In Evelyns Zimmer:
Der Kopf schwirrte ihr von dem, was Luca ihnen erklärt hatte. Samstag und die fünf Mädchen sollten Geheimagenten sein? Die Hell-Hopping-Tour war verflucht? Alle bisherigen Gäste waren verschwunden, und sie waren auf dem besten Weg, ihnen ins Vergessen zu folgen?
Evelyn lag in der Dunkelheit ihrer Zelle wach. Die ganze Geschichte war so verrückt, so unglaublich. Aber sie hatte vieles in den letzten Tagen gesehen, dass sie die Welt mit neuen Augen sehen ließ. Sie glaubte es beinahe ohne Vorbehalte. Mit dieser Tour stimmte etwas wirklich nicht. Ihr machte das Ganze Angst. Vielleicht würde sie niemals zu ihren Eltern zurückkehren. Dabei hatte sie ihre ganze Zukunft noch vor sich. Sie wollte nach England gehen, zusammen mit Milo, und danach studieren. Sie wollte so vieles!
Diese Tour durfte einfach nicht das Ende sein.
Sie hörte ein Geräusch. Schritte, die sich über ihr bewegten. Evelyn ignorierte das Geräusch. Über ihr befand sich allerhöchstens noch ein Dachboden. Sie starrte weiter aus dem vergitterten Fenster, durch das schwaches Mondlicht in ihr Zimmer fiel und Muster auf den Boden und an die gegenüberliegende Wand warf.
Doch die Schritte hörten nicht auf, sie wurden nur leiser und lauter, aber in einem gleichbleibenden Rhythmus, als würde Jemand auf und ab gehen.
Schließlich rutschte sie aus dem Bett. Sie hatte keine Lust mehr, sich von seltsamen Geräuschen einschüchtern zu lassen. Die Angst wurde von Wut verdrängt, als sie ihre Tür aufdrückte und auf den Gang schlich.
Über ihr hörte sie jetzt mehrere paar Schritte und gedämpfte Stimmen.
"Eve!", zischte eine Stimme.
Sie sah sich um und entdeckte, dass das kleine Gitter in der Tür zu Milos Zimmer offen war. Die Augen ihres Freundes sahen sie durch die Schlitze an: "Mach die Tür auf!"
Sie ging zu ihm und zog an dem Griff, aber die Tür rührte sich nicht.
"Bist du eingeschlossen?", fragte sie, die Stimme plötzlich einen Ticken schriller.
Milo nickte: "Du nicht?"
"Offensichtlich!"; zischte sie zurück und suchte nach einem Riegel oder etwas ähnlichem, doch offenbar brauchte man einen Schlüssel, um ihre Freunde zu befreien. Jetzt hörte sie auch die anderen, die an ihren Türen erschienen waren. Sie alle waren eingesperrt. Über ihr ertönte ein Poltern und dann ein dumpferes Geräusch, als ob etwas umgefallen wäre.
"Was ist da los?", fragte sie laut.
"Egal, was es ist. Geh besser in dein Zimmer", flüsterte Milo. Eve sah ihn an und zögerte.
Etwas klickte, dann flog eine der Türen auf. Eve unterdrückte einen Aufschrei, doch es war nur Samstag, der grinsend eine Haarnadel in die Höhe hielt. Nur wenig später öffneten sich die Türen von Mira, Fay, Wild Child, Tee-jo und Lily beinahe synchron. Die sechs beeilten sich, den Rest ihrer kleinen Gruppe zu befreien.
Gemeinsam standen sie dann in dem Gang, der vom schwachen Mondlicht beleuchtet war. Milo nahm Eve beschützend in den Arm, aber sie schüttelte ihn ab. Sie wollte nicht immer beschützt werden müssen.
"Ich will wissen, was hier vor sich geht!", sagte sie mit fester Stimme: "Ich gehe da rauf."
Samstag nickte den fünf Mädchen zu, die alle ein Messer zückten. Dimitri hob eine Augenbraue und Samira lächelte. Sie berührte den Russen an der Schulter: "Ein Abenteuer! Was sagst du dazu?"
"Oh Freude", sagte der Russe tonlos.
Samstag hatte bereits den Aufstieg zum Dachboden entdeckt, eine schmale Treppe nah bei dem Ausgang. Auf dem Weg rüttelte Amy einmal versuchsweise an der Tür nach Draußen, doch auch diese war abgeschlossen.
"Das wird ja immer besser", flüsterte sie leise.
Samstag kletterte die Treppe zuerst hoch, eine Taschenlampe gezückt und ein Messer hinter dem Rücken umklammert. Obwohl die fünf Mädchen ihm folgen wollten, drängte Eve sich auf die zweite Position. Sie hatte es satt, das ängstliche, kleine Mädchen zu sein.
Und so zog die Gruppe nach oben.