Abschied von der Angst:
Da sie ihre Taschen gepackt hatten, blieb ihnen wenig zu tun, bis sie zum nächsten Hotel aufbrechen sollten. Es gab zwar eine Lesung der Gänsehautromane, doch nicht einmal Amy hatte Lust, diesen beizuwohnen.
Nachdem sich Samira und Dimitri in das private Zimmer des Mannes zurückgezogen hatten, verteilten sich die restlichen Jugendlichen in den anderen Zimmern. Evelyn kam zu Milo, Sam und seien Begleiterinnen belegten ein Zimmer, und auch die anderen suchten sich wortlos ein freies Bett und holten den versäumten Schlaf ein. Es wurde Mittag, aber Milo blieb liegen, Evelyn in seinem Arm. Sie schreckten einmal hoch, als ein Wolfsgeheul ertönte, doch eine Ansage machte klar, dass es nur das Signal zum Frühstück gewesen war. Milo hatte keinen Hunger. Er war Sportler und war aufgrund seiner strengen Diät daran gewöhnt, weniger zu essen. Evelyns Magen knurrte. Sie hatte am Vortag schon weniger gegessen, da sie auf das Fleisch verzichtet hatte.
„Willst du zum Frühstück?“, fragte er sie mit schwerer Zunge und Eve schüttelte nur den Kopf.
Milo schloss die Augen wieder und unterdrückte ein Gähnen.
Nach zwei Tagen mit wenig Schlaf dösten sie die ganzen Stunden, bis kurz vor Mittag an ihre Tür geklopft wurde. Es war eine noch recht verschlafene Amy, die als einzige den Zeitplan kannte und jetzt alle zusammentrommelte, damit sie sich für den Aufbruch bereit machten.
Es regnete diesmal nicht, als sie auf den Vorplatz marschierten, alle Taschen unter den Armen und noch immer ein wenig blass.
Statt des Busses, der sie hergebracht hatte, kam erst ein Auto die Auffahrt herauf, dann eine ganze Menge mehr. Es waren schwarze, unauffällige Wagen, die an Geheimagenten erinnerten.
„Wohin werden wir denn jetzt gebracht?“, hörte Milo Luca hinter sich flüstern.
„Zum MI6?“, riet er.
„Ich dachte mehr so an Cabin in the Woods“, murmelte Luca und beäugte die Wagen misstrauisch, dann sahen sie Amy an.
Die zuckte mit den Schultern: „Im Internet habe ich nur die ersten beiden Hotels herausbekommen. Sie waren ziemlich sparsam mit ihren Informationen.“
„Du weißt doch, dass wir in einen Freizeitpark kommen!“, beschwerte sich Luca.
„Ja, aber nicht, wann!“, gab Amy zurück.
In diesem Moment trat der Mann vor, der sie auch schon begrüßt hatte. Er deutete eine Verbeugung an: „Ihr habt durch großes Glück überlebt. Aber die nächste Station wird umso grauenvoller, und ihr werdet euch bald wünschen, weniger glücklich gewesen zu sein. Diese Wagen bringen je einen von euch zu Bates Motel.“
„Bates Motel!“, zischte Amy: „Das wird ja immer besser.“
„Was ist Bates Motel?“, fragte Milo verwirrt, während der Mann von der Anmeldung ihre Marken einsammelte, auf denen sie noch als Hell-Hopping Opfer bezeichnet wurden.
„Kennst du „Psycho“ nicht?“, fragte Amy und riss entsetzt die Augen auf, als Milo den Kopf schüttelte: „Wie kann man den Film nicht kennen?! Von Hitchcock, der mit der berühmten Duschszene.“
Milo spürte, wie Evelyn an seiner Seite erschauerte: „Der, mit dem Tierpräparator? Und da sollen wir hin?“
Amy blicke zu den Wagen. Es waren dreizehn dunkle Gefährte, die Fahrer allesamt dunkel gekleidet.
„Offensichtlich“, murmelte sie.
Milo furchte die Stirn und überlegte, ob er von dem Film nicht doch einmal gehört hatte. Wenn Evelyn ihn kannte, konnte der doch nicht so unbekannt sein!
Jeder von ihnen musste alleine in einen Wagen steigen. Milo gab Eve zum Abschluss einen Kuss und eine Umarmung: „Im Hotel sehen wir uns ja wieder“, versprach er: „Und immer dran denken: Es ist nur eine Show.“
Eve nickte, aber er sah, wie sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Niemand wirkte besonders glücklich damit, zu den Fahrern in ein Auto zu steigen. Erst recht nicht, als ihnen erklärt wurde, dass die Autos alleine losfahren würden, jeweils eine Viertelstunde auseinander.
Milos Fahrer schwieg und starrte nach draußen, während er darauf wartete, dass die Dreiviertelstunde verging, die sie warten musste. Milo spielte nervös mit seinem Anschnallgurt und überlegte, ob er vielleicht die Wartezeit verkürzen sollte, indem er zu Evelyn ging, die noch deutlich länger würde warten müssen.
Doch die Türen waren abgeschlossen, und als Milo aufsah, beobachteten ihn die dunklen Augen des Fahrers im Rückspiegel, ohne einen Ton zu sagen.