte ihn nicht bemerkt. Aber ich habe auch nicht das Gespür, dass Demetia und Mingan haben.
„Hmm“, macht Aiden und dreht den Kopf weg, als wäre die Sache damit erledigt.
Ich gehe langsam zu ihm: „Du willst nicht, dass wir alle hier sind, oder?“
Aiden sieht mich an, als ich ihn so direkt konfrontiere.
„Ich kann es ja nicht verhindern, oder?“, weicht er einer Antwort aus.
„Ich könnte es dir nicht verdenken, wenn du es versuchen würdest“, antworte ich ihm.
Jetzt ist Aiden überrascht. Ich lächele schief: „Mingan hat mir erzählt, dass dich etwas bedrückt.“
„Und?“, zischt Aiden scharf: „Was geht dich das an?“
Ich zucke mit den Schultern und sehe über die weiten, rötlichen Dünen der Wüste: „Ich muss mit dir zusammen die Welt retten. Dann sollte man einander kennenlernen.“
Aiden schnaubt, sagt aber nichts. Ich deute auf die Bank: „Darf ich mich setzen?“
„Bitte sehr“, sagt Aiden bissig und macht spöttisch eine einladende Handbewegung. Ich lasse mich davon nicht abbringen.
„Weißt du“, sage ich leise: „Ich würde gerne mit jemandem reden“, ich setze mich neben ihn.
Aiden sieht mich an: „Da drinnen sind ganz viele Leute, die dir liebend gerne zuhören wollen!“
„Das ist das Problem“, erkläre ich: „Sie würden mich hassen, nachdem ich alles erzählt habe. Und da du mich sowieso schon hasst, würde ich nichts verlieren.“
Aiden starrt mich an: „Was? Du bist erst – wie alt? Dreizehn?“
„Zwölf“, verbessere ich.
„Was könntest du schon verbrochen haben?“
Ich gebe ein trauriges Schnauben von mir: „Ich hatte meine Kräfte nicht richtig unter Kontrolle, weißt du? Ich habe … viele Menschen verletzt.“
Die ganze Sache lag mir schon lange auf der Seele. Ich denke mir Aiden einfach weg und rede zu mir selbst: „Ich habe nur ausprobieren wollen, wie alles funktioniert und habe das Waisenhaus zerstört, indem ich gelebt habe. Und dann bin ich weggerannt und habe mich beinahe selbst getötet. Und ich habe zugelassen, dass Fenia in Gefahr gerät.“
Das Bild von Fenia, wie sich durchbohrt und leblos auf den Boden fällt, verfolgt mich noch immer in meinen Träumen.
„Ich habe Alpträume“, hauche ich so leise, dass ich es selbst kaum höre: „Und ich habe Angst, dass es noch schlimmer wird.“
Zu meiner Überraschung spüre ich einen Arm um meine Schultern: „Hey, Kleiner. Es war ein Unfall, okay?“
Aiden versucht sich an einem Lächeln: „Du hast es bestimmt nicht mit Absicht gemacht.“
Ich schniefe: „Trotzdem – ich bringe nur Unglück.“ Vor meinen Augen verschwimmt die Wüste. In meiner Kehle steckt ein Kloß, als sich die ganze Angst ihren Weg in die Freiheit bahnt.
Aiden drückt meine Schulter fester: „Du bringst nur Unglück, wenn du es dir einredest. Überhaupt, wir können alle auf uns selbst aufpassen. Mach dir um uns keine Sorgen.“
Ich sehe zu ihm auf: „Du hast so etwas auch erlebt, oder? Ich hab gehört, dass du jede Nacht aufwachst, also hast du auch Alpträume. Wie kommst du damit klar?“
Aidens Blick wird düster: „Ich komme überhaupt nicht damit klar“, vertraut er mir an: „Aber bei mir war es auch anders. Ich hatte die ganze Zeit über die Kontrolle.“
Der Mann zeigt ein grimmiges Lächeln: „Das waren keine Unfälle, das war ich. Und ich bringe kein Unglück, ich bringe Tod und Verderben.“
Ich will aufstehen, aber Aiden hält mich fest: „Egal, was du dir einredest, Junge, du kannst nicht halb so schlimm sein, wie ich es gewesen bin. Du kannst neu anfangen, denn jetzt hast du die Kontrolle.“
Er lässt mich los. Erschrocken springe ich auf, aber dann zögere ich und sehe ihn an: „Du kannst kein schlechter Mensch sein“, sage ich Aiden: „Du kannst auch neu anfangen.“