Im Wald:
Luca robbte hinter Samstag her. Die Nacht war kalt und dunkel, der Nebel so dicht, dass er den jungen Mann vor sich kaum erkennen konnte. Er folgte mehr oder weniger blind den Geräuschen von Samstag leisem Atem.
Seine Knie und Ellbogen schmerzten vor Kälte. Er hielt den Kopf tief, um nicht von irgendwo gesehen zu werden. Sein Herz schlug schnell. Er rechnete damit, dass eine Stimme erklang und ihnen befahl, stehen zu bleiben. Maike musste die Waschküche bereits verlassen haben. Ihre Flucht war also sicherlich bemerkt worden. Schlamm und Matsch verklebten Lucas Arme.
Und er hatte furchtbare Angst.
"Luca", zischte Samstags Stimme.
Luca erstarrte. Hatte der junge Mann jemanden gesehen? Waren sie in Gefahr? Oder waren sie an einem Zaun gelandet?
"Wir sind im Wald. Komm hoch!", zischte Samstag und fasste Lucas Ellbogen.
Er richtete sich erschöpft auf. Sein Rücken schmerzte. Die neue Uhr scheuerte an seinem Handgelenk und die letzten Tage forderten ihren Tribut von seinen schmerzenden Muskeln.
Der Wald war düster und unheimlich. Irgendwo rief ein Käuzchen, woanders raschelte es laut im Unterholz wie von einem großen Tier. Luca merkte, dass er den Schutz des Waldes nicht einmal annähernd als Schutz empfand. Wenn, dann fühlte er sich hier noch stärker beobachtet.
Er hielt sich dicht bei Samstag, der die Bäume nach Hinweisen von Tee-jo untersuchte. Die beiden Jungen stolperten über Äste und kleine Steine. Blätter strichen über ihre Gesichter und Luca lief in ein Spinnennetz, das sich in seinen Haaren und seinem Gesicht verfing und sich nicht abstreifen ließ.
Unter normalen Umständen hätte er geflucht, doch er wagte es nicht, Lärm zu machen.
"Hier lang", flüsterte Samstag.
Da durchschnitt ein gellender Schrei die Nacht.
Sofort setzte Lucas Herz einen Schlag aus. Er erkannte die Stimme!
"Milo!"
Plötzlich war jede Vorsicht vergessen. Er rannte los und hörte, wie Samstag ihm folgte. Das Messer in der Hand stürmte Luca durch den Wald. Hinter ihm schaltete Samstag die Taschenlampe an und leuchtete ihm. Sonst wäre Luca vermutlich gestolpert und hätte sich selbst erstochen.
Er hörte den Schrei ein zweites Mal. Entsetzliche Erinnerungen an Fay tauchten auf, wie er zu langsam gewesen war, um sie zu retten. Er lief nur noch schneller.
Der Schrei brach abrupt ab.
"Tee-jo!", rief Samstag hinter ihm.
Sie hörten andere Rufe vor sich. Luca sah andere Taschenlampen und erkannte dann Eves spitzen Schrei: "Nein!"
Er hielt an. Plötzlich wollte er nicht mehr weiter laufen. Eves Schrei hatte so hoffnungslos geklungen.
Samstag stürmte an ihm vorbei. Luca sah, wie die unterschiedlichen Gruppen an einer Stelle zusammen kamen. Er selbst blieb im Dunkeln stehen, plötzlich unfähig, einen einzigen Schritt zu tun.
"Nein! Lou!", rief Eve.
Und Luca hörte eine Stimme, eisig und körperlos wie der Wind.
"Essss gibt kein Entkommen. Dassss war unsssere letzzte Warnung."
Da wusste er Bescheid.