Auf fremden Straßen:
Milo merkte als erster, dass der Wagen langsamer wurde. Er stieß Eve an, die auf seinem Schoß unruhig träumte. Amy und Liam waren bereits wach, Dimitri wurde von Samira geweckt und Luca, der bei Fay und den anderen saß, hatte offenbar nur die Augen geschlossen gehabt, ohne zu schlafen.
Es war Abend nach einem langen und eintönigen Tag auf der Autobahn. Ihr Fahrer hatte keine Pause eingelegt, nicht einmal, um zu tanken, und so waren sie schweigend im Verborgenen geblieben, unwissend, wohin ihre Reise ging.
Jetzt war es dunkel. Der Kleintransporter rollte endlich von der Autobahn und suchte sich bald seinen Weg über eine zerschlagene Landstraße, bis er endlich hielt.
Die 13 Versteckten sahen einander besorgt an. Die gleiche Frage stand in ihren Augen: Sollten sie sich endlich zu erkennen geben? Was würde dann geschehen?
Ihnen wurde die Entscheidung mehr oder weniger abgenommen, denn die Türen schlugen zu und die Schritte der beiden Menschen vorne entfernten sich rascher, als jemand von ihnen reagieren konnte. Dann hörten sie nur noch das Zirpen der Grillen und ein paar Käuzchen.
Milo streckte sich und bemerkte, wie verkrampft seine Muskeln von den Ereignissen der letzten Tage waren. Samstag kletterte zum Ende des Wagens und schlug dort die Plane beiseite. Eine sternenklare, kühle Nacht empfing sie.
"Das beste Wetter, das wir uns wünschen könnten", meinte Samstag und sprang vom Wagen. Die fünf Mädchen von ihm kletterten hinterher, dann folgten Luca, Eve, Amy, Liam und Milo. Samira half Dimitri als Letztem auf die Straße.
Es war eine Landstraße. In einiger Entfernung stand eine einsame Straßenlaterne, doch ansonsten war nichts zu sehen außer Wäldern und der dunklen, asphaltierten Linie, die sich hindurch schlängelte.
Es gab auch kein Haus und keine Spur von ihren Fahrern.
"Wo sind sie hin?", flüsterte Eve leise und fasste Milos Arm. Er sah sich um und spähte durch die beschlagenen Scheiben in das düstere Innere der Fahrerkabine. Es war nichts zu sehen.
Samstag leuchtete den Boden ab und entdeckte ein paar Fußspuren.
"Vielleicht sind sie nur in den Wald gegangen, um sich zu erleichtern", meinte der Junge, der nicht zu frieren schien, obwohl er bloß ein T-Shirt trug - das inzwischen auch ein gewisses Aroma entfaltete, doch so ging es ihnen allen.
"Wir können hier warten", schlug Dimitri vor und streckte seinen kräftigen Körper, bis die Knochen knackten.
Milo löste seinen Arm aus Eves Griff, doch nur, um ihn ihr um die Schulter zu legen.
"Wir warten auf die Leute, von denen wir wissen, dass sie mit dieser Klinik in Verbindung stehen?", fragte Lily entgeistert. Die kleine Schwarzhaarige hatte auf ihren Stöckelschuhen Probleme mit dem weichen Matsch am Waldrand.
"Sie sind doch nur irgendein Lieferdienst", meinte Samira erstaunt, aber Samstag schüttelte den Kopf: "Wir müssen damit rechnen, dass sie uns verraten könnten. Sie würden vielleicht Jemandem Bescheid geben, oder uns zurück bringen, weil sie uns für Verrückte halten. Es ist besser, wenn wir versuchen, einen anderen Wagen anzuhalten."
"Wir sollen per Anhalter reisen?", fragte Amy nervös, die vermutlich alle möglichen Gefahren im Kopf zusammenrechnete.
Milo sah, dass auch Eve auf ihrer Unterlippe kaute.
"Wir sind 13 Leute", sagte er mit mehr Zuversicht, als er empfand: "Was soll uns schon groß passieren?"
"Wir finden niemals ein Auto, in das wir alle rein passen!", gab Wild Child zu bedenken.
Mira zupfte an einer kurzen, blonden Haarsträhne: "Wir sollten die Hoffnung nicht so schnell aufgeben. Gehen wir die Straße entlang. Irgendwann wird ein Wagen vorbei kommen, oder wir erreichen ein Dorf."
Milo fand die Aussicht, mit geringer Hoffnung eine lange Wanderung zu beginnen, nicht eben erbaulich. Aber vielleicht war das ihre einzige Chance.
Er machte sich trotzdem Sorgen, denn er hatte nicht vergessen, was auf dem Dachboden auch gesagt worden war.
Unter ihnen sollten sich drei Verräter verstecken. Milo hatte nicht die geringste Ahnung, wer das sein sollte. Gehörten Samira und Dimitri eigentlich zum Hotel? Waren es drei aus Samstags Gruppe? Wer konnte ein Maulwurf der Veranstalter sein? Und woran würde er es erkennen können?