Ankunft:
Das nächste Hotel hieß "Hotel Blair", wie es ein großes Schild in der Auffahrt verkündete. Auf einem Hügel gelegen überblickte das Hotel mehrere Felder, nur an einer Stelle des Horizontes waren die Türme eines Industriegebietes zu sehen, ansonsten lag das weiße Gebäude in einer sehr idyllischen Lage.
Dieses Hotel war groß, ein offenes Gebäude mit riesigen Fensterfronten, weiten, geschnittenen Grünflächen und einem großen Poolbereich, der jetzt, im Herbst, natürlich nicht halb so einladend wirkte.
All das sah Milo noch aus dem Fenster des Busses, der über eine saubere Straße bis vor den Eingang der Tür fuhr. Die Hell-Hopping-Gäste wurden ausgeladen, gefolgt von ihrem Gepäck. Sie mussten eine breite Treppe hinauf, die aussah, als sei sie aus Marmor - genau konnte Milo das nicht beurteilen. Als sie in den weitläufigen Eingangsbereich traten, wurden sie sofort von einer Masse an Menschen aufgenommen, die an den zahlreichen Schaltern ein- oder auscheckte, Beschwerden meldete, weitere Angebote buchte, sich über Angebote informieren ließ, andere hotelbezogene Tätigkeiten mit höchstmöglicher Lautstärke ausführte, oder aber auf den Bänken im Foyer saß, Kaffee trank oder - wie die 13 Neuankömmlinge - völlig überwältigt dastand und nicht wusste, wohin mit sich.
Dimitri war derjenige, der die Führung übernahm und sie zielsicher auf eine junge Frau zulenkte, die ein Schild mit der Aufschrift "Hell-Hopping" über die Menge hielt. In Milos Augen ein schwarz-weißer, rechteckiger Rettungsring. Sie bekamen, wie auch im Hotel Fear, Ausweise umgehängt. Diesmal waren jedoch nicht einfach nur Zettel in dem Plastikviereck am Ende des Bandes, sondern eine elektronische Karte, die ihnen diverse Türen öffnen würde. Milo sah auf die Karte, während sie der jungen Frau, die sich als Maya vorstellte, durch ewig lange Gänge folgten, die an Flughafenterminals erinnerten.
Auf seiner Karte stand sein vollständiger Name, sein Geburtsdatum und sein Herkunftsland. Dazu seine Augen- und Haarfarbe, seine Größe und sein Gewicht, Anschrift, Handy- und Telefonnummer und einiges mehr. Sogar seine Unterschrift und ein Bild von ihm waren aufgezeichnet. Milo war sich nicht sicher, dass er all diese Daten bei der Anmeldung angegeben hatte. Ein wenig irritiert drehte er die Karte hin und her.
Schließlich erreichten sie ihr Zimmer. Diesmal hatten sie zwei Schlafsäle mit einer dünnen Trennwand, die sich öffnen ließ. Es gab zwei verschiedene Badezimmer, aber einen gemeinsamen Aufenthaltsraum mit Tischkicker, Fernseher, Minibar und einem Balkon. Die beiden Schlafzimmer waren ein großer Raum, in dem Platz für jeweils 10 Menschen war. Der Raum war verwinkelt, sodass sich einzelne Betten in Nischen verbargen oder durch Halbwände vor Blicken abgeschirmt waren. Trotzdem gab es keine dunklen Ecken, was vielleicht auch an den grellen Deckenlampen und der weißen Wandfarbe lag. Das Ganze war ein so krasser Gegensatz zu dem heruntergekommenen Motel, dass sie ewig brauchten, um mit den magnetischen Schränken zu spielen, Betten zuzuordnen und herauszufinden, wie man mit den Karten des Hotels Licht, Türschlösser, Rollläden und sogar die oberen Fächer der Kommoden steuerte.
Schließlich öffneten sie die Trennwand, zogen alle Stühle aus dem doch sehr schmalen Wohnzimmer in den Vorraum um und bildeten in der Mitte der beiden Schlafzimmer einen kleinen Sitzkreis.
In erster Linie, weil sie nicht vergessen hatten, was in der Nacht zuvor geschehen war. Dimitri hatte verlangt, die ganze Geschichte zu hören, also hatte Samira begonnen, zu erklären, dann hatte sich Samstag mit seinen Begleiterinnen dazu gesetzt und am Ende saßen sie alle im Kreis und brachten sich gegenseitig auf den gleichen Stand. Die Geschichte blieb jedoch gleich: Sie hatten eine Gestalt draußen gesehen, deren Beschreibung auf Niemanden aus ihrer Gruppe zutraf. Sie diskutierten auch darüber, inwiefern die Hand, die sie im Fenster von Lucas Zimmer gesehen hatten, ein Ast gewesen sein könnte. Niemand war sich mehr zu 100% sicher, was er gesehen hatte.
Dann kam das Gespräch auf die Anhänger um ihre Hälse.
"Warum müssen die das alles darauf schreiben?", fragte Eve und drehte ihre Karte in den Händen.
"Vielleicht ist das hier so üblich?", riet Dimitri, aber Tee-jo widersprach: "Die anderen Gäste haben auch Karten, aber keine so detailreichen."
"Dann gehört das wohl zur Show", überlegte Wild Child.
"Die Daten von der Anmeldung abdrucken? Was wollen die denn darstellen?", fragte Amy: "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mein Gewicht angegeben hätte."
"Sie haben das nicht von unserer Anmeldung", sagte Fay leise: "Ich habe als Augenfarbe grün angegeben, aber hier steht blau."
Milo sah das blonde Mädchen an. Sie hatte blaue Augen. Warum hatte sie dazu gelogen?
"Das ist schrecklich!", entfuhr es Evelyn und Milo berührte beruhigend ihren Arm. Sie nahm ihre Privatsphäre ernst, solange es nicht um Selfies auf Facebook ging. Er selbst war auch nicht gerade begeistert: "Vielleicht haben sie ja unsere Eltern gefragt", überlegte er und hoffte, eine logische Erklärung zu finden.
"Kann nicht sein", sagte Samstag trocken, ohne zu erklären, warum genau das unmöglich war. Sie betrachteten weiter ihre Karten.
"Also, wenn sie uns damit erschrecken wollen", sagte Samira: "Es ist ihnen gelungen."