In der Unterwelt- Das Haus der Monster
Die vierte Pforte, sah aus wie ein riesiges Käfigtor. Die Zwischenräume zwischen den Gitterstäben waren erstaunlich breit, so breit, dass sie hindurchschlüpfen konnten. Sie betraten nun ein dunkles, stinkendes Gewölbe, worin sich hunderte von Käfigen befanden. Die Käfige waren voll mit schreckliche Monstern. Monstern welche sich ihnen nun zischend und fauchend zuwandten. Einige von ihnen erkannten sie sogar wieder! Eines war das acht-äugige Monster, das sie damals im Silbermeerreich besiegt hatten, ein anderes war der Schlammdrache, den Malek vorhin im Moor getötet hatte. Doch da waren noch viele, viele mehr! Ihre Käfige standen dicht an dicht und bis hinauf an die Decke der riesigen Grotte gestapelt. «Jetzt wissen wir wenigstens, wohin all die Monster gehen,» sprach Benjamin in Gedanken. «Es würde mich nicht wundern, wenn sie von hier auch wieder ausgesandt würden.»
«Eigentlich eine Schande, wie diese Wesen hier leben müssen,» erwiderte Pia. «kein Wunder sind sie so aggressiv.»
«Das ist ihre Bestimmung!» erklang hinter ihnen auf einmal eine, ihnen bekannte, Stimme. Den Geschwistern, aber vor allem Malek, gefror das Blut in den Adern und sie fuhren herum. Vor ihnen standen der böse Priester Skarion und neben ihm die Hexe Xantie, die sie damals im Feuerreich getötet hatten. «Seht an, seht an!» rief Skarion, «dass wir uns einst auf diese Weise wiedersehen, hätte ich niemals zu hoffen gewagt!» «Er lachte hämisch und Xantie, welche zurzeit noch ihre Menschengestalt hatte sprach: «Jetzt können wir endlich Rache nehmen, für das was ihr uns angetan habt. Nur wegen euch, sind wir schliesslich hier gelandet und müssen nun diese Monster tagein, tagaus betreuen. Ohne zu wissen ob wir hier je wieder rauszukommen. Das werdet ihr büssen!» Die beiden Bösen machten einen bedrohlichen Schritt auf die drei Freunde zu und diese wichen instinktiv etwas zurück. Sich hier auf einmal Auge und Auge, mit zwei ihrer schlimmsten Gegner wiederzufinden, war ein Schock und sie waren im ersten Moment, wie gelähmt. Skarion und Xantie kamen immer näher und näher, ihre Augen waren voller Hass und Rachsucht.
Doch dann richtete sich Pia einem plötzlichen Impuls folgend auf. «Ihr könnt uns überhaupt nichts tun!» rief sie.
«Und wie kommt ihr darauf, dass wir das nicht können?»
«Seht euch doch mal an! Ihr seid doch schon lange tot, nur noch ein Schatten eurer Selbst und wir sind noch am Leben.»
«Pia hat recht,» sprach Benjamin. «Wir tragen sowieso die Gewänder der Klarheit und wir glauben kaum, dass eure jetzigen Kräfte noch ausreichen, um uns in irgendeiner Weise gefährlich zu werden.»
«Wir können es gerne versuchen!» rief Skarion und hob seinen Arm, um einen Zauber zu wirken, doch nichts passierte. Er versuchte es nochmals, nichts! Auch Xantie wollte einen Zauber sprechen, doch auch bei ihr funktionierte es nicht.
«Habt ihr gesehen, ihr könnt uns gar nichts antun,» sprach nun auch Malek. «Ihr seid bemitleidenswerte Kreaturen, all eurer Macht beraubt. Hättet ihr doch eure Kräfte aus einer anderen Quelle gezogen, als aus dieser trostlosen Unterwelt. «Nein! Das ist alles eure alleinige Schuld!» kreischte die Hexe und verwandelte sich nun in ihr monströses Ich. Sie wollte Malek angreifen, doch sie glitt nur durch ihn hindurch.
«Es hat keinen Zweck, ihr seid nur Geister, nichts weiter.»
«Wir haben aber immer noch unsere mentalen Kräfte, damit können wir sogar all die Monster hier, in Schach halten!» meinte Skarion arrogant. Der böse Priester konzentrierte sich und tatsächlich spürten die drei Freunde nun einen kalten Hauch von Finsternis, der versuchte sich ihrer zu bemächtigen, doch es war nur ein kurzer Moment und das bedrohliche Gefühl, wich sogleich einer heiteren Gelassenheit.
«Viel geben deine mentalen Kräfte nicht mehr her Skarion,» rief Malek spöttisch.
Unbändiger Zorn zeichnete sich nun in den Augen des Priesters ab und er schrie: «Du wirst irgendwann genauso enden wie wir und irgendwann kriegen wir dich. Denn die Finsternis ist immer noch stark in dir. Sie ist sozusagen dein Erbe, du kannst dich ihr nicht entziehen, früher oder später wirst du fallen und dann… werde ich da sein.»
Malek wollte gerade etwas darauf erwidern, als etwas völlig Unerwartetes geschah! Die Riegel der Monsterkäfige schoben sich auf einmal, wie von Geisterhand, zurück. Entsetzt schauten die drei Freunde zu, wie die Türen selbiger sich langsam öffneten. Nun erhob sich ein ohrenbetäubendes Getöse. Die Kreaturen in den Käfigen schrien, fauchten und knurrten laut und befreiten sich aus ihren Gefängnissen. Die Geschwister und der Magier, schauten zu Skarion und Xantie herüber, doch diese konnten nichts mit dem Öffnen der Käfige zu tun haben, denn sie blickten genauso ängstlich und fassungslos, auf die nun befreiten Monster, wie sie selbst.
«Was ist geschehen!» kreischte Xantie. «Wie konnten sie sich befreien?» Doch sie konnte nicht mal mehr zu Ende sprechen, den eins der grässlichen Kreaturen, stürzte sich bereits auf sie, gefolgt von einer ganzen Horde seinesgleichen. In Windeseile zerfetzten sie die Hexe. Skarion wollte sich wehren, doch auch er wurde zu Boden geworfen und zerfetzt. «Raus hier!» brüllte Malek. Doch das wäre nicht nötig gewesen, denn die Geschwister hatten bereits die Flucht ergriffen. Sie liefen so schnell sie konnten, auf die nächste Pforte zu. Doch eins der Monster machte einen riesigen Sprung und versperrte ihnen den Weg. Voller Schrecken blieben sie stehen. Das Monster, es war eine riesige, wolfsähnliche Bestie, mit Skorpion Schwanz und Hörnern auf dem Kopf, fixierte sie einen Moment lang, mit seinen kalten, schlangengleichen Augen. Malek wollte schon einen Zauber wirken, um sich und die Kinder zu verteidigen, als Benjamin rief: «Nein warte! Ich glaube es wird uns nichts tun!» Tatsächlich entspannte sich das Monster wieder und trottete dann, ohne weiteres Aufhebens, zurück zu seinem Käfig. Es stieg wieder hinein und die Türen schlossen sich kurz darauf wieder.
Die drei Freunde standen ungläubig da und schauten zu, wie sich alle Monster langsam wieder zurückzogen. «Mein Gott! Was war das?» fragte Benjamin diesmal wieder in Gedanken. «Das weiss ich auch nicht,» gab Malek zur Antwort. «Aber wir gehen lieber weiter!» Als sie jedoch an der nächsten Pforte, welche aus milchigem Glas zu sein schien, ankamen, drehten sie sich nochmals um.
Alles war still. Totenstill! Dann jedoch begannen die zerfetzten Leiber von Skarion und Xantie auf einmal wieder zusammen zu wachsen und kurz darauf, standen sie wieder unversehrt dort, wo sie von den Monstern hingerichtet worden waren! Sie wirkten leicht verwirrt, als würden sie sich an nichts mehr erinnern, auch nicht daran, dass sie vorhin gerade ihren Erzfeinden gegenübergestanden hatten.
Sie gingen den Käfigen entlang und musterten die Monster, die sie gerade angefallen hatten, teilnahmslos. «Alles noch in Ordnung mit den Kreaturen?» fragte Skarion. Xantie nickte «Ja, wie immer keine Veränderung. Welch eine langweilige Arbeit, auf diese Biester aufzupassen. Zumal wir schon lange keines mehr auf die Welt loslassen konnten. Da hat man so viel Macht und Grauen in den Händen und darf es nicht einmal einsetzen. Will uns unser Herr irgendwie prüfen, weil wir bei Malek und diesen Turner Kindern, versagt haben?» «Wer weiss das schon, die Wege unseres Herrn sind unergründlich.»
Die beiden Bösewichte, setzten sich nun an einen kleinen Tisch und begannen irgendein Runenspiel zu spielen als… auf einmal die Riegel der Käfige erneut mit einem schleifenden Geräusch zurückgeschoben wurden und die Monster erneut ausbrachen…!
Sogleich stürzten sie sich wieder auf Skarion und Xantie und einmal mehr, fanden diese ein grausames Ende. «Was um alles in der Welt geht da vor?» wollte Pia wissen, welche erschüttert das Gesicht abgewandt hatte. «Jetzt ist wieder genau das Gleiche passiert, wie vorhin. Meinst du, sie stehen nochmals auf?» Malek nickte langsam. «Es könnte sein. Schauen wir mal wie es weitergeht. Ich glaube es ist irgendein Zeit-schleifen Phänomen, in welchem die beiden gefangen sind.» «Sie haben sich auch an gar nichts mehr erinnert, auch nicht daran, dass sie uns begegnet sind. Seltsam.»
Aus Neugier blieben die drei noch eine Weile an Ort und Stelle stehen und beobachteten, was weiter geschah. Wieder kehrten die Monster nach ihrem Angriff in ihre Käfige zurück und diese schlossen sich ganz von selbst.
Kurz darauf, auferstanden der Priester und die Hexe einmal mehr und einmal mehr redeten sie miteinander, beinahe über die gleichen Dinge und machten dann ein Spiel. Nur Minuten später, öffneten sich die Käfige tatsächlich ein weiteres Mal, die Monster brachen aus und begingen ihren grausamen Mord an ihren beiden vermeintlichen Bewachern. Diese standen eine Weile später tatsächlich unversehrt wieder auf und schienen sich an nichts mehr zu erinnern. «Das ist echt grotesk,» sprach Benjamin. «Kommt, ich mag diesem sinnlosen Schauspiel nicht mehr länger beiwohnen. Da sieht man mal, was aus jenen wird, die glauben der Herr der Finsternis, sei der richtige Herr. Schauen wir, dass wir hier wegkommen. Das Tor hier ist irgendwie eiskalt, das pure Gegenteil von dem Inferno, dass wir vorhin durchquert haben.»