Genefa griff nach dem Seil, an dessen Ende sich in der Küche ein kleines Glöckchen befand. Sie zog daran und nur wenig später erschien ein adrett gekleidetes Dienstmädchen.
„Madam, Ihr habt rufen lassen“, grüßte die Kleine artig. Dabei knickste sie.
„Bitte serviere den Tee“, gab Genefa ihr die Anweisung, worauf das Mädchen sofort die Bibliothek in Richtung Küche verließ.
„Gutes Personal ist heutzutage rar“, sagte die Hausherrin. „Wir haben mit unserem viel Glück. Es ist verschwiegen und verlässlich.“ Nicht ohne Stolz blickte sie auf ihren Gatten, der mit Sir Selwyn bereits Platz genommen hatte.
„Sally, Liebes, setz dich doch“, bot Genefa ihrer Freundin den Platz neben Selwyn an, der sofort aufstand, um Sally den Stuhl zurecht zu rücken.
Dann kam auch schon das Mädchen aus der Küche. Auf einem Tablett trug es eine Kanne mit frisch aufgebrühtem Tee und eine Schale mit Gebäck.
„Danke, Lilian, du kannst nun gehen“, sagte Genefa zu ihrem Hausmädchen. „Den Rest übernehme ich. Bitte sorge dafür, dass wir nicht gestört werden.“
„Sehr wohl, Madam“, erwiderte die Angesprochene und entfernte sich diskret durch eine Seitentür, die sie hinter sich schloss. Wie Sally es auch aus dem Haushalt ihres Vaters her kannte, vermutete sie, das Mädchen wartete in geringer Entfernung, um weitere Befehle so schnell wie möglich entgegen nehmen zu können.
„Nachdem wir nun allein und ungestört sind, können wir gleich zum Punkt unseres heutigen Treffens kommen“, begann Rynard als Erster. „Wie mir Genefa mitteilte, soll Sally bereits nächste Woche auf Geheiß ihrer Stiefmutter nach Canterbury ins Kloster reisen.“
Zustimmend nickten alle.
„Da wir alle darüber Bescheid wissen, denke ich, wir sollten diesen Punkt überspringen und gemeinsam überlegen, wie wir Sally davor bewahren können.“
„Das Thema ist wirklich sehr akut“, erklärte Sir Selwyn besorgt. „Lilith hat sich so in Sally verbissen, dass es mir Angst macht, unsere Freundin nur eine Minute mit ihr allein zu lassen.“
„Dass Lilith nicht gerade gut auf Sally zu sprechen ist, ist uns wohl bekannt“, sagte Rynard. „Doch würde sie wirklich so weit gehen und dir etwas antun, nur um schneller zum Ziel zu kommen?“
„Das würde sie. Adrian ist ihr erstes Opfer“, berichtete nun Selwyn anstatt von Sally und erzählte dann, was er am Tag zuvor auf Adrians Trauerfeier und am Abend beobachtet hatte.
„Sir Selwyn, Ihr meint, meine Stiefmutter hat meinen Vater auf dem Gewissen?“, stieß Sally erschrocken aus. „Und sie würde auch mich…?“ Sie mochte gar nicht weiter denken, was Lilith alles planen könnte, nur um auch sie aus dem Weg zu räumen.
„Das würde sie auf jeden Fall. Da bin ich mir leider sehr sicher. Lilith war schon als Kind und junge Frau sehr hinterlistig. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert“, bestätigte Selwyn. „Bei Adrian ist sie bereits am Ziel angekommen. Nun stehst nur noch du ihr im Weg. Ich denke, sie plant nicht erst seit gestern und vorgestern, die Hürden aus dem Weg zu räumen. Sie sieht nur das Geld. Dafür geht sie auch über Leichen.“
„Deshalb will sie mich ins Kloster abschieben. Da ich mich strikt dagegen weigere, will sie mich aus dem Weg räumen lassen“, erkannte Sally richtig. Ihr grauste es bei dem Gedanken.
„Richtig!“, bestätigte Selwyn. „Deshalb bin ich dafür, dass du erst gar nicht nach Hause zurückkehrst, bis Lilith und ihre Handlanger dingfest gemacht wurden.“
„Wo soll ich hin, wenn nicht nach Hause?“, fragte Sally verzweifelt. „Aber erregt es keine Aufmerksamkeit, wenn ich nicht zurück nach Hause gehe und so tue, als wäre nichts geschehen? Lilith wird ganz bestimmt eins und eins zusammen zählen können, warum ich plötzlich nicht nach Hause zurückkehre.“
„Da hast du recht. Aber wir können dieses Risiko nicht eingehen. Außerdem ist mein Haus groß genug“, schlug Selwyn vor.
„Sir Selwyn! Das geht auf gar keinen Fall! Es geziemt sich nicht für eine junge Lady, sich ohne Anstandsdame unter dem Dach eines Junggesellen, wir Ihr einer seid, aufzuhalten, geschweige denn für längere Zeit zu wohnen“, empörte sich Genefa nicht ohne Grund über Selwyns Vorschlag.
Sally wurde rot. Auch Selwyn bemühte sich, seine aufkommende Verlegenheit zu verbergen. Er wollte erst einwerfen, Sallys Zofe wäre ebenso willkommen, doch dann ließ er es lieber sein, um die Gastgeberin nicht zu erzürnen.
„Natürlich kann Sally unter unserem Dach bleiben, wenn sie es möchte“, sprach Genefa weiter. „Rynard, du hast doch nichts dagegen. Sag doch auch was!“ Sie stieß ihren Gatten in die Seite, um ihn zum Antworten zu animieren.
„Da stimme ich meiner Genefa zu. Du kannst natürlich hier in unserem Hause bleiben, wenn du es wünschst. Es sei denn, du legst Wert darauf, unter Sir Selwyns Dach zu wohnen, in dem Risiko, zum Gerede der Gesellschaft zu werden, was Selwyn zwingen würde, dich zu ehelichen.“
„Rynard, was denkst du denn? Sally will nicht heiraten. Sir Selwyn bestimmt auch nicht.“ Genefa richtete ihren Blick auf den neben Sally sitzenden Freund, der inzwischen komplett die Contenance verloren hatte und nicht wusste, wohin er zuerst schauen sollte.
„Nun, Sir Selwyn, wollt Ihr denn Miss Sally heiraten?“, fragte Rynard scherzhaft, nicht wissend, Selwyns wunden Punkt getroffen zu haben.
„Du bist wirklich unmöglich“, stellte Genefa fest. „Wir sind nicht hier, um Scherze zu machen, sondern um Sally in ihrer Not zu helfen.“
„Sehr wohl, liebste Gattin“, scherzte Rynard weiter. Doch dann blickte er zu Sally hinüber, die Selwyn ansah wie die Schlange das Kaninchen.
Sallys Herz schlug schneller als gewollt. Die Idee, mit Sir Selwyn unter einem Dach zu leben, fand sie nicht einmal so schlimm. Sie könnte sich vielleicht sogar damit anfreunden, seine Frau zu werden. Nur zum Gerede der Gesellschaft wollte sie keinesfalls werden. Ein wenig verträumt sah sie zum Jugendfreund ihres Vaters hinüber, der genauso geistesabwesend schaute wie sie selbst. Doch dann riss sie sich zusammen. Es durfte nicht sein, dass sie sich in Adrians Freund verliebte. Sie wollte unverheiratet bleiben und sich nie einem Mann unterwerfen.
„Sally, träumst du!“ Genefa stieß Sally an.
„Was ist?“, schrak diese zusammen.
„Ich habe dich gefragt, ob du bei Rynard und mir bleiben möchtest. Hier bist du erst einmal sicher vor deiner Stiefmutter“, klärte sie die Freundin auf.
„Ja, natürlich. Nichts lieber als das. Wenn es euch nichts ausmacht“, erwiderte Sally. „Doch, ich muss trotzdem nochmals nach Hause und meine Garderobe holen.“
„Sehr schön“, entgegnete Genefa. „Aber warum sollte es uns etwas ausmachen, wenn du bei uns bleibst? Wir helfen dir gerne.“ Die Hausherrin stand auf und ging zur Schnur, dessen Ende in der Küche an einem Glöckchen endete, um nochmals nach dem Hausmädchen zu klingeln. „Richtet bitte unser schönstes Gästezimmer her. Miss Sally wird einige Zeit unser Gast sein“, befahl sie Lilian, die sofort herbeigeeilt war, um nach den Wünschen ihrer Herrin zu fragen.
„Der Aufwand für heute ist zu hoch. Das hat Zeit bis morgen. Diese Nacht werde ich noch zu Hause verbringen“, sagte Sally, als Lilian die Bibliothek verlassen hatte. „Ich möchte noch einiges von meiner Garderobe und meinen Schmuck hole. Es wäre schade, wenn meine Stiefmutter den Schmuck an sich reißen würde.“
„Ist das nicht zu gefährlich?“, warf Selwyn seine Bedenken über Sallys Vorhaben ein.
„Ihr seht wieder alles schwarz“, meinte Sally daraufhin lachend. „Was soll schon geschehen? Ich glaube kaum, dass Lilith so offen etwas gegen mich unternehmen wird. Da ich nächste Woche sowieso ins Kloster gehe, wird sie mir wohl noch einige Tage bei meiner besten Freundin zugestehen. Natürlich gehe ich nichts ins Kloster, aber das weiß sie ja nicht. Ich werde mich einfach wie eine folgsame Stieftochter verhalten, damit sie keinen Verdacht hegt.“
„Wenn du es so siehst, werde ich nichts dagegen sagen. Aber lass mich dich wenigstens nach Hause bringen“, erwiderte Selwyn „Morgen in aller Frühe werde ich dich wieder abholen und dich hierher begleiten.“
„Wenn Euch das beruhigt, tut das bitte“, sagte Sally und lächelte Selwyn freundlich an.
„Wo kommst du her? Seit wann treibst du dich herum wie eine Dirne? Wenn das dein Vater wüsste!“, keifte Lilith, als Sally am späten Abend mit Selwyns Kutsche vorfuhr. Selwyn half ihr eben beim Aussteigen, als Lilith aufgebracht die Treppe heruntergestürmt kam und Sally außer sich vor Wut anschrie.
„Lilith wie sie leibt und lebt“, kam es zynisch von Selwyn, der über ihr hysterisches Geschrei keine Miene verzog. Er hätte Adrians Witwe gern herzlich gegrüßt, doch ihr unmögliches Verhalten ließ dies nicht zu. „Ich glaube kaum, dass dich das etwas angeht. Immerhin ist Sally alt genug. Du musst sie nicht mehr ans Gängelband nehmen wie ein kleines Kind.“
„So lange sie in meinem Haus lebt, hat sie zu tun und zu lassen, was ich will. Wer weiß, wo sie sich herumtreibt, wenn sie nicht unter Aufsicht ist. Sie hat zu viel von Susans Blut in sich, die sich auch lieber mit Männern herumtrieb und sich ein Kind machen ließ.“ Der Hass auf Sallys Mutter ließ ihr Gesicht wie eine bösartige Fratze aussehen. Ihr Gesicht lief vor Groll über Sallys Abwesenheit rot an. Heftig fächelte sie sich Luft zu, um besser atmen zu können.
„Liebste Lilith. Ob dies dein Haus ist oder nicht, steht noch in den Sternen. Aber dass du eine Tote derart verunglimpft und beleidigst, ist wirklich sehr unschön von dir und vollkommen unakzeptabel. Deine Kinderstube scheint nicht besonders gut zu sein, wenn du so etwas über Menschen behauptest, die sich nicht mehr wehren können.“ Aus Selwyns Worten quoll die Ironie. „Adrian hätte garantiert nichts dagegen, wenn ich mit seiner Tochter ausgehe. Immerhin bin ich ein Ehrenmann, der weiß, was sich gehört und dem dein verstorbener Mann immer vertraut hat. Halt! Stopp! Ehe du dich wieder aufregst. Wir waren keinesfalls allein. Der Anstand blieb also gewahrt, wenn du darauf anspielen solltest.“
Lilith blieb nun gänzlich die Luft weg. Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte ohne ein Wort zurück ins Haus.
„Morgen früh hole ich dich hier ab“, sagte Selwyn zum Abschied zu Sally, als Lilith die Haustür hinter sich zugeworfen hatte. „Nehme nur mit, was du nicht entbehren kannst. Und bitte, gib acht auf dich.“ Zum Abschied küsste er ihr die Hand, was sie zart erröten ließ.
„Ich gebe auf mich acht, versprochen“, erwiderte Sally lächelnd, dabei noch mehr errötend. „Bis morgen, ich freue mich“, sagte sie noch, ehe sie ins Haus ging und einen ihr verträumt nachblickenden Selwyn zurückließ.
„Adelaide, hilf mir beim Packen“, sagte Sally zu ihrer Zofe, als diese Sallys Schlafgemach betrat, um sich zu erkundigen, ob ihre Herrin ihre Dienste benötigt.
„Ihr wollt verreisen? Für wie lange? Was wollt Ihr alles mitnehmen?“ Die Fragen purzelten ungebremst aus Adelaides Mund.
„Nur meinen Schmuck, ein oder zwei Kleider, die Toilettensachen“, bestimmte Sally zu Adelaides Erstaunen. „Für wie lange, das kann ich noch nicht sagen“, sprach sie weiter, ehe das Mädchen weitere Fragen stellen konnte. Sally durchwühlte ihre Truhe, in der ganz unten allerlei Krimskrams, ihre Schatulle mit dem Schmuck und etwas Geld versteckt war.
„Miss Sally, ist noch so viel Zeit, meine Eltern zu unterrichten?“, fragte Adelaide. „An meinem nächsten freien Tag wollte ich sie besuchen.“
„Du wirst nachher, wenn wir hier fertig sind, zu ihnen fahren“, erwiderte Sally. „Morgen früh werde ich ebenfalls abreisen und noch einige Tage bei meiner Freundin Genefa bleiben, bis ich nächste Woche nach Canterbury gehen werde.“
Adelaide wurde blass. Ihre Lippen zitterten, in den Augen standen Tränen. „Miss Sally, Ihr kündigt mir meine Anstellung?“, fragte sie ganz heiser vor Schreck, dass Sally sie kaum verstehen konnte.
Sie ging schnell zu dem Mädchen, um es zu beruhigen und aufzuklären. „Adelaide, ich will dir nicht kündigen. Ich möchte nur, dass du in Sicherheit bist, denn ich glaube, in der nächsten Zeit wird es hier recht ungemütlich zugehen. Also tu bitte, was ich dir sage und warte bei deinen Eltern, bis ich dich rufen lasse. Du erhältst für diese Zeit deinen Lohn weiter. Für dein Auskommen wird somit auch gesorgt sein und du musst deinen Eltern nicht auf der Tasche liegen.“
Adelaide fiel ein Stein vom Herzen. „Ihr seid so gütig mit mir“, wisperte sie. „Doch ich kann den Lohn nicht annehmen, wenn ich nicht arbeite.“
„Doch, das wirst du. Ich dulde keine Widerrede. Warte einfach, bis ich dich rufen lasse. Falls etwas sein sollte, lass Mistress Genefa eine Nachricht zukommen.“
„Ihr seid zu gütig mit mir“, sagte Adelaide nochmals.
„Nun ist es aber genug der Dankesworte“, schimpfte Sally scherzend. „Hilf mir lieber beim Packen.“
Nachdem die beiden Frauen alles erledigt hatten, schickte Sally nach dem Einspänner, der Adelaide zum Haus ihrer Eltern bringen sollte. „Denke daran, falls etwas sein sollte, lasse es Mistress Genefa wissen. Sie wird es an mich weiterleiten, falls ich nicht mehr bei ihr weilen sollte.“
„Ja, Herrin“, erwiderte Adelaide artig. „Wie lange werdet Ihr bei Mistress Genefa sein?“, wollte sie dann doch noch wissen.
„Vorerst bis nächste Woche. Es tut mir leid, mehr möchte ich dir nicht sagen. Es ist besser, du weißt nicht zu viel“, entgegnete Sally. „Denke bitte nicht, ich vertraue dir nicht. Ich vertraue dir mehr als du es dir denken kannst“, tröstete sie das Mädchen, das sie enttäuscht ansah. „Es ist nur zu deinem eigenen Schutz. Und nun geh bitte.“ Sie schob Adelaide zur Tür hinaus auf den Flur. „Geh, der Fiaker wartet bereits!“, sagte Sally nochmals und schloss schnell die Tür, da sie den traurigen Blick ihrer Zofe nicht ertragen konnte. Sally mochte Adelaide sehr. Sie war in den letzten Jahren nicht nur eine Freundin geworden, sondern auch eine Schwester, die sie leider nicht hatte. Doch nun war sie froh, das Mädchen in Sicherheit zu wissen.
Sally legte noch einige andere Garderobestücke für den nächsten Morgen bereit, dann schlüpfte sie unter ihre wärmende Daunendecke. Der Tag war anstrengend gewesen. Dementsprechend müde und erschöpft war sie. Aufseufzend kuschelte sie sich in ihre Kissen, schloss die Augen und war innerhalb weniger Minuten eingeschlafen.
„Pass doch auf!“, schimpfte Henry leise, als sein Freund hinter ihm gegen die am Boden stehende große Vase stieß, die daraufhin polternd umfiel und zu Bruch ging. Der Krach, den sie dabei machte, war laut genug, um das ganze Haus aufzuwecken. „Mistress Lilith beschrieb uns den Weg doch ganz genau und auch, worauf wir Acht geben müssen. Jetzt stößt du auch noch die teure Vase um. Die Mistress wird außer sich sein!“
„Ist ja schon gut“, erwiderte Franklin, der bereits am Boden kniete und die Scherben der zerbrochenen Vase aufklaubte.
„Lass das Zeug liegen! Kaputt ist kaputt!“, schimpfte Henry weiter. „Gehen wir lieber zu Miss Sallys Zimmer und erledigen unseren Auftrag.“
„Jetzt sei aber leise“, meckerte nun Franklin, dem Henrys erhobene Stimme für diese nächtliche Zeit viel zu laut vorkam. Er übernahm nun einfach die Führung und schlich den durch einige Kerzen erhellten Flur entlang. Aufmerksam horchend blieb er an Sallys Tür stehen. „Sie scheint zu schlafen“, bemerkte er wie nebenbei.
„Mistress Lilith sagte, das Schlafgemach ihrer Stieftochter hätte ein Vorzimmer, das sie als Aufenthaltsraum nutzt. Wir sollten uns lieber dort vergewissern, ob die Miss auch wirklich schläft.“
„Wenn du es sagst“, murrte Franklin und drückte die Klinke herunter. Vorsichtig schaute er in den Raum hinein. Dort war alles dunkel und still. „Komm“, sagte er zu Henry und schlüpfte hinein. Sein Kumpan folgte ihm auf leisen Sohlen.
Suchend blickten sich die beiden Gauner um. Das Zimmer wurde nur durch den halb hinter Wolken versteckten Mond erhellt. Das Licht genügte gerade, um die Umrisse der Möbel erkennen zu können.
„Hast du das Phiole mit dem Äther dabei und das Tuch?“, fragte Franklin seinen Begleiter, der die gefragten Utensilien sofort aus seiner Hosentasche zog und vorzeigte.
„Gut“, sagte Franklin nur und ging schnurstracks zu Sallys Schlafgemach. Henry derweil tränkte den Lappen mit dem Betäubungsmittel und folgte ihm schnell.
Sally lag tief schlafend im Bett und bemerkte nichts von der Gefahr, die ihr drohte. Vorsichtig, jeden noch so kleinen Laut vermeidend, schlichen die beiden Gauner zum Bett. Sally lag auf der Seite.
„Gib den Lappen“, forderte Franklin Henry auf, der ihm sofort das Gewünschte übergab. Flugs drückte Franklin der Schlafenden das mit Äther getränkte Tuch auf Mund und Nase. Erschrocken wollte Sally hochfahren. Doch Henry, der sich schnell hinter sie gehockt hatte, hielt sie fest. Franklin währenddessen drückte ihr weiterhin den Lappen ins Gesicht.
Sally wehrte sich. Die Männer waren jedoch stärker als die zierliche Frau und die betäubende Wirkung des Äthers setzte langsam ein. Sie erschlaffte und gab jeden Widerstand auf.
„Es ist soweit. Sie schläft“, erkannte Franklin und begann, Sallys Hände und Füße mit den mitgebrachten Stricken zu fesseln. Henry währenddessen steckte ihr einen Knebel in den Mund und band diesen fest. Dann träufelte er noch etwas Äther auf den ersten Lappen und hielt ihn Sally vor die Nase.
„Sie soll nur schlafen, damit sie keine Sperenzien macht“, schimpfte Franklin. „Hoffentlich ist das nicht zu viel Betäubungsmittel.“
„Ja, ja, ich passe schon auf. Es waren doch nur noch fünf Tropfen“, murrte Henry.
„Sie schläft und gut“, meinte Franklin. „Nun komm, weg von hier, ehe ihre Zofe etwas bemerkt“, sagte Franklin und wuchtete sich Sally über die Schulter. Er ging nicht gerade zimperlich mit ihr um. So leise es nur ging, schlichen die beiden finsteren Gestalten mit ihrer schweren Last davon.
Am Dienstbotenausgang wartete bereits Lilith auf sie, die sich persönlich davon überzeugen wollte, dass die zwei angeheuerten Gauner ihre Arbeit zu ihrer Zufriedenheit erledigt hatten.
„Da seid ihr ja endlich“, sagte Lilith sichtlich erleichtert, als die Zwei mit Sally ankamen „Hier, euer Lohn“, sagte sie noch und drückte jedem ein paar Geldstücke in die Hand.
„Herzlichen Dank, Mistress, jederzeit gerne wieder“, bedankten sich die beiden und katzbuckelten vor ihrer Auftraggeberin.
„Was wird nun mit ihr?“, wollte Franklin wissen.
„Am hinteren Ende des Parks steht ein Pferd mit einem Wagen bereit. Bringt sie dorthin und fahrt sie nach Canterbury. Die dortige Oberin ist meine Freundin. Sie wird sich um Sally kümmern. Sie hat bereits weitere Order von mir erhalten.“
„Das war aber nicht abgesprochen. Wir sollten sie Euch hier übergeben. Wenn wir noch nach Canterbury müssen, kostet das mehr“, bemerkte Franklin und streckte fordernd seine schmutzige Hand aus. Henry tat es ihm gleich.
„Das konnte ich mir schon denken“, erwiderte Lilith, kramte in ihrer Rocktasche und zog zwei weitere Geldstücke hervor, die sie den beiden gab. „Genügt das?“, fragte sie noch, worauf Henry und Franklin nur nickten.
„Dann trollt euch, bei Tagesanbruch solltet ihr in Canterbury sein. Ihr werdet erwartet.“
Nachdem Franklin und Henry ihre bewusstlose Last durch den Garten zum Fuhrwerk gebracht und verladen hatten, machten sie sich auf den Weg. Rumpelnd fuhren sie über den holprigen Seitenweg, der zur Straße nach Canterbury führte.
„Wir sollten uns den Umweg über Canterbury ersparen und uns gleich vom Acker machen“, bemerkte Henry, nachdem sie einige Zeit gefahren waren.
„Und was machen wir mit der da? Mitnehmen?“, Franklin zeigte hinter sich auf die Ladefläche, auf der die immer noch bewusstlose Sally lag und sich nicht rührte. Die Kisten, die um sie herum aufgestapelt waren, verhinderten, dass sie während der Fahrt über die Ladefläche rollen konnte.
„Bist du wahnsinnig?“, schimpfte Henry. „Was sollen wir mit der? Schau dir doch das zarte Püppchen an. Die ist für unsere Welt nicht gemacht.“
„Dann sollten wir sie an einen Sklavenhändler verkaufen. Mit dem Geld können wir bis ans Ende unserer Tage gut leben“, schlug Franklin vor. Er sah schon die vielen Geldstücke funkeln, die ihm sein Leben versüßen würden.
„Du bist echt verrückt. Aber diese Idee ist zu genial“, lachte Henry lauthals auf, dass es durch die Nacht schallte. „Gut, fahren wir nach Exmouth. Am Hafen finden wir bestimmt ein Sklavenschiff, das bald ausläuft.“
Franklin war hocherfreut über Henrys Zustimmung. So änderten die beiden ihren Plan und fuhren anstatt wie mit Lilith abgesprochen nach Canterbury, mit ihrer Last nach Exmouth, wo sie viel Geld aus ihr herausschlagen wollten. Die Mutter Oberin in Canterbury war längst vergessen.
Sally wurde durchgerüttelt. Jeder Knochen in ihrem Leib schmerzte. Sie wollte sich aufrichten, doch sie musste feststellen, dass sie an Händen und Füßen gefesselt war. Stöhnend versuchte sie, sich auf die Seite zu drehen, um in eine bequemere Stellung zu gelangen. Dabei versuchte sie, den Knebel, der immer noch in ihrem Mund steckte, auszuspucken. Doch das gelang ihr nicht. So versuchte sie, mit den Beinen gegen die Kisten, zwischen denen sie eingequetscht lag, zu treten. Der Lärm, den sie dabei veranstaltete, riss Franklin, der mit vorn bei Henry auf dem Kutschbock saß, aus seinen Träumen. Während Henry den Wagen samt Pferd lenkte, war er eingeschlafen.
„Unser Vögelchen wird wach“, sagte er zu Henry, der mit starrem Blick auf den wackelnden Pferdehintern sah und wohl fantasierte.
„Ha, wer da!?“, fuhr Henry hoch und griff neben sich, wo er sein Messer platziert hatte, um sich bei einem eventuellen Überfall schnell seiner Haut erwehren zu können.
„Immer ruhig“, beschwichtigte Franklin ihn. „Ich bin es nur. Bist wohl etwas schreckhaft?“ Er boxte seinen Kumpan dabei lachend in die Seite.
Sally gab es nicht auf, mit den Beinen zu strampeln. Franklin sah sich genötigt, zu ihr nach hinten zu steigen.
„Na mein Täubchen“, sagte er zu ihr, als er es endlich geschafft hatte, sich zwischen den Kisten hindurch zu zwängen.
Sally versuchte erneut, den Knebel aus dem Mund zu stoßen, was ihr wiederum nicht gelang.
„Wenn du ruhig bleibst, entferne ich den Knebel“, sagte Franklin zu ihr. Daraufhin nickte Sally erleichtert.
Franklin ging in die Hocke und löste den Knoten. Sally schlug sofort ein ekelerregender Geruch entgegen, den der Mann verströmte. Tapfer hielt sie durch und zwang sich, nicht zu würgen. Als Franklin endlich den Knebel entfernt hatte, sog sie gierig frische Luft in ihre Lungen.
„Wo bin ich und wie komme ich hierher?“, konnte sie endlich fragen.
Franklin grinste sie hämisch an. Sein faulig stinkender Atem schlug Sally entgegen, dass sie vor Ekel den Kopf abwenden musste.
„Tja, mein Täubchen“, sagte Franklin schleimig, „da ist jemand gar nicht gut auf dich zu sprechen und wollte dich daher nicht mehr in seiner Nähe haben.“
„Wer soll das sein?“, fragte Sally und zwang sich, so ruhig wie möglich zu bleiben. Sie konnte sich bereits denken, wen ihr Entführer meinte. Sie wollte es jedoch aus seinem Munde hören.
„Ha, ha, ha“, grölte Franklin lauthals. „Henry, hörst du das? Die Dame fragt, wer sie so sehr hasst, dass er sie aus dem Wege räumen lässt.“
„Du Depp, was sprichst du mich mit meinem Namen an!“, schimpfte der Angesprochene vorne auf dem Kutschbock.
„Das ist doch egal. Wenn wir erst einmal in Exmouth sind und unser süßes Täubchen für viel Geld an den Mann gebracht haben, kräht kein Hahn mehr danach“, meinte Franklin, weiterhin lauthals lachend.
Sally erschrak. Nach Exmouth sollte sie gebracht und dort verkauft werden? Sie wusste, dass ihre Stiefmutter sie in ein Kloster abschieben wollte. Aber sie verkaufen? Nein, das passte so gar nicht zu Lilith. So skrupellos war sie nun auch nicht, ihr so etwas anzutun. Sally wollte schreien, doch der immer noch über ihr hockende Mann hielt ihr den Mund zu. Sie wehrte sich, strampelte mit den Beinen, biss ihn in die Hand.
„Dir werde ich es zeigen! Von wegen beißen!“, schrie Franklin sie an und schlug ihr ins Gesicht, dass ihr Kopf gegen die hölzerne Seitenplanke des Wagens prallte.
Sallys Wange brannte an der Stelle, an der sie getroffen wurde. Sie biss trotzdem immer wieder zu und trat um sich, bis Franklin keine Möglichkeit mehr hatte, sie zu bändigen.
„Halt das scheiß Pferd an und hilf mir mit diesem wild gewordenen Weib!“, schrie er verzweifelt seinen Kumpel an. Erst mit dessen Hilfe gelang e ihm, Sally zu bändigen und ihr erneut den Knebel in den Mund zu stopfen.
Hasserfüllt schaute die junge Frau ihre Peiniger an.
„Warum denn nicht gleich so“, sagte Franklin zu ihr und rieb sich die Stelle an der Hand, in die Sally gebissen hatte.
„Sei froh, dass wir nicht noch unseren Spaß mit dir haben wollen. Aber als Jungfer können wir mehr Geld für dich verlangen“, meinte Henry und schaute zu Franklin, der daraufhin zustimmend nickte. „Obwohl, so ein wenig Spaß könnten wir uns schon gönnen. Wer kontrolliert, ob sie wirklich noch unberührt ist?“ Er griff sich in den Schritt, um sein erwachendes Glied zurecht zu rücken.
Ängstlich schaute Sally ihn an. Er wollte sie wohl doch nicht gleich hier nehmen und schänden? Sie nahm sich vor, sich so gut sie konnte, dagegen zu wehren. Ohne Blessuren durfte dieser Wüstling nicht davonkommen.
„Halte sie fest, ich löse die Fesseln an den Füßen“, bestimmte Henry einfach. Franklin gehorchte ohne Widerworte.
Strampelnd versuchte Sally, Henry abzuwehren, der eben versuchte, ihre Schenkel auseinander zu drängen. Er hatte bereits seine Hose geöffnet und sein Glied stand prall von ihm ab. Mit angstgeweiteten Augen blickte Sally ihren Peiniger an. Sie strampelte nochmals und traf Henry am Oberschenkel. Aufjaulend schlug er sie mit voller Wucht ins Gesicht.
„Halte dieses Biest besser fest“, brüllte er seinen Kumpan an. Dann zwang er sich erneut zwischen Sallys Schenkel.
„Oh mein Gott“, sachte sie, als sie spürte, wie er in sie eindrang. Als ein scharfer Schmerz sie durchfuhr, der sie zu zerreißen drohte, versank sie in eine wohltuende Ohnmacht.
Als Sally erwachte, fühlte sich ihr Körper an wie durch eine Mangel gedreht. Ihr Schoß brannte wie Feuer und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Zum Glück hatten ihre Peiniger den Knebel entfernt, sodass sie wenigstens gut atmen konnte. Doch ihre Zunge fühlte sich in ihrem Mund an wie ein riesiger Kloß. Sally ersuchte, etwas Spucke zu sammeln, um wenigstes ihre Lippen befeuchten zu können. Sie quälte sich in eine bequemere Lage, ohne dass es ihre beiden Entführer vorn auf dem Kutschbock bemerken konnten. Das Rütteln des Wagens auf der unebenen Straße ließ sie annehmen, es würde noch jeder einzelne Knochen in ihrem Leib gebrochen werden, nur um ihr noch zusätzliche Qualen zu bereiten. Trotz allem richtete sich Sally vorsichtig auf, um zu sehen, wo sie sich befand. Doch mehr als Finsternis konnte sie nicht entdecken. Sie dachte angestrengt nach, wie sie aus dieser Misere entfliehen konnte, ohne noch weiter zu Schaden zu kommen. Langsam robbte sie zwischen den Kisten hindurch ans Ende des Wagens. Da sie wieder an Händen und Füßen gefesselt war, schien dies ein unlösbares Unterfangen zu sein. Doch es gelang ihr mit großer Mühe. Noch einmal spähte sie nach vorn. Ihre Peiniger hatten noch nicht bemerkt, dass sie wach geworden war und nach einem Fluchtweg suchte. Als Sally es geschafft hatte, sich aufzurichten, spürte sie im Rücken eine scharfe Kante. Daran schabte sie am Seil, mit dem ihre Hände zusammen gebunden waren. Auch das schien ewig zu dauern.
Endlich hatte sie es geschafft. Das Seil, mit dem ihre Handgelenke eng umschlungen hatte, löste sich. Durch die plötzliche vermehrte Blutzufuhr fingen ihre Hände an zu kribbeln und zu pulsieren, dass es schmerzte. Gerade noch konnte Sally einen Schmerzensschrei verhindern. Als die Pein nachgelassen hatte, öffnete sie noch ihre Fußfesseln, die ihr die Gauner nach der Untat erneut angelegt hatten. Endlich war sie frei!
Sie vergewisserte sich nochmals, ob ihre Bemühungen unbemerkt geblieben waren. Doch immer noch saßen die beiden Kumpane vorne auf dem Kutschbock und starrten nach vor sich auf die Straße.
Sally wagte es nun, sich vorsichtig über die Planke zu bugsieren. Ihr langes Nachthemd, das sie immer noch trug, verhedderte sich dabei in ihrem Fuß. Mit einem Ratsch riss der zarte Stoff. Der Ton, der dabei erzeugt wurde, schien die Stille der Nacht zu zerreißen.
„Was war das?“, fuhr Henry aus seiner Lethargie hoch, als er das eigenartige Geräusch hinter sich vernommen hatte. Er drehte sich um und blickte ins Dunkle, konnte aber nichts erkennen.
„Wer weiß, was du wieder gehört hast. Das war bestimmt der Teufel, der uns nach unserer Untat verfolgt, um uns in die Hölle zu entführen“, entgegnete Franklin lachend, der weniger ängstlich war.
„Hör auf, solche Gruselgeschichten zu erzählen“, schimpfte Henry. „Lass uns lieber schauen, ob unsere teure Fracht noch an Bord ist oder ob sie bereits vom Teufel geholt wurde.“
Sally hatte sich wie zur Salzsäule erstarrt an der Bordwand festgeklammert. Als sie von Henrys Vorhaben hörte, erstarrte sich noch mehr. Sie hoffte, er konnte nicht gleich erkennen, dass sie nicht mehr an ihrem Platz war.
„Da ist alles ruhig“, hörte sie Franklins Stimme. „Die Kleine ist noch fertig mit der Welt und schläft. Fahre lieber weiter, damit wir bald in Exmouth sind. Ich mag nicht mit dem Mädchen ertappt werden. Spätestens wenn es hell ist, wird man nach ihr suchen.“
Glücklich, unentdeckt geblieben zu sein, atmete Sally erleichtert auf. Sie harrte noch eine Weile in dieser unbequemen Stellung. Dann ließ sie sich einfach fallen.
Sally flog ungebremst auf den harten Boden, der von den Furchen, die die Kutschen im halb gefrorenen Schlamm hinterlassen hatten, durchzogen war. Mit einem Schmerzensschrei rollte sie in den Graben und blieb dort liegen. Sie schmiegte sich so flach wie möglich in die Kuhle des Grabens, um sich so unsichtbar wie möglich zu machen.
Nun schreckte Franklin auf, der Sallys Schrei vernommen hatte. „Da! Nun höre ich es auch“, rief er aus. „Da schrie doch jemand!“
„Erst mich auslachen, dann selber Gespenster hören und sich in die Hosen machen vor Angst“, lachte nun Henry über Franklins Ängstlichkeit.
„Ich schaue lieber hinten nach“, sagte Franklin und kroch auf die Ladefläche, wo er zwischen den Kisten Sally vermutete. Doch da war niemand mehr.
„Anhalten, du Dämlapp! Sie ist weg!“, schrie Franklin aufgeregt.
„Erzähl keinen Mist“, erwiderte der als Dämlapp bezeichnete. „Wo soll sie denn hin sein. Die Fesseln sind viel zu fest, als dass sie sie lösen könnte. Schaue genauer nach!“
Er hörte es hinten rumpeln und rumoren, Kisten wurden hin und her geschoben. Franklin murrte und schimpfte vor sich hin.
„Sie ist wirklich weg“, schrie Franklin verzweifelt und hysterisch, worauf Henry endlich den Wagen anhielt. Er sprang über die Lehne nach hinten, um sich selbst über das Fehlen der Frau zu vergewissern.
„Mist! Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie nun auch er aufgeregt, als er die Aussage seines Freundes bestätigt sah. „Lass uns suchen. Weit kann sie nicht sein!“
Die beiden Männer sprangen vom Wagen und begannen, die unmittelbare Umgebung abzusuchen. Sally, die sie im bleichen Licht des Mondes näher kommen sah, presste sich noch enger in die Grube. Sie zog noch ein paar Zweige zur Tarnung über sich, um sich möglichst unsichtbar zu machen. Doch das Rascheln verriet sie.
„Da! Da war was!“, rief Henry und schaute genau in ihre Richtung.
„Dann sei doch still und schrei nicht so, sonst bemerkt unser Täubchen, wie wir näher kommen“, schimpfte Franklin auch nicht viel leiser als sein Kumpan.
Sally beobachtete die sich streitenden Männer und versuchte, sich langsam rückwärts ins Gebüsch zu bewegen. Immer wieder blieb sie dabei an Zweigen und Dornen hängen, dass der Stoff ihres Nachthemdes immer mehr zerriss. Mehrmals stießen Dornen in ihr Fleisch, was sehr schmerzte. Gequält stöhnte sie auf, als sich ein besonders langer Dorn in ihren Oberschenkel bohrte. Der Schmerzensschrei, den sie daraufhin ausstieß, war weit zu hören. Die vernahmen auch ihre Verfolger, die sofort die Spur aufnahmen wie Bluthunde, die sich nicht von ihrem Unterfangen abbringen ließen.
Sally versuchte noch, ins dichtere Gebüsch zu kriechen, doch da hatten ihre Verfolger sie bereits entdeckt. Da half auch kein Verstecken mehr. Sie wappnete sich, gegen die beiden Männer zu kämpfen.
„Hier! Schnell!“, rief Franklin, der sie als erster erreicht hatte. Er hob den Knüppel, den er sich aus einem jungen Baum gebrochen hatte. Sally hob noch die Arme zum Schutz über ihren Kopf, doch dann sah sie nur noch schwarz…