Im Esssaal
Die Tür schwang weiter auf, aber es war Niemand dahinter zu sehen. Milo nahm sich schließlich ein Herz und schlich leise auf die Öffnung zu, als Niemand im Raum sich bewegen wollte. Evelyn hing wie ein Gewicht an seinem Arm und krallte die Finger durch seine Jacke. Auch Milo schlug das Herz bis zum Hals, aber er verdrängte die Furcht. Allzu genau waren ihm die Blicke bewusst, die auf ihm lagen.
Mit einer Hand umfasste er die Tür, die sich nach innen öffnete, zog sie noch ein Stückchen weiter auf und sah hinaus.
Der Gang war verlassen. Die Lampen waren allesamt mit Totenköpfen überdeckt, durch deren Augen das sonst goldene Licht rötlich wirkte. Milo war sich erst beim zweiten Blick sicher, dass die Schädel aus Plastik waren. Im Dämmerlicht hielt er alles für möglich.
Er trat auf den Gang hinaus und zog Evelyn hinter sich her. Leise Schritte kündigten die anderen an, die sich zu ihnen gesellten. Als Liam den Gang sah, atmete er aus und steckte seine Taschenlampe weg.
Auch Milo entspannte sich. Es war nur inszeniert. Langsam spielte ihnen die Fantasie Streiche. Sie gingen Seite an Seite auf den Gang. Das Ehepaar, der Junge mit den fünf Mädchen und die Senioren folgten langsam.
„Das haben sie aber nett gemacht“, hörte Milo eine Frau zu ihren Begleiterinnen sagen. Er hätte fast laut geseufzt. So etwas durfte man erst später besprechen, sonst war die Atmosphäre kaputt.
Milo und Evelyn bildeten den Kopf der Gruppe, die sich den Gang entlang tastete. Vor ihnen erklang ein hohes Kichern und Nebel drang aus einer halb offen stehenden Tür. Milo spürte jedoch, wie er ruhiger wurde. Das lang zum Teil an Eve, die sich ängstlich an ihn drückte. Er durfte keine Angst zeigen. Aber er fühlte sich auch abgehärtet. Er war heute Zeuge eines Mordes geworden, da konnten ihn ein paar Spezialeffekte nicht mehr schrecken. Er stieß die Tür mit einem harten Ruck auf und sah in einen von Nebel erfüllten Raum, durch den bunte Lichtfinger wie in einer Disko wanderten. Schemenhaft waren Tische zu erkennen, auf denen undefinierbare Gegenstände lagen. Milo trat in den Raum hinein und sah sich um. Es war still, sogar das Lachen verklang. Flach atmend wartete Milo darauf, was passieren würde.
Das Licht wurde ganz allmählich gedämmt, sodass es einem Blitz gleich kam, als alle Lampen mit einem lauten Donnerschlag wieder aufflammten. Es war, als wäre man mitten in einem Gewitter gefangen. Milo zuckte zusammen, sah sich panisch um, ob auch keine Gefahr sich näherte. Dann spürte er wieder das Gewicht von Eve an seinem Arm und beruhigte sich.
Das dämonische Gelächter ertönte erneut, die Lampen flackerten, als wären Geister zu Besuch. Eve presste sich eng an Milo, der begann, jede Angst abzulegen. Für Evelyn.
Endlich beruhigten sich Lichter und Lärm, eine unheimliche Stimme verkündete: „Halloween – ist nah!“ Der Nebel zog langsam durch die offene Tür ab und das Innere des Raumes ließ sich erkennen.
Milo tastete sich Schritt für Schritt nach vorne. Hinter ihm redeten die älteren Damen der Seniorengruppe: „Da ist doch diese neue Tour, irgendwas mit Halloween und Grusel.“
„Für die jungen Leute, ja? Das haben sie schon gut gemacht.“
Milo schämte sich, dass er auch nur eine Sekunde Angst empfunden hatte.
Als er jetzt auf den Tisch zuging, drehte sich ihm dennoch der Magen um: Eine rote, zähe Flut tropfte von dem Tisch auf den Boden, in unzähligen Schüsseln, auf Tabletts und in durchsichtigen Schalen lagen die widerlichsten Dinge. Augen schwammen in grüner Suppe, aus einem wackeligen Brei quollen die Gedärme, ein Kürbis übergab sich mitten auf den Tisch, die Bröckchen waren bis auf den schimmeligen Kuchen geflogen. Daneben stand ein Tablett, auf dem sich abgehackte Hänge stapelten, die Fingernägel mit Blut beschmiert.
Mehrere Tische waren in der Mitte des Raumes zusammen geschoben worden, und auf dem Tisch in ihrer Mitte hing ein lebloser Körper an einem Holzkreuz, die blicklosen Augen direkt auf die Eintretenden gerichtet.
Evelyn krallte sich so tief in Milos Arm, dass er schon glaubte, gleich zu bluten.
„Es ist alles gut“, flüsterte er und trat langsam näher an die Tische: „Das ist alles fake.“
Er nahm einen Löffel und stupste die Augen in ihrem grünem Bad an: „Siehst du?“
„Nein!“, jammerte Evelyn, die ihr Gesicht in seiner Schulter vergraben hatte.
Jetzt nahm Milo auch den süßlichen Geruch wahr – das Blut war nichts weiter als Sirup, Ketchup im Falle der abgeschlagenen Hände, die sich bei näherem Hinsehen als Hamburgerbrötchen mit fünf Würsten darin entpuppten.
Amy, Luca und Liam tauchten an Milos Seite auf.
„Das nenn ich mal ein Buffet!“, staunte Luca: „Du hast doch überprüft, dass uns nichts davon essen will, oder?“
Milo ließ den Blick über den Tisch schweifen, über diverse abgeschlagene Gliedmaßen, aus denen noch Knochen wuchsen, über tote Ratten und glotzende Schweinsköpfe.
„Das ist alles aus dieser Weingummimasse, aus der auch Gummibären sind“, erklärte er: „Oder einfach unter ein paar Litern Ketchup vergraben.“
„Ist das da unsere Leiche?“, fragte Amy in gedämpften Ton und deutete auf den Gekreuzigten in der Mitte der Tische.
„Ich fürchte, ja“, sagte Milo und warf einen Blick in die leeren Augen. Dort waren Murmeln eingesetzt, und aus der Nähe wirkte der Tote nicht so, als hätte er einmal gelebt. Milo konnte sogar die Nähte erkennen. Es war eine Stoffpuppe, die man mit künstlichem Blut übergossen hatte.
Luca gab ein nervöses Kichern von sich: „Das also ist des Pudels Kern, wie Goethe sagen würde!“
„Wir haben uns ziemlich reinlegen lassen“, fügte Amy hinzu, konnte aber ein erleichtertes Grinsen nicht lassen.
„Jetzt bin ich froh, dass wir die Polizei doch nicht gerufen haben“, flüsterte Evelyn, die sich endlich traute, aus dem Stoff von Milos Jacke aufzutauchen. Der Blick, den sie auf das Essen warf, legte nahe, dass die Lebensmittel sie persönlich beleidigt hatten.
Luca griff sich ein Auge aus der grünen Flüssigkeit und steckte es sich grinsend in den Mund. Evelyn verzog das Gesicht und sah demonstrativ woanders hin.
Nachdem alle Menschen den Raum geflutet hatten und sich das Buffet angesehen hatten, richteten sich die Lampen auf eine kleine Bühne an der Kopfseite des Raumes. Ein Mann betrat diese Bühne. Auch, als sich ihm alle Aufmerksamkeit zu wandte, redete der Mann noch mit einem Mitarbeiter, der hinter einem großen Vorhang nicht zu sehen war. Erst, als sich der Mann auf der Bühne zu ihnen um wandte, erkannte Milo den wahren Grund für die Verzögerung. Der Mann war geschminkt, sodass es aussah, als hätte er eine schreckliche Brandwunde auf dem Kopf, durch die sogar der weiße Knochen blitze. Eve quiekte bei dem Anblick des zerrissenen Gesichtes unwillkürlich auf, Milo zuckte mit keiner Wimper.
„Willkommen … liebe Gäste … im Hotel Cecilia!“, rief der Mann auf der Bühne und breitete die Arme aus. Die Gäste schwiegen, alle Augen hingen an der geschminkten Narbe.
„Ihr habt die Pforte überschritten, nun gibt es kein Zurück mehr. Von jetzt an, bis Halloween, wird es keine ruhige Minute mehr geben, keine Stunde, die nicht in Todesangst zugebracht wird! Ich begrüße Sie zu unserer diesjährigen Hell-Hopping-Tour!“
Die 18 Anwesenden klatschen höflich. Milo ließ den Blick über die restlichen Gäste wandern. Die Seniorengruppe würde doch die Tour nicht mitmachen, oder? Bei dem Jungen mit seinen fünf Begleiterinnen war er sich sicherer, dass er die Gruppe erneut sehen würde, bei dem Ehepaar konnte er es nicht sagen. Er ließ seine Aufmerksamkeit zur Bühne zurückkehren, als der Mann dort weiter sprach: „Vor sich sehen Sie Speis und Trank, die wir von großzügigen … Spendern erhalten haben“, der Mann machte eine bedeutungsvolle Pause: „Sie wurden uns allesamt freiwillig gegeben, greifen sie nur zu!“
Mehrere Blicke wanderten über das Essen. Eines der fünf Mädchen lachte verhalten.
„Die Dämonen des Hotels Cecilia stehen ihnen von nun an für alle Fragen zur Verfügung. Genießen Sie ihren Aufenthalt, und vergessen Sie nicht: Hinter jeder Ecke kann das Unmögliche lauern!“
Wieder ertönte Gelächter aus den Boxen, der Mann verschwand in einer dichten Wolke Nebel, dafür setzte Musik ein. Lichtpunkte tanzten durch den Raum. Aus verschiedenen, dunklen Winkeln strömten Bedienstete in der Uniform des Hotels. Ihnen waren jedoch dämonische Züge, schreckliche Wunden oder Blutflecken aufgemalt.
Milo merkte trotzdem, wie er sich entspannte. Es war eine Show, nicht mehr. Es gab keine Leichen, keine Mordfälle, nur harmlosen Gruselspaß.
„Hier, Getränke für alle!“, rief Liam, als er wieder zurück kam. Die kleine Gruppe hatte sich ein ruhiges Plätzchen vor einem Fenster gesucht, von dem aus sie den Raum im Blick hatten. Es war ihnen noch zu früh, um einer Party beizuwohnen, besonders, nach dem Schock im Keller. Liam trug ein kleines Tablett mit fünf quietschbunten Getränken darauf.
„So, einmal Zombiehirn für Amy, Schneckenschleim für Milo, Eve, für dich gibt’s Veganerblut. Luca? Luca, da bist du: Einmal Werwolfsgift! Zum Wohl!“
Die vier sahen ihre Getränke zweifelnd an: „Ich wollte nur ein Glas Wasser!“, meinte Amy.
Evelyn starrte in ihr Glas: „Mir ist nicht nach was alkoholischem.“
„Ist kein Alkohol drin!“, schwor Liam: „Man hätte seinen Ausweis vorzeigen müssen!“
„Aber wir sind schon 18!“, sagte Evelyn, die ihm nicht vertraute.
„Das schon“, sagte Liam und senkte den Blick: „Aber mein Ausweis liegt, zusammen mit allem anderen Zeug, oben in meinem Zimmer.“
„Das hätte auch nur dir passieren können!“, kommentierte Amy, nahm einen Schluck von ihrem Getränk und verzog das Gesicht.
„Wie, schmeckt es echt nach Zombiehirn?“, fragte Liam kleinlaut.
„Nur sehr süß“, antwortete Amy und ließ die grünliche Flüssigkeit im Glas kreisen: „Eigentlich nicht schlecht.“
Liams Schultern sackten ein Stück nach unten. Milo wagte als nächster, seinen Schneckenschleim zu trinken, der eine milchige Farbe hatte. Das Getränke schmeckte nach Kokos, und war so süß, dass er mit Sorge an das Gesicht der Waage nach der Hell-Hopping-Tour dachte.
Nach ihm trank Evelyn ihr rotes Blut, das sich als Tomatensaft herausstellte, und Luca kippte sein purpurnes Werwolfsgift in einem Zug herunter. Liams Getränk war blau und stellte sich als „Kuss der Geisterfrau“ heraus. Als Liam den ersten Schluck tat, taumelte er keuchend zurück: „Gehirnfrost!“
Die anderen lachten – bis auf Luca, der bereits wieder zum Buffet unterwegs war, und mit einem Teller voller schleimiger Dinge zurückkehrte, die sie zu beobachten schienen.
„Wie kannst du schon wieder was essen?“, fragte Amy entgeistert.
Luca grinste sie an: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“
Die Party kam nicht richtig in Gang, was zum Teil an der geringen Anzahl der Gäste lag. Andererseits schien auch niemand eine perfekte Stimmung zu erwarten. Das Personal war gut gelaunt und schien sich keineswegs über fehlende Euphorie zu beschweren.
Die fünf Rentner zogen irgendwann ab, und Milo merkte beim Zählen amüsiert, dass sich jetzt genau 13 Personen im Raum befanden: Sie, der junge Mann mit seinen fünf Begleiterinnen, und das Ehepaar. Letztere kamen zu ihnen herüber geschlendert, redeten dabei leise und schienen in einem freundschaftlichen Streitgespräch einander Paroli zu bieten.
Milo lächelte ein wenig gezwungen, als sich der ältere Russe und die junge, blonde Frau zu ihnen gesellten.
Der Mann streckte eine Hand aus: „Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie die Hell-Hopping-Tour machen?“
Er hatte einen starken, russischen Akzent. Dazu ging ein seltsamer Geruch von ihm aus, den Milo auf die Schnelle nicht einordnen konnte – süßlich? Faulig? Modernd? Der Junge ergriff die Hand und überantwortete seinen Arm dafür einem knochenbrechenden Händeschütteln.
„Ja, wir haben die Tour gebucht. Bevor die Uni anfängt und unsere Wege sich trennen, wollten wir nochmal zusammen das Land sehen.“
„Das ist sehr schön!“ Der Mann ergriff jetzt Evelyns Hand, jedoch deutlich vorsichtiger: „Mein Name ist Sergej Dimitri Vladimir Metschta. Er reicht, wenn ihr Dimitri sagt.“
„Ich heiße Milo“, sagte Milo perplex.
„Evelyn“, sagte Evelyn.
„Amy Fairfourth“, sagte Amy.
„Liam“, flüsterte Liam von hinten.
„Mhhluca!“, sagte Luca mit vollem Mund.
Dimitri schenke ihnen ein freundliches Lächeln und gab Jedem die Hand. Der leicht dickliche Russe trug einen stoppeligen Bart. Er hatte braune Haare, in die sich das erste Anzeichen von Grau mischte, und die ihm wild in alle Richtungen standen. Mit einer Hand schob er die zierliche Frau an seiner Seite vor: „Das hier ist Samira Hain.“
„Sam“, verbesserte die Frau und reichte eine schlanke Hand mit roten Fingernägeln in die Runde, wozu sie ein ehrliches Lächeln zeigte: „Ich habe Dimitri gezwungen, die Tour mit mir zu machen.“
„Sie sind verheiratet?“, platzte Milo heraus, worauf Sam nur lachte: „Nein, sind wir nicht. Wir sind gute Freunde.“
Dimitri warf ihr einen Blick von der Seite zu: „Wir kennen uns schon ewig. Es wäre euch nur zu wünschen, dass eure Freundschaften genauso lange halten. Leider ist das eine Seltenheit.“ In die braunen Augen stahl sich ein trauriger Ausdruck, der im nächsten Moment schon wieder vergessen war: „Auf eine gute Tour!“
Der Rest der Gruppe im Raum hatte offenbar ihr Gespräch beobachtet. Der Junge schlenderte zu ihnen herüber, eines der fünf Mädchen lässig im Arm. Dimitri und Sam machten ihnen Platz, als die sechs in die Runde traten: „Werden hier schon Pläne geschmiedet?“, fragte der junge Mann salopp.
„Wir haben uns nur vorgestellt“, sagte Evelyn mit kühler Stimme, die Milo fast erschreckte.
Der junge Mann lachte nur und deutete eine Verbeugung an: „Ihr gehört auch zur Tour, richtig?“
Die fünf Freunde, sowie Dimitri und Sam, nickten.
Der fremde Junge deutete auf seine wunderschönen Begleiterinnen: „Das hier sind Lily, Fay, Mira, Tee-jo und Wild Child“, stellte er sie vor. Eines nach dem anderen lächelten die Mädchen. Lily hatte schwarze, glatt zu einem Dutt zusammengenommene Haare und wirkte kühl und unnahbar. Fay war klein, mit dunkelblonden Locken, hinter denen sie sich schüchtern verbarg. Mira hatte kurze, blonde Haare und ein verschlagenes Grinsen in den grünen Augen. Fay sah ihr so ähnlich, dass Milo sie für Zwillinge hielt. Tee-jo hatte dunkle Haut, volle Lippen und voluminöse, schwarze Haare und Wild Child als Letzte hatte feuerrote Haare, blaue Augen und eine kecke Stupsnase.
„Und ich bin Sam“, sagte der junge Mann.
„Noch ein Sam?“*, hörte man Samira Hain sagen, woraufhin sich der schlanke Junge zu ihr umdrehte. Sam, der Zweite, hatte lebhafte, blaue Augen und unordentliche schwarzbraune Haare, die ihm auf die Schultern fielen.
„Meine Eltern haben mich Samstag genannt“, erklärte Sam Zwei beschämt, aber ehrlich: „Darf ich den Spitznamen Sami für Sie vorschlagen, Madam, um Missverständnisse zu vermeiden?“
Samira nickte gnädig. Milo merkte, wie sein Blick zu Lily, Mira, Fay, Tee-jo und Wild Child zurück glitt. Alle fünf beobachteten die Szene aus leuchtenden Raubtieraugen, ohne ein einziges Wort zu sagen. Sie waren schön, sie waren sogar verdammt schön, jede von ihnen auf eine andere Weise, so schön, dass Milo es mit der Angst bekam. Er musste auch zugeben, dass er schon wieder vergessen hatte, wem welcher Name gehörte.
Erst, als Evelyn seinen Arm drückte, konnte er den Blick von den fünf Frauen lassen.
Soeben war Sam Zwei damit fertig, alle nach ihren Namen zu fragen. Milo stellte sich als Letzter vor.
„Dann auf eine großartige Tour!“, verkündete Sam mit einem Grinsen, bevor er wieder verschwand und zu Milos Erleichterung seine fünf Schatten mit sich nahm. Samira und Dimitri entschuldigten sich und gingen ebenfalls ihrer Wege.
Milo hörte noch, wie Dimitri Samira in eine neue Diskussion verwickelte: „Wir sind genau 13 Leute – glaubst du, das wurde mit Absicht gemacht?“
„In dem Fall würden die Hotels doch die Gruppengröße absichtlich im Keller halten“, erwiderte Samira: „Glaubst du, das würde sich für sie auszahlen?“
Dimitri lächelte: „Es macht die Tour jedenfalls zu einem Erlebnis, besser, als wenn alles überlaufen wäre!“
„Dieser Sam ist ein schmieriger Typ“, sagte Evelyn, die an einem Kürbiskeks knabberte. Milo folgte ihrem Blick zu Samstag hinüber, der mit seinen fünf Mädchen in einer Ecke stand und lebhaft schwatzte. Die fünf Mädchen, die ihn umringten, schienen Milo sehr viel bedrohlicher – sie trugen allesamt schwarze Outfits, jede entsprechend ihres Aussehens elegant, enganliegend oder weit, mal Hose und Hemd, mal Minirock, mal Abendkleid. Dazu tonnenweise Make-Up und jedes Lachen oder Lächeln schien falsch zu sein.
Trotzdem nickte Milo: „Sam ist seltsam. Ich meine, Samstag, was ist das für ein Name? Aber die Mädchen gefallen mir auch nicht.“
„Danke, Schatz!“, sagte Evelyn und zog Milos Gesicht zu sich herunter, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken: „Aber ich frage mich wirklich, wie – naja, wie eines zum anderen passt.“
Milo wusste, was seine Freundin meinte. Die fünf Mädchen trugen allesamt lackschwarz, Samstag dagegen trug eine ausgeblichene Jeans und ein T-Shirt mit einem gelben, kotzenden Smiley auf rotem Grund. Dazu eine heruntergekommene Kappe, grün-blau, ohne Aufschrift, mit zerbrochenem Schirm. Und billige, nachgemachte Chuck Converse.
„Wir werden es vielleicht nie herausfinden – und das könnte besser sein“, sagte Milo und zog Evelyn enger an sich: „Ich glaube, spannender als das hier wird’s nicht. Sollen wir auf unsere Zimmer gehen?“
Evelyn sah ihn an, entdeckte das listige Funkeln in seinen Augen und nickte: „Sofort!“
Arm in Arm schlenderten sie auf eine der Türen zu, bis sich ihnen eine geschminkte Bedienstete in den Weg stellte. Aus einer gemalten Wunde auf ihrer Wange blitzen blutverschmierte Zähne und krabbelten Maden über deformiertes Fleisch. Ansonsten trug die Frau mädchenhafte Zöpfe und die Hoteluniform in weiß und grün.
„Wo wollen Sie hin?“, erkundigte sich die Frau.
„Auf unsere Zimmer“, antwortete Milo lässig, aber er spürte, wie sich Sorge in ihm regte: „Gibt es ein Problem?“
„Ich fürchte, ja. Sie können noch nicht nach draußen, nur in dringenden Ausnahmefällen. Tut mir sehr leid.“
Milo seufzte: „Tja, ich nehme an, so dringend war unser Anliegen nicht“, er zog Evelyn zurück zu den anderen, die ihnen neugierig entgegen sahen: „Was war los?“
„Wir dürfen nicht raus“, sagte Evelyn mit leisem Flüstern.
„Heißt das, wir sind in dieser Schlafpille eingesperrt?“, beschwerte sich Luca. Milo konnte nur nicken. Ihm gefiel der Gedanke auch nicht.
Liam trat unwohl von einem Fuß auf den anderen: „Ich müsste aber mal.“
Plötzlich zeigte Amy ein breites Grinsen: „Perfekt!“
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*Vollkommen sinnlose Anmerkungen zu diesen Namen. Samira wird (auch in der Kurzform als Sam) mit einem weichen S und einem normalen, deutschen A ausgesprochen, während die Kurzform von Samstag ein scharfes S und ein >Äh< hat. (Damit wird auch der Name >Samstag< amerikanisch ausgesprochen, tut aber nichts zur Sache.) Das hört ihr natürlich trotzdem nicht, wenn ich es schreibe, deswegen werde ich die Kurzformen nur benutzen, wenn klar sein sollte, wer gemeint ist. ^^ Falls es verwirrend wird, einfach melden.