Genre: Abenteuer, Familie, Fantasy
Laufzeit: 115 Minuten
Von: Niki Caro
Mit: Liu Yifei, Donnie Yen, Gong Li
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK: Ab 12 Jahren
Tatsächlich musste ich bei dieser Review jetzt überlegen, wie ich sie beginne, denn ich schreibe sie mit ganz frischen Eindrücken.
Eine Freundin von mir hat sich sehr auf diesen Film gefreut und ist Abonnentin bei Disney+. Also hat sie die 22€ in die Hand genommen, die man derzeit noch einmal extra zahlen muss, um diesen Film sehen zu dürfen (man kauft also sozusagen Kinoticket UND gleichzeitig die Blu-Ray) und mich eingeladen, den Film mit ihr anzusehen. Meine Freundin und ich sind uns beide einig, dass der Film uns mit ernüchterner Meinung zurücklässt.
Erstmal: Wie in vielen Previews schon geschrieben wurde, hat der Film nicht viel mit dem Original von 1998 gemeinsam bis auf Grundzüge der Story. Es gibt keine Begleiter (wie beispielsweise Mushu) für Mulan, und Musik wie damals gibt es ebenfalls nicht. Insgesamt soll der Film ernster sein als das Original, was dem Film im Ansatz auch gelingt. Warum nur im Ansatz? Dazu komme ich später.
Mulan wächst in einer kleinen Gemeinschaft auf, träumt jedoch davon, das Leben eines Soldaten führen zu dürfen. Das wiederum widerspricht aber ihrer "Rolle" als heranwachsende Frau. Wenn es nach ihrer Familie geht, soll sie endlich durch eine Vermittlerin einen Mann finden und ihrer Rolle gerecht werden, was aber leider nicht funktioniert.
Währenddessen greifen Soldaten aus dem Norden Garnisonen an, um Stück für Stück das Land zu erobern. Der Kaiser (gespielt von Jet Li) verfasst daraufhin ein Dekret: Jede Familie soll einen Mann stellen, der eingezogen wird und gegen die Angreifer in den Krieg ziehen soll. Da Mulans Vater, ein Veteran aus den vorherigen Kriegen, jedoch ausschließlich mit zwei Töchtern gesegnet ist, lässt er sich aufstellen, obwohl er eine alte Kriegsverletzung hat. Mulan fasst daraufhin den Entschluss, sich als junger Mann auszugeben und anstelle ihres Vaters loszuziehen. Daher bricht sie in tiefster Nacht auf, damit niemand etwas von ihrem Verschwinden erfährt.
Jetzt sollte ich erstmal anfangen und sagen, was mir an diesem Film gefiel. Tatsächlich ist mir das Visuelle im Gedächtnis geblieben. Die Landschaften, aber auch die Kostüme der Schauspieler sind wirklich wunderbar designed und sehen wirklich hochwertig aus. Auch die Schauspielerische Leistung einiger Charaktere ist nicht zu verachten. Donnie Yen spielt den Kommandant Tung wirklich sehr gut, und auch Jet Li als Kaiser funktioniert einwandfrei. Weshalb, darauf komme ich später noch einmal zu sprechen. Auch Yifei Liu macht als Mulan selbst eine sehr gute Figur, zumindest aus dem, was man aus der Rolle herausholen kann. Es gibt sogar mal eine etwas düstere Szene, also im Vergleich zum Rest des Films. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Film ab 12 Jahren freigegeben ist. Die Musik ist stellenweise gut, aber nicht so, dass sie mir im Gedächtnis bleiben würde.
Leider gibt es aber auch Dinge, die mir absolut nicht gefallen haben.
Wie ihr gerade gelesen habt, gefielen mit Donnie Yen und Jet Li sehr gut in ihren Rollen. Das große Problem daran ist, dass beide Rollen komplett in den Hintergrund treten. Klar, der Kaiser selbst hatte im Original von 1998 auch keine allzu große Rolle, doch ausgerechnet Kommandant Tung, der die Männer trainieren und ausbilden soll, kommt in diesem Film einfach viel zu kurz. Er erscheint nur noch als Mittel zum Zweck, um der verkleideten Mulan weise Worte zuzusprechen und hat auch sonst kaum eine große Nachhaltigkeit für den Film. Dass man diese Rolle dann ausgerechnet mit Donnie Yen besetzt, der nachweislich so viel mehr zu bieten hätte, ist wirklich schade.
Auch der große Gegner, Böri Kahn, ist leider ein kompletter Verlierer. Wenn ich jemanden als Gefahr darstellen möchte, dann setze ich ihn nicht erst groß in Szene und zeige ihn mit einer großen Armee und purer Stärke, damit er dann im Endkampf plötzlich einfach nichts mehr kann und sich beinahe wehrlos besiegen lässt. Ich habe zu keiner Zeit gespürt, dass von ihm eine wirkliche Gefahr ausgeht, was für den obersten Bösewicht in einem Film natürlich kein gutes Zeichen ist.
Einer der größten Schwachpunkte im Film ist Mulan selbst. Und hier muss ich leider vom Begriff "Mary Sue" gebrauch machen. Viele haben den vielleicht schon im Zusammenhang mit Rey aus Star Wars Episode 7-9 gehört. Falls nicht, hier eine kurze Erklärung:
"Eine Mary Sue ist eine idealisierte und vermeintlich perfekte Kunstfigur. Diese Figur wird oft als Wunschvorstellung des Autors wahrgenommen. Üblicherweise kann sie Aufgaben erheblich leichter bewältigen als vergleichbare Figuren mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung." -Wikipedia
Und diese Erklärung trifft auf Rey in Star Wars sowie auf Mulan leider perfekt zu. Der gesamte Film macht es Mulan viel zu einfach, ihr Ziel zu erreichen. Im Original von 1998 beispielsweise wurde viel mehr gezeigt, mit was für Problemen Mulan als verkleideter Mann zu kämpfen hatte, vor allem während ihrer Ausbildung. Ihr fehlte es an Kraft, Erfahrung und Ausdauer, was sie sich erst alles aneignen musste. Noch dazu musst sie geheim halten, dass sie eigentlich eine junge Frau ist. Sie stand sogar kurz davor, alles aufzugeben, weil es so aussah, als würde sie den Anschluss an die anderen niemals finden. Doch dann biss sie die Zähne zusammen, trainierte heimlich in der Nacht weiter und schloss nach und nach sogar Freundschaft mit jenen, die sie anfänglich ausgelacht hatten. Auch den Kommandanten hatte sie alsbald von ihren Leistungen und ihrem Willen überzeugt.
Doch in diesem Film gerät das alles aus den Fugen. Klar wird gezeigt, dass sie ein paar Probleme hat, geheim zu halten, wer und vor allem was sie wirklich ist. Doch das wird alles nur kurz angerissen, meist als Szene, in denen es darum geht, dass sie baden muss, weil sie stinkt. Das wird mehrfach so im Film erwähnt tatsächlich. Auch, dass sie mit den anderen Soldaten erst große Probleme hat, dann aber Freundschaften schließt, wird, wenn überhaupt, nur kurz angedeutet. Viel zu schnell sind diese Freundschaften geschlossen, bis auf den einen Soldaten, mit dem sie anfangs zusammenrasselt. Doch auch das wird alles hinten angestellt. Selbst das Training ist nichts weiter als eine Farce. Nur, weil das Drehbuch es sagt, mangelt es ihr plötzlich an Kraft, diese eine Aufgabe, die sie immer wieder gestellt bekommen, zu bewältigen. Im Original von damals mussten die Soldaten viel mehr Aufgaben erfüllen und mehr lernen, heute müssen sie zwei Wassereimer ein paar Stufen hochtragen.
Viel mehr wird von Anfang an gezeigt, dass Mulan ihre Talente schon in die Wiege gelegt bekommen hat. Als Kind kann sie schon die unmöglichsten Dinge vollführen und lässt ihren Eltern Angst und Bange werden. Diese Talente muss sie angeblich verstecken, denn den Menschen ist es verboten, ihr Chi zu benutzen, selbst im Kampf. Doch als es dann mit Mulan durchgeht und sie im Kampftraining zeigt, was für Talente sie hat, kann sie plötzlich alles. Während die anderen an den Übungen verzagen, macht sie diese nun mit Leichtigkeit und stellt alle anderen in den Schatten. Doch anstatt misstrauisch zu werden, bejubeln alle sie plötzlich für ihre Taten.
Diese Darstellung spricht für mich gegen alles, was Mulan ausgemacht hat für mich. Sie muss sich nicht mehr beweisen, sie kann plötzlich alles. Ihr fällt den gesamten Film über nichts schwer, eher wird alles so gewendet, dass sie es sogar sehr einfach hat. Das macht sich auch im letzten Kampf gegen Kahn bemerkbar, der für mich wirklich sehr lächerlich war. Gibt es dann doch mal einen Moment, in welchem Mulan an sich zweifelt, kommt ein nett animierter Phönix aus dem Nichts, fliegt an ihr vorbei, und plötzlich ist wieder alles gut. Und das nur, weil ihr Vater ihr früher die Geschichte erzählt hat, dass der Phönix aus der Asche wiederauferstehen soll und er der Schutzgeist der Familie ist. Wirklich etwas Wichtiges macht der Phönix aber nicht. Dafür sieht er nett aus. Grundsätzlich kann man sagen, dass Mulan wirklich alles besser kann als jeder andere in diesem Film. Ihr einziger Fehler soll es gewesen sein, sich nachts aus dem Elternhaus zu schleichen und sich als Mann ausgegeben zu haben, was sich am Ende dann natürlich alles wieder zum Guten wendet. Dafür wird viel mit den Phrasen herumgeworfen, dass ihr Verhalten Disgrace, also Schande über ihre Familie und das Land gebracht habe. Doch das zählt am Ende dann auch nicht mehr.
Durch all das baut man auch kaum Bindungen zu den anderen Charaktere auf, die alle ziemlich belanglos daherkommen und nicht wirklich wichtig sind für die Geschichte. Obendrauf gibt es noch eine halbgare Liebesgeschichte, die aber nie ihr Ende oder eher den Anfang finden mag. Eher wirkt es wie eine halbe Idee, die es auch nur halb in den Film geschafft hat.
Um kurz noch einmal auf das Chi zu sprechen zu kommen. Das Chi ist eine Innere Kraft, die in dem Film dazu genutzt wird, an Wänden entlangzulaufen und ein paar nette Stunts auszuführen. Die verstoßene Hexe wiederum nutzt Chi, um von Menschen Besitz zu ergreifen oder sich in Vögel zu verwandeln. Mehr nicht. Das Chi wird nicht erklärt, es nimmt keine Rolle ein, es wird nicht einmal erklärt, warum es verboten sein soll, das zu nutzen. Trotzdem soll der Krieger mit dem Chi eine Verbindung eingehen, um volle Kontrolle über sich zu erlangen. Ob sie das nun getrennt betrachten oder das einfach ein Logikfehler ist, ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich meinen Augen nicht trauen wollen, als ich sah, dass die Hunnen ... Verzeihung, die Angreifer aus dem Norden, plötzlich schweben und an Wänden entlanglaufen konnten. Der einzige Grund, weshalb es das im Film gibt, ist einfach, um ein paar nette CGI-Effekte zu zeigen, welch auch nicht alle sauber verarbeitet sind.
Dazu gibt es einige echt schlimme Schnitte im Film. Die Kämpfe sind allesamt sehr unübersichtlich, da gefühlt 20-30 Kameras alle gleichzeitig mit Bildern gefüttert werden mussten. An einigen Stellen hielt man es auch für eine gute Idee, die Kamera mitrollen und sich mitdrehen zu lassen. Ruhige Aufnahmen gibt es nicht, sodass man in der Action kaum erkennt, was eigentlich gerade passiert. Und das, was man von den Kämpfen sieht, ist auch eher weniger spektakulär. Verletzungen gibt es nicht, selbst wenn jemand nach einem Schnitt quer über den Körper davonfliegt, als hätte ein Tornado ihn mitgenommen. "Treffer" gehen dabei sogar sichtlich ins Leere.
Am Ende kann ich einfach nur sagen, dass ausgerechnet die Rolle der Mulan den Film für mich uninteressant gemacht hat. Sie kann alles, sie kommt nie wirklich in Bedrängnis, und wenn ja, dann wirkt das vom Film krampfhaft erzwungen. Sie braucht keine Unterstützung, dafür rettet sie aber alle anderen. Das ist am Ende der Film. Mulan Hui, alle anderen ... waren eben auch irgendwie da.
Für meine Freundin und mich war der Film jedenfalls eine ziemliche Enttäuschung und wir bevorzugen weiterhin das Original von 1998. ich würde jedem, der den Film sehen möchte, raten, einfach bis zum Dezember zu warten. Dann soll es den Film auch ohne "VIP"-Zahlung auf Disney+ geben. Ja, sie nennen das VIP-Zahlung, da man den Film als Abonnent dann vor allen anderen Abonnenten sehen darf.
Zusammenfassung der Story:
Um das Land vor Eindringlingen aus dem Norden zu schützen, errichtet der mächtige chinesische Kaiser (Jet Li) eine gewaltige Armee. Ein Mann aus jeder chinesischen Familie soll für ihn in den Kampf ziehen – darunter auch der Vater der jungen Mulan (Yifei Liu), Zhou Hua (Tzi Ma), der dem Einberufungsbefehl selbst krank und geschwächt folgeleisten will. Seine Tochter ist sich jedoch sicher: Wenn er in den Krieg zieht, wird ihr Vater nicht überleben. Kurzerhand beschließt Mulan deswegen, an seiner statt in die Schlacht zu ziehen. Verkleidet als Mann gibt sie sich fortan als Jun Hua aus und begibt sich auf eine gefährliche Reise durch China, um sich dem Militär anzuschließen und unter Kommandant Tung (Donnie Yen) die knallharte Ausbildung zur Kriegerin zu absolvieren. Denn nur so kann sie das Gefecht überstehen und nicht nur ihr Vaterland, sondern auch ihren Vater mit Stolz erfüllen.
Trailer: