Garrick wollte sich, nachdem er das Kloster ohne Erfolgserlebnis verlassen hatte, unverzüglich auf den Weg zu Mistress Montgomery machen. Sollte die Äbtissin wider Erwarten einen Boten zu ihr schicken, musste er diesem unbedingt zuvorkommen. Ansonsten wäre das Überraschungsmoment dahin.
„Mister Moore! Wartet!“, hörte Garrick eine weibliche Stimme hinter sich, die ihn davon abhielt, auf sein Pferd zu steigen.
Der Agent drehte sich um und erblickte Schwester Magdalena, die ihn lächelnd entgegen gelaufen kam. Die Wangen der jungen Nonne waren vom schnellen Laufen gerötet.
„Oh, Schwester Magdalena! Euch heute außerhalb des Klosters anzutreffen, ist wahrlich eine Überraschung“, begrüßte Garrick die junge Nonne, ebenfalls lächelnd. „Ist denn heute bereits Mittwoch?“, fragte er.
„Nein, keine Bange. Ihr habt unser heimliches Treffen nicht verpasst“, erwiderte die Klosterfrau und strahlte den Mann an.
„Und ich dachte schon, ich habe Euch versetzt“, meinte Garrick daraufhin lächelnd. „Trotzdem muss ich Euch nun verlassen. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Gehabt Euch wohl“, sagte Garrick dann und stieg auf sein Pferd.
„Gott schütze Euch und Euren Weg“, entgegnete Schwester Magdalena und wandte sich der Klosterpforte zu.
„Wartet, eine Frage noch“, rief Garrick ihr im letzten Moment nach und sprang noch einmal von seinem Reittier.
Schwester Magdalena kehrte der Pforte, an die sie eben klopfen wollte, den Rücken zu. Fragend blickte sie dem Kundschafter entgegen.
„Sagt, liebe Schwester Magdalena, kennt Ihr Euch im Kloster gut aus?“, wollte Garrick wissen.
„Aber natürlich, Mister Moore“, entgegnete die Nonne. „Seit vielen Jahren lebe ich hinter diesen ehrwürdigen Mauern. Da kenne ich jeden kleinsten Winkel.“
„Auch den Keller oder das Verlies?“, fragte Moore.
Erschrocken schlug Magdalena die Hände vor ihren Mund. Ihre Augen weiteten sich ängstlich, sie wurde blass. „Dort soll es spuken und es ist unheimlich“, stieß sie nach einer Weile aus.
„Wer sagt das?“
„Die Äbtissin Christdora und viele der ältesten Nonnen“, antwortete Magdalena.
„Glaubt Ihr diesem Mummenschanz?“, hakte Garrick nach.
„Einen Geist habe ich im Kloster noch nie gesehen“, erwiderte die Schwester. „Ob in diesem düsteren Keller einer haust, weiß ich nicht.“
„Gut“, sagte Garrick darauf. „Wagt Ihr Euch, mich in den Keller zu führen?“
Magdalena wurde erneut blass, ihr Herz schlug vor Aufregung schnell.
„Seid Ihr bereit für ein kleines Abenteuer?“, stocherte der Detektiv in der offenen Wunde herum.
Das Herz der Nonne schlug noch schneller. Ein Abenteuer wäre eine willkommene Ablenkung vom tristen Klosteralltag. „Immer“, sagte sie dann ein wenig zu schnell, während sie beinahe an den Lippen des Mannes hing.
„Dann führt mich in den Keller“, ließ Garrick die Katze aus dem Sack.
„Wann?“, wollte Magdalena wissen. Am liebsten wäre sie sofort losgegangen.
Garrick jedoch hielt sie zurück. „Morgen Abend nach dem letzten Gebet des Tages“, erwiderte der Mann. „Niemand darf von unserer geheimen Mission wissen“, setzte er noch hinten an.
„Hinten am Kräutergarten ist die Mauer nicht allzu hoch“, ließ Magdalena ihn wissen. „Dort könnt Ihr ohne große Mühe drübersteigen. Die Stelle ist auch recht abgelegen und nicht gut einsehbar. Von da aus ist es auch nicht sehr weit zum Keller. Kommt am besten ohne Pferd, oder bringt jemanden mit, der es in Sicherheit bringt und auf es aufpasst, während wir uns im Keller umsehen“, riet sie Garrick.
Der Kundschafter freute sich über Magdalenas euphorische Worte. Die Nonne schien darauf zu brennen, ihm in seiner Sache behilflich zu sein. „Ich komme lieber zu Fuß und allein“, erwiderte er. „Je weniger Mitwisser, desto besser.“
„Wie Ihr wünscht“, sagte Magdalena. „Doch nun muss ich eilen. Ich bin wie immer bereits viel zu spät.“ Damit eilte sie zur Pforte, die auf ihr Klopfen sofort geöffnet wurde. Garrick konnte sich gerade noch wegdrehen, ehe ihn die neugierige Pförtnerin erkennen konnte. Dann schwang er sich auf sein Ross, um endlich zu Mistress Lilith zu reiten.
Auf dem Weg zur Mistress überlegte sich Garrick eine Strategie. Sich als ein Freund von Miss Sally auszugeben, wäre falsch. Ganz bestimmt wusste die Stiefmutter, in welchen Kreisen sich ihre Stieftochter bewegte. Kurz bevor er das Anwesen der Montgomerys erreichte, traf er auf Lord und Lady Kimberley, die sich mit einigen ihrer Söhne und Töchter auf einem Ausritt befanden.
„Eure Lordschaften“, grüßte Garrick und zog seinen Hut.
„Mister Moore, seid gegrüßt“, rief ihm Lord Cedric erfreut entgegen. „Wohin des Weges? Habt Ihr bereits etwas über den Verbleib unserer Freundin in Erfahrung bringen können?“
„Bisher noch nicht viel“, erwiderte Garrick und schilderte mit kurzen Worten die Vorgänge in den letzten Tagen. Dann erzählte er, dass er nun Mistress Montgomery mit seinem Besuch überraschen und in Verlegenheit bringen wollte.
„Das ist sehr gut“, mischte sich Lady Ophelia in das Gespräch der Männer ein. „Dazu habe ich eine spontane Idee. Sagt doch, wir schicken Euch als Boten, um Miss Sally zu einem Ball einzuladen, der in einer Woche stattfinden soll. Schaut dabei, wie Lilith darauf reagiert.“
„Ophelia, das ist ein fantastischer Einfall“, rief Lord Cedric aus.
„Das denke ich auch“, entgegnete der Kundschafter.
„Ein Ball in unserem Haus, oh wie aufregend“, mischte sich nun auch noch eine der jüngeren Töchter ein, die auf ihrem Pony bereits eine gute Figur machte.
„Laeticia, Bälle sind noch nichts für kleine Mädchen. Außerdem, was wagst du es, dich in die Gespräche von Erwachsenen einzumischen. Das geziemt sich nicht für eine junge Lady. Ich werde deine Hauslehrerin anweisen, dir Strafarbeiten zu geben“, schimpfte Lady Ophelia mit dem Mädchen, das sofort schamhaft den Blick auf ihre um die Zügel verkrampften Hände senkte.
„Entschuldigt, Mutter. Ich benahm mich ungebührlich“, entgegnete das Mädchen eingeschüchtert.
„Geselle dich zu deinen Brüdern und Schwestern. Wage es ja nicht, nochmals zu lauschen“, befahl ihre Mutter und wandte sich wieder dem Kundschafter zu. „Wir würden uns sehr freuen, Euch heute Abend zum Dinner begrüßen zu dürfen“, sagte Lady Ophelia zu ihm. „Cedric, es ist dir doch auch recht“, wandte sie sich der Form halber auch an ihren Gatten, um nachträglich um die Erlaubnis zu dieser Einladung zu bitten. Lord Cedric nickte darauf nur.
„Gerne“, erwiderte Garrick. „Eure Lordschaft, Mistress Montgomery wartet“, sagte er und zog erneut seinen Hut. „Ich empfehle mich, bis heute Abend.“ Damit wandte er sich ab und ritt davon.
Lady Ophelias Idee mit der Einladung zu einem Ball fand Garrick Moore phänomenal. Damit würde Mistress Montgomery in arge Erklärungsnöte geraten. Etwa eine Stunde später ritt er auf das Anwesen und ließ sich bei Lilith melden.
„Madame“, grüßte Garrick die Hausherrin, die ihn wenig später in ihrem Damensalon empfing. Die Frau saß auf einem filigranen Stuhl, neben sich einen kleinen Tisch auf dem eine dampfende Teetasse stand. Daneben befand sich ein Teller voll Gebäck.
„Setzt Euch doch, Mister Moore“, bot Lilith dem Kundschafter einen Platz an.
Garrick setzte sich zaghaft auf den angebotenen Stuhl. Er war ein großer und kräftiger Mann und nahm an, dieser Stuhl würde sein Gewicht nicht aushalten. Doch seine Ängste zeigten sich unbegründet.
„Was führt Euch zu mir“, fragte die Hausherrin, nachdem Garrick Platz genommen hatte.
„Lady Ophelia Kimberley sendet mich als Boten zu Miss Sally“, erwiderte Garrick.
„Was möchte Lady Ophelia von meiner Stieftochter?“, wollte Lilith wissen. Ihr wurde mulmig zumute, ließ sich aber nichts anmerken. Ahnte ihre ehemalige Freundin womöglich etwas von ihrer Intrige.
„Die Lady schickt eine Einladung an Miss Sally, die ich ihr in ihrem Namen überreichen soll“, entgegnete Garrick und beobachtete sein Gegenüber mit Argusaugen.
„Miss Sally ist bereits abgereist“, log Lilith ohne rot zu werden. Trotzdem klopfte ihr Herz vor Aufregung über diese Lüge.
„Abgereist? Wohin?“, wollte der Kundschafter wissen und tat ahnungslos. Natürlich wusste er über Liliths Intrige und von Sallys rätselhaftem Verschwinden. Er jedoch hatte, ganz im Gegensatz zu Lilith, seine Gesichtszüge unter Kontrolle.
„Davon müsste Lady Ophelia wohl wissen“, sagte Lilith schnippisch. „Sie hat seit dem Tag der Beerdigung meines geliebten Adrians Kenntnis, dass Miss Sally einem Kloster beitreten wollte. Vor ein paar Tagen ist sie dorthin abgereist.“
Garrick konnte es nicht glauben. Diese kleine, unscheinbare Frau log, dass sich die Balken bogen. Wie konnte ein liebenswürdiger Gentleman wie Adrian Montgomery es gewesen war, es bis zu seinem Tod mit dieser Betrügerin aushalten. Dass er ihr auch noch sein Kind anvertraut hatte, überstieg sein Denkvermögen.
„Jetzt, wo Ihr es sagt, erinnere ich mich, dass meine Herrin davon sprach. Verzeiht mir. Ich hatte es vergessen“, sagte der Agent zu Lilith, um sie gütig zu stimmen. „Leider erinnerte sich Lady Ophelia wohl ebenfalls nicht an Miss Sallys Vorhaben und schickte daher die Einladung.“ Garrick überlegte kurz. „In welches Kloster wollte Eure Stieftochter eintreten?“, tat er so, als hätte sich die Gesuchte freiwillig dazu entschieden, in den Damenstift einzutreten.
„Sie wählte das Kloster in Canterbury unter der Leitung der ehrwürdigen Äbtissin Christdora“, gab Lilith bereitwillig Auskunft. Sie war der Annahme, Sally befände sich zur Zeit wirklich dort, allerdings nicht in einer Zelle unter den Schwestern, sondern im düsteren Kellerverlies des Klosters. Lilith nahm die Teetasse und nahm einen Schluck Tee. Aufmerksam beobachtete sie Garrick. „Ob der junge Mann ihre Lüge bemerkt hatte? Oder wollte er sie nur herausfordern?“, ging es ihr durch den Kopf. Sie stand auf und lief unruhig im Salon umher. Dann ging sie zum Fenster und schaute hinaus in den gepflegten Rosengarten. Ein paar Gärtner und deren Gehilfen waren eben dabei, verblühte Knospen abzuschneiden und Unkraut zu entfernen. Lilith achtete stets darauf, den Garten gepflegt zu halten. Daher hatten ihre Gärtner immer genügend zu tun, es der Herrin recht zu machen.
Garrick stand ebenfalls auf. Es gehörte sich nicht für einen Gentleman, sitzen zu bleiben, während eine Dame im Raum stand. Er ging zu Mistress Montgomery und stellte sich neben sie. Er dachte an Sally und was sie wohl gerade tat. Ging es ihr gut oder war sie in Gefahr? Er war sich sicher, dass Sallys Stiefmutter log.
„Ihr spracht von Canterbury“, wandte er sich nun erneut an Mistress Montgomery. „Ich komme direkt von dort. Ich reiste in Lord Cedrics Auftrag dorthin, um über Miss Sallys Verbleib Erkundigungen einzuziehen. Eure Stieftochter war weder im Kloster eingetroffen noch aufzufinden“, ließ er die Katze aus dem Sack.
Als Lilith die Worte hörte, war es ihr, als müsse ihr Herz stehenbleiben und der Boden täte sich unter ihren Füßen öffnen, um sie zu verschlingen. Sally war gar nicht im Kloster? Das konnte nicht sein!
„Was redet Ihr für einen Unsinn!“, fuhr die Frau Garrick an. „Natürlich befindet sich meine Stieftochter in der Fürsorge der Äbtissin Christdora.“
„Mistress, Ihr irrt Euch gewaltig“, erwiderte Garrick so ruhig wie möglich. „Miss Sally ist nicht in Canterbury. Ich weiß es aus dem Munde der Äbtissin. Ich wüsste nicht, warum sie mich belügen sollte.“
„Wo sollte es denn sonst sein, dieses undankbare Gör?“, schrie Lilith beinahe hysterisch. „Natürlich ist sie dort, ich habe sie eigenhändig dorthin bringen lassen.“
„Ihr habt was? Ah ja! Sehr interessant! Sprecht weiter!“
Lilith schrak zusammen. Sie redete sich beinahe um Kopf und Kragen. „Was sollte ich Euch sagen?“, tat sie unbedarft.
„Mistress Lilith! Alle wissen, wie Ihr zu Eurer Stieftochter standet. Gerade nach dem Tod Eures Gatten setztet Ihr dem Mädchen zu. Lady Ophelia und noch viele andere können dies bezeugen. Macht Euch nicht unglücklicher als Ihr es schon seid“, versuchte Garrick, die Frau zu überzeugen, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Ihr wisst von gar nichts“, beharrte Lilith auf ihrer Meinung.
„Mistress, ich weiß genug, um Euch an den Galgen zu bringen. Dazu noch Franklin und Henry.“ Garrick fuhr nun hartes Geschütz auf.
Lilith wurde blass. Woher wusste Mister Moore von den beiden Handlangern? Hatte er sie bereits befragt und sie hatten sie als Auftraggeberin entlarvt? Womöglich war ihnen noch mehr Geld versprochen worden, um sie zu belasten?
„Ihr wisst gar nichts“, behauptete Lilith nochmals. „Ich kenne auch niemanden mit dem Namen Franklin und Henry.“
Garrick lachte innerlich. „Wieso behaupten die Männer dann, sie hätten Schmuck von Euch erhalten, als Anzahlung, da sie in Eurem Auftrag Euren Gatten vom Pferd geschossen haben, wie sie sich mir gegenüber äußerten.“ Garrick bewegte sich zwar mit dieser Aussage auf dünnem Eis, aber um zum Ziel zu kommen, nutzte er jede mögliche Finte. In diesem Fall musste er sich auf die Aussage Sir Selwyns verlassen, der Mistress Lilith und die Ganoven bei der Übergabe es Schmuckes beobachtet hatte.
„Außerdem berichtete mir die Äbtissin, dass Eure Stieftochter vor der Zeit im Kloster ankommen und sie dort von den anderen Nonnen abgeschirmt werden sollte, bis Franklin und Henry sie an einen anderen, geheimen Ort bringen würden. Also lasst endlich die Lügen und sagt, wo sich Eure Stieftochter befindet!“
Lilith stand wie zur Salzsäule erstarrt. Bleich wie eine gekalkte Wand und nach Atem ringend starrte sie den Mann neben sich an. Ihre Gesichtszüge entglitten ihr nun vollends. Außer der Äbtissin, ihren Handlangern und ihr selbst konnte niemand von ihrem Vorhaben wissen. Nun hatte auch dieser Moore Kenntnis davon von. Die Frau schwankte, als würde sie ohnmächtig werden. Sie hielt sich am Fensterbrett fest, um nicht zu fallen. Tief atmete sie ein, damit der Schwindel wieder verging.
„Mistress, es bringt nichts, mich weiterhin hinters Licht führen zu wollen“, sprach Garrick auf die Frau ein. „Ich werde Miss Sally so oder so finden, auch ohne Eure Aussage. Erleichtert Eure Seele und sagt mir, wo sich Eure Stieftochter befindet.“
„In Canterbury im Kloster“, stieß Lilith hasserfüllt aus. „Ich bin es leid, mich von Euch beleidigen und der Lüge bezichtigen zu lassen. Es ist besser, Ihr verlasst nun dieses Haus, ehe ich Euch hinauswerfen lasse!“
Garrick wusste, wann er verloren hatte. Doch das, was er eben gehört hatte, reichte aus, um weitere Schlüsse daraus ziehen zu können. „Wie Ihr wünscht“, sagte er betont höflich zu Mistress Lilith. „Gehabt Euch wohl und einen schönen Tag noch“, verabschiedete er sich. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte er, wie an dieser Geschirr zerbrach. Die Mistress hatte wohl damit nach ihm geworfen.
Auf kürzestem Weg ritt Garrick Moore zu Lord Kimberleys Anwesen, wo er bereits sehnlichst erwartet wurde. Auch Sallys Freunde, sowie ihre Zofe waren von seiner Lordschaft benachrichtigt worden. Sie hatten sich sofort auf den Weg gemacht, um von den Neuigkeiten zu erfahren. Alle sprachen durcheinander. Als Garrick endlich vorgelassen wurde, verstummten sie und blickten ihm neugierig entgegen.
Garrick hielt sich nicht groß auf, sondern berichtete ohne Schonung von seinen Erkundungen. „Hier ist etwas ganz gewaltig faul“, sagte er gerade. „Mistress Lilith behauptet, Eure Freundin wäre in Äbtissin Christdoras Obhut. Diese wiederum sagte aus, Sally wäre nie bei ihr angekommen.“
Alle redeten erneut aufgeregt durcheinander.
„Ruhe!“, übertönte Lord Cedrics Stimme den aufkommenden Lärm. „So kommen wir weder weiter, noch können wir unserer lieben Freundin helfen.“ Er wandte sich an Garrick. „Sprecht weiter“, bat er diesen.
„Herzlichen Dank! Gerne!“, sagte der Detektiv. „Ich konnte jedoch etwas sehr Interessantes herausfinden, was uns eventuell helfen könnte, uns des Rätsels Lösung zu nähern. Es war eher ein Zufall, dass ich es erfuhr“, gab er zu und erzählte von der Begegnung im Gasthaus, wo er seine Tischnachbarn belauschte.
„Ihr meint, Miss Sally wurde verkauft?“, ließ Adelaide nach einer Weile ängstlich von sich hören.
„Das kann gut möglich sein“, erwiderte Garrick. „Das herauszufinden, nahm ich mir als Nächstes vor. Ich werde nach Dover reisen, nach Franklin und Henry suchen und ihre Aussagen aufnehmen. Wenn jemand etwas über den Verbleib der Gesuchten weiß, dann sie. Wenn sie Sally wirklich verkauft haben, dann gnade ihnen Gott.“ Garrick war aufgebracht, dass er kaum an sich halten konnte. Eine junge Frau einfach zu verkaufen wie ein Stück Vieh, ging über seine Vorstellungskraft. „Vorher jedoch werde ich mich noch einmal im Kloster umsehen. Vielleicht haben doch alle gelogen und die Wahrheit liegt näher als wir denken. Ich habe dort eine Nonne kennengelernt, die mich führen wird. Sie kennt sich gut im Kloster aus und hat auch keine Furcht, nachts in das Kellerverlies hinunter zu steigen.“
„Ich werde Euch begleiten“, rief Sir Selwyn aufgeregt dazwischen.
„Es ist besser, Ihr bringt Euch nicht in Gefahr“, erwiderte Lord Cedric besorgt.
„Ich kann sehr gut auf mich selber aufpassen“, blaffte Selwyn den Lord an. Er sah seine Liebste, wie er Sally bereits heimlich nannte, auf Knieen in dreckigen Spelunken Böden schrubben oder noch schlimmer, in den Händen eines Hurenwirtes und unter notgeilen Kerlen liegen. Wie wahr seine letzte Vermutung war, ahnte er nicht.