Lucas Zimmer:
Es klopfte.
"Herein."
Luca erwartete sie nicht, trotzdem war er wach, als sich die Tür öffnete und Amy, Eve, Milo und Liam das Zimmer betraten.
Sechs andere sahen mit Luca überrascht auf. Samstag und die fünf Mädchen in seine Begleitung hatten sich auf allen waagerechten Flächen in dem kleinen Zimmer verteilt. Die blonde Fay saß mit Luca auf dessen Bett, Tee-jo und Mira hatten sich auf die Kommode gesetzt, Wild Child und Lily saßen auf den beiden Stühlen und Samstag auf dem Tisch.
"Oh", machte Amy, als sie die Versammlung sah.
Luca grinste sie schief an: "Kommt ruhig rein."
Seine Freunde schlossen die Tür hinter sich. Mira und Tee-jo rutschten auf der Kommode zur Seite: "Hier ist noch Platz."
Doch die vier blieben lieber stehen.
"Was ist hier los?", fragte Amy.
"Wir haben draußen Jemanden gesehen", erklärte Fay, was sie die ganze Zeit besprochen hatten. Luca nickte.
"Wir auch", meinte Amy: "Ich hoffe, wir haben uns nicht gegenseitig gesehen."
"Kommt drauf an, wie lange ihr da draußen herum schleicht", sagte Samstag: "Wir sitzen hier seit dem Abendessen."
"Ihr habt nicht geschlafen?", fragte Eve und tastete nach ihrem Handy, wohl um die Uhrzeit zu überprüfen. Mit säuerlichem Gesichtsausdruck gab sie die instinktive Suche schnell wieder auf.
"Ich schließe daraus, dass es keiner von euch war", sagte Samstag und sprang von dem Tisch auf den Boden.
Die vier Neuankömmlinge schüttelten die Köpfe.
Luca schluckte nervös. Er war sowieso nicht müde gewesen, die Nähe zu gleich fünf wunderschönen jungen Frauen hatte ihn noch wacher gemacht, und jetzt schlich draußen auch noch eine unheimliche Gestalt herum.
"Ich hoffe, dass ist nur Teil der Show", meinte Amy: "Normans Mutter, die sich unheimlich benimmt und so."
"Normans Mutter?", fragte Milo.
Samstag sah sie an: "In Psycho werden die Menschen angeblich von der wahnsinnigen Mutter des Hotelbesitzers, Norman Bates, ermordet."
"Ermordet?", quiekte Evelyn.
"Am Ende stellt sich heraus, dass die Mutter mumifiziert im Keller sitzt und Norman sich als sie verkleidet hat", endete Amy.
Samstag nickte: "Wenigstens einer, der die Filme kennt."
Luca verzog den Mund zu einem schmalen Strich. So wichtig konnte das nun auch wieder nicht sein. Trotzdem versetzte es seinem Stolz einen Stich, als Fay zustimmend kicherte. Aus irgendeinem Grund wünschte er sich, er hätte sie so beeindruckt.
"W-was sollen wir d-denn machen?", fragte Liam.
"Wenn es wirklich Bates' Mutter sein soll, müssten wie sicher sein, solange Niemand duschen geht."
Luca fragte sich, was alle mit der Dusche hatten, doch er fragte nicht nach, um sich keine Blöße zu geben.
"Dann machen wir also einfach eine große Pyjama-Party?", fragte Milo cool und überging dabei die Tatsache, dass keiner von ihnen Schlafanzüge trug. Luca beobachtete, wie Eve sich an Milo drückte und verdrängte ähnliche Bilder, die plötzlich vor seinem Inneren Auge auftauchten und ihn und Fay beinhalteten.
"Wenn es wirklich nur ein Darsteller ist", sagte Samstag, "und kein Einbrecher."
Kurz senkte sich Stille über die Versammelten.
"Unwahrscheinlich. Wer sollte hier einbrechen?", fragte Amy.
"U-und was s-sollten wir schon gegen einen Ei-einbrecher tun?", sagte Liam: "Ich wäre t-trotzdem für Hierbleiben."
Samstag zögerte einen Moment wie überrascht. Luca bemerkte, wie alle fünf Mädchen zu dem jungen Mann sahen, wie Hunde, die einen Befehl erwarteten.
"Ach ja, ja", sagte Samstag dann, "Wir bleiben hier. Ist am Sichersten."
"Was hattest du denn vor? Im Alleingang einen Einbrecher zur Strecke bringen?", fragte Milo und lachte nervös.
"Natürlich nicht!", sagte Sam, "Wir sind ja elf Leute!"
"Das hier ist doch kein Jugendroman. Wir rufen die Polizei, wenn wir das Gefühl haben, etwas stimmt nicht!", meinte Amy.
"Ohne Handy?", fragte Eve, worauf Keiner eine Antwort wusste.
"Ist ja auch egal"; meinte Mira schließlich: "Black Stories?"
Sie zückte eine kleine, schwarze Schachtel.
Wenig später hatte die Gruppe einen Sitzkreis auf dem Boden gebildet und riet an einem neuen Rätsel. Samstag hatte eine Taschenlampe angemacht und in die Mitte ihres Kreises gestellt, sodass der Lichtkreis die Decke und damit auch den Raum erhellte. Das schwache Licht reichte, um die Gesichter der anderen zu sehen und keine allzu tiefen Schatten in dem Zimmer mit den ausgestopften Tieren zu lassen. Wer jedoch die Karte vorlas, musste eine weitere Taschenlampe nutzen. Zum Glück hatte jedes der fünf Mädchen eine Taschenlampe. Luca bekam die Leuchte von Fay in die Hand gedrückt und fühlte sich, als hätte man ihm ein sehr kostbares Geschenk gemacht.
Eve hatte den Kopf auf Milos Schoß gelegt und schlief halb. Milo strich ihr abwesend durch die Haare. Luca wunderte sich noch halb, seit wann er so aufmerksam auf das Paar achtete, als Mira plötzlich zusammen fuhr und die Taschenlampe ausstellte. In der plötzlichen Dunkelheit fragte Amy: "Was -?"
"Psst. Fenster", zischte die Stimme von Tee-jo.
Luca sah zum Fenster. Ein Schatten wanderte über die Gardinen, als ein Mensch an dem Fenster vorbei ging. Die elf Jugendlichen hielten den Atem an, als sich der Schatten der Tür näherte. Es war jemand großes, viel mehr konnten sie nicht erkennen.
Dann klopfte es.
Luca hörte, wie Jemand aufstand und zur Tür ging. Mira schaltete die Taschenlampe wieder an.
"Was zur Hölle tut ihr?", fragte er flüsternd.
"Mörder klopfen selten an", meinte Samstag, der an der Tür stand - und diese öffnete.
Herein kam Samira. Sie hob die Augenbrauen, als sie den Sitzkreis sah: "Hab ich mir doch gedacht, dass ich Stimmen gehört habe. Habt ihr Dimitri gesehen?"
Die elf schüttelten die Köpfe und Samira trat langsam in das Zimmer: "Ich mache mir Sorgen. Er ist nicht in seinem Zimmer."
Sie tauschten Blicke. War Dimitri der Schatten draußen? Oder war er vielleicht in Gefahr?
In diesem Moment klirrte etwas hinter ihnen, als eine Fensterscheibe zerbrach. Evelyn schrie. Die Jugendlichen standen innerhalb einer Millisekunde senkrecht.
Ein dunkel bekleideter Arm tauchte in dem mit Splitten besetzten Fensterrahmen auf. Jemand stand dort draußen! Und hatte vielleicht alles gehört.
Die Jugendlichen und Samira warteten nicht darauf, was noch geschah. Sie rannten durch die noch offene Tür nach draußen.