Unruhig lief Lilith in ihrem Schlafzimmer auf und ab. Angestrengt überlegte sie, wie sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Sie ahnte, alles war umsonst. Sie war überführt.
„Am besten wäre es, ich könnte hier verschwinden“, sinnierte Lilith nachdenklich. Vor dem Fenster blieb sie stehen und schaute hinaus. Eine geübte Kletterin war sie zwar nicht, aber sie würde trotzdem einen Abstieg aus dem Fenster wagen. Sehr hoch war es nicht, nur ein Stockwerk lag unter ihr. Sie kleidete sich um, ihre Reitkleidung und bequeme Schuhe fand sie als passend. Danach blickte sie noch einmal hinunter in den Garten. Der Platz direkt vor ihrem Fenster war hell mit Fackeln erleuchtet. Nicht gut, aber wenn sie sich geschickt anstellte, käme sie hinunter, ohne entdeckt zu werden. Schon wollte sie über die Fensterbank steigen.
„Mistress, habt Ihr etwas verloren?“, hörte sie plötzlich von unten her die Stimme eines der Stallknechte, der eben hinter einem Busch hervortrat, wo er sich vor den Blicken der Mistress verborgen hatte.
Erschrocken zog sich die Frau zurück. „Ich wollte nur einmal frische Luft schnappen. Es ist so stickig hier oben“, rief sie dem Mann zu.
„Dann ist es ja gut. Ich dachte schon, Ihr wolltet heraussteigen“, hatte der Mann richtig erkannt und lief gelassen auf und ab, die eingesperrte Frau fest im Blick. „Schließt lieber das Fenster. Nicht, dass Ihr noch herausfallt. Das wollen wir ja nicht“, rief der Knecht ihr zu.
„Was mache ich nur?“, fragte sich Lilith verzweifelt. „Vielleicht weiß meine Zofe Rat. Amalia weiß sich immer aus der Patsche zu helfen. Warum also nicht auch mir“, dachte sie sich dann und begab sich zur Tür. Auch hier hatte sie keinen Erfolg. Sie war verschlossen.
Nach einer Weile ging die Tür auf und Walter kam ungefragt herein. „Habt Ihr einen Wunsch? Mir war es, als hättet Ihr gerufen“, wollte der Butler wissen, ohne die Gefangene aus den Augen zu lassen.
„Hm, ja“, gab Lilith zu. „Könntest du Amalia zu mir schicken? Sie muss mir beim Packen helfen.“ Sie benutzte die kleine Ausrede für eine Ablenkung des Butlers. War er gegangen, wollte sie es über den Flur versuchen. Ihre Zofe war ihr egal. Das Mädchen sollte doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs.
„Ich erkundige mich erst, ob Besuch erlaubt ist. Mistress Sally gab die Anweisung, niemanden zu Euch zu lassen. Ich möchte daher nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden“, antwortete der Butler vollkommen emotionslos und ging hinaus.
Während er sich entfernte, horchte Lilith an der Tür. Sie hörte, wie der Mann nach jemanden rief, aber keine Antwort bekam. War er auch weit genug entfernt, dass sie fliehen konnte? Hatte er womöglich sogar vergessen, die Tür hinter sich abzuschließen? Der Gedanke ließ Lilith nicht mehr los. Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter. Beinahe hätte sie einen lauten Freudenschrei ausgestoßen. Die Tür war nicht verschlossen. Lilith spähte hinaus. Der Flur war leer und nur ganz wenig erleuchtet. Noch einmal schaute sie sich um. Dann wagte sie es. Sie schlich sich zum Dienstbotenaufgang, der zu dieser Tageszeit meist nicht genutzt wurde. Sie wusste, Walter ging immer über die große Treppe. Eine Angewohnheit des Butlers, die sie hasste, ihr nun aber zugutekäme. Also konnte er ihr im Aufgang der Dienstboten nicht begegnen. Falls Amalia die Erlaubnis bekam, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen, würde sie nur ihr begegnen. Sie glaubte nicht, dass die Zofe Alarm schlagen würde.
Die Treppe nach in die untere Etage war unbeleuchtet. Auch von dort war keine Regung zu vernehmen. Alle Dienstboten schienen bereits in ihren Betten zu liegen. Lilith war erleichtert. Sie machte den ersten Schritt.
„Ein kleiner Ausflug gefällig?“, fragte sie plötzlich jemand und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Erschrocken fuhr Lilith herum. Vor ihr stand Sallys hünenhafter Gemahl und starrte sie erbost an. Vor Entsetzen bekam sie kein Wort über die Lippen.
„Am besten, wir gehen zurück in Euer Gemach. Hier draußen habt Ihr nichts zu suchen“, sagte der Henker ganz ruhig zu Lilith. „Oder wollt Ihr mitten in der Nacht einen Spaziergang machen? Die passende Kleidung dazu tragt Ihr bereits.“ Er griff sie am Arm und führte sie zurück.
„Gibt es ein Problem?“, fragte Walter aufgeregt, der eben die Treppe heraufkam und seinen Posten vor Liliths Tür wieder einnehmen wollte. Er wurde blass, als er Lilith und den Henker sah, der sie wegführte.
„Die Dame wollte einen nächtlichen Spaziergang machen“, antwortete Raimon gelassen.
Dem Butler ging ein Licht auf. „Daher schickte die Mistress mich los, um nach ihrer Zofe zu rufen. Ich wusste es doch, dass man ihr nicht trauen kann. Und trotzdem hat sie mich hereingelegt wie einen Trottel.“ Er schaute betreten zu Boden. „Ich hatte in der Eile wohl vergessen, den Riegel vorzulegen“, gab Walter zu.
„Das scheint so gewesen zu sein“, antwortete Raimon. „Ich kam eben aus dem Zimmer der Jungen, als ich Mistress Lilith am Dienstbotenaufgang entdeckte. Sie wollte gerade die Treppe hinunter gehen.“ Raimon lächelte den alten Mann an. „Es ist ja noch einmal gut gegangen, keine Aufregung“, beruhigte er ihn. „Das nächste Mal achte einfach besser darauf, dass die Tür gut verschlossen ist.“
„Es kommt nicht wieder vor“, entgegnete Walter sichtlich bestürzt über seinen Fauxpas. Er fühlte sich ausgelaugt und konnte ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. Obwohl er eindeutig übermüdet war, konnte es sich jetzt aber nicht leisten, zu Bett zu gehen. Es war spät und er seit dem frühen Morgen fast pausenlos auf den Beinen.
„Halt, warte!“, sagte Raimon auf einmal. „Ich übernehme die Wache. Gehe schlafen und ruhe dich aus.“
„Aber das geht doch nicht“, widersprach der Butler. „Was soll Eure Gemahlin dazu sagen, wenn Ihr wie ein Dienstbote herumsteht und die Mistress bewacht.“
Raimon lachte. „Lass das mal meine Sorge sein. Sally wird dafür Verständnis haben, wenn sie erfährt, dass du viele Stunden ohne Pause auf den Beinen warst.“
„Vielen Dank, Herr“, erwiderte Walter und verbeugte sich. „Miss Sally war schon immer eine sehr verständnisvolle Person. Ganz ihr Vater, Gott habe ihn selig.“ Der Butler bekreuzigte sich. „Ich gehe dann mal zu Bett. Gute Nacht und nochmals vielen Dank“, verabschiedete er sich von Raimon und ging in sein Zimmer, das nach wie vor neben dem des verstorbenen Hausherrn lag.
„Gute Nacht, Walter“, erwiderte der Scharfrichter und bezog Stellung vor Liliths Tür, die er ab sofort nicht aus den Augen ließ.
Sally saß mit Edwina im Salon und unterhielt sich mit ihr. Adelaide sollte eigentlich auch dazu kommen, die aber wollte sich lieber um Faylynn kümmern, die sonst alleine in dem ihr noch fremden Zimmer gewesen wäre. An die Zofe hatte sich die Kleine bereits gewöhnt und vertraute ihr. Faylynns Brüder waren schon länger in ihrem Zimmer und wollten ausnahmsweise mal nichts mit der kleinen Schwester zu tun haben. Alles war neu für sie und sie hatten viel zu entdecken.
„Also hat sich alles bewahrheitet, was du angenommen hast“, sagte Edwina zu Sally.
„Dass meine Stiefmutter eine hinterlistige und intrigante Person ist, das nahm ich schon immer an. Aber dass sie sogar über Leichen geht, das habe ich niemals gedacht.“ Sally schüttelte entsetzt den Kopf.
„Nun ist ja zum Glück alles herausgekommen“, erwiderte Edwina. „Sie erhält jetzt ihre gerechte Strafe.“
„Alles nur wegen Habgier, Neid und Rachsucht. Ihr ist es schon zu verdanken, dass meine Mutter, als sie mit mir schwanger war, von zu Hause weggebracht wurde“, sagte Sally. Sie hielt inne, schaute, als fiel ihr eben etwas ein. „Milo ist noch gar nicht zurück. Ich hoffe, er hat Richter Richardson gefunden und konnte ihm meine Nachricht übermitteln.“ Sally stand auf und lief unruhig hin und her. Sie machte sich Sorgen um den Knecht.
„Nachts bis Trowbridge zu reiten, ist bestimmt nicht ungefährlich. Besonders, wenn Neumond ist“, warf Edwina ein. „Aber malen wir mal lieber nicht den Teufel an die Wand. Der Junge ist gewitzt und weiß sich garantiert zu helfen.“
Als sich Sally wieder in den Sessel setzte, klopfte es an die Tür. Auf ihr „herein“ trat Milo ein, der nach seiner Rückkehr unverzüglich ins Herrenhaus geeilt war.
„Mistress Sally“, grüßte er ehrfürchtig. „Mistress“, sagte er auch zu Edwina, die sich erst noch an diese Anrede gewöhnen musste. Hier bei den Montgomerys sollte sie keine Bedienstete mehr sein, sondern eine von den Herrschaften.
„Was gibt es von Richter Richardson zu berichten?“ Sally war aufgeregt, Milos Bericht zu hören.
„Sire Richardson ist auf dem Weg hierher“, sagte Milo endlich. „Zwei Büttel begleiten ihn. Sie haben auch den Schinderkarren dabei.“
„Gott sei Dank!“, stieß Sally erleichtert aus.
„Ich bin so schnell geritten, wie ich bei dieser Finsternis konnte, um Euch diese erfreuliche Nachricht zu überbringen“, sprach Milo weiter. „Richter Richardson ist kurz nach mir aufgebrochen. Er müsste mit seinen Leuten bald hier sein.“
„Ich danke dir von Herzen, Milo“, erwiderte Sally. „Du wirst hungrig sein. Gehe in die Küche und lasse dir von einem der Mädchen etwas zu essen geben.“
„Danke sehr, Mistress. Ich bin wirklich hungrig“, entgegnete der Stallknecht. „Aber zuvor muss ich mich um das Pferd kümmern. Ich habe es nur draußen am Geländer angebunden, ohne es zu versorgen. Ich erledige das erst, danach gehe ich in die Küche.“ Milo lächelte. „Gute Nacht“, sagte er noch und verließ den Salon.
„Ein guter Junge“, sagte Edwina schwärmerisch, nachdem Milo die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Edwina, das klingt ja beinahe so, als wärst du verliebt!“, tat Sally gekünstelt empört und lachte.
„Was soll so ein junger Kerl mit mir alten Vettel? Meine liebe Sally, du träumst. Da ist mir Walter viel lieber. Der ist wenigstens in meinem Alter“, gab Edwina zu und errötete wie ein junges Mädchen. Sally sagte nichts dazu, sie dachte sich nur ihren Teil.
„Wir sind bald da. Auf diesem Karren bis zum Anwesen der Montgomerys zu fahren, ist schlimmer als jede Leibstrafe“, knurrte Larry, der neben Vinnie auf der engen Bank vor dem Käfig saß und das Pferd durch die Nacht lenkte. Richter Richardson ritt einige Meter vor ihnen und konnte nicht hören, was seine beiden Büttel sprachen.
„Lass das lieber mal nicht den Richter hören. Sonst setzt es wieder Hiebe. Du weißt, er hat eine sehr lockere Hand“, meinte Vinnie grinsend. „Es ist schon schlimm genug, mitten in der Nacht solch einen Weg auf sich nehmen zu müssen. Ich frage mich, was den Herrn dazu bewogen hat, so spät noch aufzubrechen.“
„Es scheint etwas sehr Wichtiges zu sein“, erwiderte Larry. „Ich hätte mich auch lieber an meinem Bier gelabt. Die kleine Fesche aus dem Hurenhaus wollte mich heute Nacht besuchen. Nun steht sie vor verschlossener Tür.“
„Du brauchst wohl mal wieder etwas vor dein Rohr?“, fragte Vinnie anzüglich und rieb sich den Schritt. „Mein Gemächt ist in der letzten Zeit auch nur noch zum Pissen da.“
„Ich hätte sie mit dir geteilt. Irgendwie muss man sich nachts die Zeit vertreiben“, erwiderte Larry feixend. „Aber… still! Der Richter lässt sich zurückfallen. Er muss nicht alles hören.“
„Nicht mehr lange und wir erreichen die Montgomerys“, tönte Henri Richardsons mit seiner lauten Stimme, die in der nächtlichen Stille noch lauter erschien als sie in Wirklichkeit war.
„Ja, Herr. Dort vorn sehe ich bereits das Tor zum Anwesen. Wir scheinen erwartet zu werden. Da steht jemand mit einer Fackel.“ Larry sprach heute eigenartigerweise mehr als man sonst von ihm gewohnt war.
„Sehr gut“, meinte der Richter. „Folgt mir.“ Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt voraus.
„Richter Richardson, Sire! Ihr werdet bereits erwartet“, begrüßte der Stallknecht Milo den Richter und sein Gefolge.
Der erkannte den Burschen und grinste. „Nun wird sich zeigen, ob ich meine Drohung wahr machen muss“, sagte Richardson zu Milo, der in seiner gewohnten Umgebung selbstbewusster war.
„Das wird nicht nötig sein“, erwiderte Milo. „Wenn Ihr mir folgen würdet, Sire.“ Der Stallknecht lief dem Richter voraus und wies ihm den Weg zum Herrenhaus. Er half dem etwas schwerfälligen Mann vom Pferd und übernahm die Zügel des Tieres. Ein weiterer Bediensteter nahm den Richter in Empfang und führte ihn in den Salon, wo er bereits von Sally erwartet wurde.
Milo währenddessen brachte das Reittier des Richters in den Stall, wo er es trocken rieb, fütterte und tränkte. Auch das Tier vor dem Schinderkarren bekam eine Portion Hafer und einen Eimer Wasser vorgesetzt.
Als der Richter den Salon betrat, erhob sich Sally sofort. Auch Edwina stemmte sich aus ihrem Sessel und wartete ab.
„Willkommen“, begrüßte Sally den Mann. „Vielen Dank, dass Ihr Euch so spät am Abend noch herbemüht habt. Aber es war wichtig, diese leidige Angelegenheit heute Nacht noch zu Ende zu bringen.“ Sally bot Richardson einen Platz an und schenkte ihm eigenhändig einen Whiskey ein, den schon ihr Vater liebend gern genossen hatte.
„Das ist doch Ehrensache“, erwiderte Henri. „Euer Vater war ein sehr angesehener Mann in Trowbridge. Aber nun erzählt. Was liegt vor?“
Sally begann zu berichten. Sie fing damit an, dass ihre Stiefmutter ihr drohte, sie ins Kloster zu schicken, sollte sie nicht binnen Jahresfrist vermählt sein oder wenigstens einen Bräutigam vorweisen. Dann folgte der angebliche Jagdunfall, bei dem ihr Vater zu Tode gekommen war. Auch das eigentümliche Verhalten der Witwe am Tag der Beerdigung und danach ließ sie nicht aus. Von Sir Selwyns Beobachtungen musste der Richter ebenfalls erfahren.
Gespannt hörte Richardson der jungen Frau zu. „Das sind wahrlich schwere Anschuldigungen gegen Eure Stiefmutter“, sagte er zu Sally. „Gibt es noch mehr?“
„Noch sehr viel mehr“, erwiderte Sally. Dann erzählte sie von ihrer Entführung, bei der sie betäubt davon geschleppt wurde wie ein Stück Vieh, von den beiden Ganoven, die sie erst geschändet und dann in Exmouth an einen Hurenwirt verkauft hatten. Ihr Martyrium dort ließ sie aus, das hatte nichts mit Lilith zu tun, obwohl sie indirekt auch daran die Schuld trug. Die meiste Schuld hatten ihre Entführer. Hätten sie Sally, wie von Lilith gefordert, ins Kloster gebracht, wäre sie bereits viel früher frei gewesen.
„Gibt es noch weitere Zeugen?“, wollte der Richter wissen.
„Oh ja“, antwortete Sally und nannte die Namen ihrer Freundin Genefa und deren Ehemanns. Lord und Lady Kimberley gab sie als Auftraggeber des Detektivs Garrick Moore an, der herausgefunden hatte, dass ihre Entführer auch ihren Vater auf dem Gewissen hatten. Außerdem zählte sie Adelaide als Zeugin auf. Kurz berichtete sie von Raimon, bei dem sie sich nach ihrer Flucht aus dem Hurenhaus versteckt hatte und dessen Gemahlin sie nun wäre.
„Wo ist Raimon eigentlich?“, fragte sie Edwina, die zu ihrer Unterstützung bei ihr geblieben war und nun der Unterhaltung gespannt folgte.
„Wie ich hörte, bewacht Raimon deine Stiefmutter“, erwiderte die alte Frau. „Walter war so müde, dass er ihn zu Bett geschickt hat.“
Sally gab sich mit dieser Antwort zufrieden und sah den Richter nun an, der sie aufmerksam beobachtete.
„Wahrlich, Mistress Lilith erstaunt mich sehr“, sagte Henri nach einer Weile. „Lilith und ich sind etwa in einem Alter. Schon unsere Eltern kannten sich. Eigentlich wollte ich um ihre Hand anhalten. Aber Euer Vater kam mir zuvor. So ist Lilith seine Frau geworden und nicht meine. Es hat halt nicht sein sollen.“ Er überlegte nochmals kurz. „Und nun soll ich ihr Ankläger sein. Ja, was soll es? Es ist mein Amt, das ich gewissenhaft ausführen muss. Da zählen persönliche Belange nicht. Außerdem habe ich eine ganz liebenswürdige Gattin und noch liebenswürdigere Kinder mit ihr.“
„Das freut mich sehr für Euch“, entgegnete Sally. „Wenn Ihr noch Fragen haben solltet, scheut Euch nicht, sie zu stellen. Mein Gatte Raimon und ich stehen Euch selbstverständlich zur Verfügung.“
„Eure Freunde und diesen Garrick Moore müsste ich noch befragen, ehe ich die Anklage gegen Eure Stiefmutter erhebe. Mein Sekretär wird die Aussagen schriftlich aufnehmen. Ich werde ihn morgen aber erst einmal hierher schicken, damit er Eure und die Eures Gatten aufnehmen kann“, kündigte Richardson an. „Ich werde Boten zu Euren Verbündeten schicken und sie über mein Kommen benachrichtigen. Wo finde ich diesen Mister Moore? Alle, außer ihn, kenne ich.“
„Oh, Mister Moore weilt gerade mit seiner Braut in London, was seine Heimatstadt ist. Dort richten sie das Haus ein, das sie nach ihrer Vermählung bewohnen werden“, gab Sally gerne Auskunft.
„Dann kommt die Befragung wohl sehr ungelegen?“
„Das könnte möglich sein. Seine Braut ist meine Freundin. So werden sie und Mister Moore wohl gerne hierher kommen, damit sie Euch mit ihrer Aussage überzeugen können. Garrick ist es garantiert auch gelegen, den Fall endlich zu beenden. Die beiden wollten eigentlich erst zur Taufe meines Kindes anreisen, aber so werden sie sicher auch eher aus London anreisen.“ Trotz widriger Umstände freute sich Sally auf die Freundin. Wenn sie Glück hatte, konnte Sabrin auch bei ihrer Niederkunft dabei sein.
„Gut, dann werde ich dem Detektiv ebenfalls eine Botschaft senden“, sagte der Richter. „Oder erreiche ich ihn auch über Lord Kimberley?“
„Darüber kann ich nichts sagen“, antwortete Sally. „Fragt den Lord am besten selbst.“
„Dann lasst uns nun zu Eurer Stiefmutter gehen“, schlug Henri nun vor und erhob sich. „Zeigt Ihr mir den Weg?“
Draußen in der Diele wandte sich der Richter ein Dienstmädchen auf, das neben der Tür auf eventuelle Wünsche ihrer Herrin wartete. „Laufe bitte zu meinen Bütteln, die vor dem Haus warten und führe sie zu Mistress Liliths Gemach“, befahl er dem Fräulein freundlich.
Sally nickte nur dazu und das Mädchen entfernte sich eilig.