Am Nachmittag:
Die Hell-Hoppingtour hatte einen ganzen Flügel mit Einzelzimmern für sich allein. Zu ihrem Flügel gehörte auch ein Sportzimmer, ein großer Balkon mit Aussicht auf den Innengarten - er war gleichzeitig das Dach des Säulenganges zwei Stockwerke tiefer - und ein Speisesaal, sowie eine Bibliothek, in der Amy erst einmal verschwand, als hätten sie keine Sorgen.
Der Gang war eigentlich für 15 Zimmer ausgelegt, doch zwei Zimmer relativ mittig waren offenbar zusammengelegt worden und bildeten einen kleinen Gemeinschaftsraum. Hier saß Milo und hörte sich Eves Monolog an, die sich über die ganzen Kleinigkeiten beschwerte, die ihnen bisher aufgestoßen waren. Er wusste, dass sie diese Momente manchmal brauchte. Er hörte zu, brummte ab und zu zustimmend und bestätigte, dass das Ganze furchtbar war. Eve lag auf seinen überkreuzen Beinen auf dem Sofa.
Irgendwann setzte sich Amy zu ihnen, die Nase in einem Buch. Samira und Dimitri tauchten irgendwann nach dem Mittagessen auf, und kurz nach ihnen kam Liam, der für Amy, Milo und Eve etwas mitgebracht hatte. Auch einen Teller für Luca hatte er dabei, da weder er, noch Samstag und die Mädchen aufgetaucht waren, seitdem sie ihre Zimmer bezogen hatten. Doch Luca war nicht da, und im Verlauf des Tages knabberten die anderen seine Portion weg, während sie abwarteten, lasen oder im Sitzen vor sich hin dösten.
Während der Fahrt hatten sie beschlossen, einen weiteren Ausbruchsversuch zu starten. Bei der Anmeldung hatten sie schon nach einem Verantwortlichen gefragt, doch wieder hatte man ihnen Niemanden nennen können. Die Villa Diodati schien zwar freundlicher als die sonstigen Hotels zu sein, doch Eve wollte immer noch fort, und Milo würde ihr folgen.
Allerdings glaubte er, dass es hier nicht ganz so schlimm werden würde.
Amy sah auf die Uhr und seufzte.
"Hmm?", machte Liam.
"Wir verpassen gerade eine Lesung aus "Dracula"", erklärte sie.
"Willst du hingehen?", fragte Samira.
Amy zuckte mit den Schultern: "Ich kenne das Buch. Aber irgendwie ..."
"Wir haben sowieso Zeit", bot Samira an: "ich gehe mit dir."
Amy überlegte, dann schloss die das Buch, in dem sie bisher gelesen hatte und nickte: "Gut."
"Noch wer?", fragte Samira.
Dimitri winkte ab, Eve schüttelte den Kopf. Milo und Liam reagierten nicht.
Samira und Amy gingen. Milo fuhr nachdenklich durch Eves Haare. Der Regen prasselte weiter gegen die Scheibe.
Dann ging die Tür zum Zimmer wieder auf. Amy und Samira kamen herein: "Die Tür ist zu!"
"Was?", fragte Eve alarmiert.
Sie sprang auf. Milo brauchte länger, weil sein Bein unter Eves Gewicht eingeschlafen war. Auch Liam erhob sich, Dimitri blieb sitzen und fing nur Samiras Blick auf. Einen Moment schien es, als würden sie sich wortlos verständigen, wie gute Freunde oder ein Ehepaar.
In größerer Gruppe zogen sie den Gang entlang zu der großen Tür am Ende des Flügels. Demonstrativ rüttelte Amy an beiden Griffen, drückte und zog und zeigte, dass die Tür sich kein Stück bewegte. Trotzdem versuchte Milo es selbst.
Die Tür rührte sich nicht. Er konnte sogar das Metall des Riegels sehen. Wütend warf er sich mehrmals mit der Schulter gegen die Tür, doch sie war viel zu stabil für seine Versuche.
"Sind wir hier eingesperrt?", fragte Eve, kreidebleich im Gesicht.
Milo nahm sie in den Arm: "Keine Angst, Babe. Wir finden einen Weg hier raus."
"Jetzt, bitte", meinte Eve mit bettelndem Unterton.
"Noch heute Nacht", versprach Milo.