Im Keller:
Im Keller roch es schimmelig, ein Geruch, den Amy noch gut von einem lange zurückliegenden Wasserschaden in ihrer Wohnung kannte. Es war bestimmt 10 Grad kälter als es draußen gewesen war. Zitternd wickelten sich die Eindringlinge in die stille Dunkelheit tiefer in ihre Jacken.
Ein zweiter Geruch stieg Amy in die Nase. Er war widerlich süß, eine Mischung aus Fäulnis und dem aufdringlichem Odem einer Blume, ein intensiver Geruch, der Amy schnell auf den Magen schlug.
"Was stinkt hier so?", fragte Eve flüsternd. Die anderen sahen besorgt aus.
Es war dunkel. Amy tastete am Fuß der Treppe nach einem Lichtschalter an der Wand, aber Mira, die neben ihr hinabgestiegen war, schaltete eine Taschenlampe ein.
Der Lichtfinger tastete über den Boden, der von dunklen Flecken übersät war.
Amy stolperte zurück: Die Flecken bestanden aus einer dunklen Flüssigkeit.
"Blut!", hauchte Eve und Amy wusste, dass die andere recht hatte. Der metallische Geruch war ein Teil der verwirrenden Geruchsmischung.
Ganz langsam kroch das Grauen Amys Rücken hinauf, schleichend wie ein Wassertropfen, nur dass es bergan ging. Sie atmete flach und rasch.
Nur Tee-jo drängte sich sanft zwischen ihnen hindurch und ging weiter, mit einer zweiten Taschenlampe. Der Lichtstrahl tastete weiter.
Und fand einen Arm. Es war ein Arm ohne Ellbogen, denn knapp vor der Stelle, wo das Gelenk sein müsste, klaffte nur eine helle, blutige Wunde. Hand und Arm waren breit, mit dunkelbraunen Haaren bewachsen und von Neurodermitis entstellt, rote Flecken, die sich über die teigige Haut verteilten.
Samira presste eine Hand auf den Mund: "Nein!"
Amy prallte vor dem Anblick zurück. Ihr Magen rebellierte, sie würgte. Wie eine Welle ging die Panik durch ihre Reihen und sie stolperten wieder nach draußen. Samstag war vielleicht der Einzige, der noch ein wenig die Kontrolle behielt, denn sogar seine Begleiterinnen gaben Angstlaute von sich und Wild Child übergab sich genauso wie Eve.
"Los!", rief Samstag und lief voraus. Amy folgte ihm ohne zu Zögern in den Wald. Ohne noch darüber nachzudenken, dass sie keine Chance hatten, rannten die elf in den Schatten unter den Bäumen, getrieben von dem Grauen, das in ihrem Nacken saß wie ein wildes Tier, das seine Klauen in ihr Fleisch geschlagen hatte.
Sie rannten über den weichen Boden, die braunen Nadeln dämpften ihre Schritte, die eng stehenden Stämme schluckten das Geräusch ihres keuchenden Atems. Zuerst stürmten sie nur blindlings vorwärts, weit auseinandergezogen. Amy folgte der schattenhaften Gestalt von Samstag, der einige Schritte vor ihr lief und schon kaum noch zu erkennen war. Äste schlugen ihr ins Gesicht, tiefhängende Äste ohne Nadeln, die sie in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Sie hörte die anderen.
Als ihnen der Atem ausging, machten sie eine kurze Pause. Amys wartete, die Hände auf die Knie gestützt. Samstag stand aufrecht und atmete ruhig, als könnte er nicht außer Atem geraten. Seine Augen wanderten über diejenigen, die aus dem Unterholz zu ihnen stolperten. Er zählte sie. Amy musste würgen und spürte brennende Magensäure im Hals. Sie spuckte aus und konnte kaum atmen. Die Säure schien ihre Kehle zu zerfressen, prickelte durch ihre Nase bis in den Kopf hinein und ließ ihre Augen tränen. Sie musste etwas trinken, doch sie hatten nichts bei sich. Nur die Aktentasche von Dimitri.
"Keiner von euch hat seine Tasche?", fragte Samstag die Mädchen.
"Entschuldigung", sagte Fay leise.
Samstag winkte ab: "Wir können neue Waffen holen. Weiter jetzt."
Amy stolperte Samstag hinterher. Sie hoffte, dass er sie alle in Sicherheit führen würde. Ihre Hände zitterten. Ihr war schlecht. Schweiß bedeckte ihren Körper.
Das Einzige, was sie weiter trieb, war die Angst, Samstag zu verlieren.