Der nächste Gang und die nächste Grotte, die sie durchschritten, zeigten nun weitere Szenen. Sie sahen sich selbst beim Waldvolk, erblickten die Goldene Tanne und die Nymphe Miowa. Bei einer weiteren Szene blieben sie hängen. Es war jene mit der Lindenfrau, dem weisen Baumgeist, den sie damals auf ihrer Reise ins Waldreich angetroffen hatten. Diese hatte ihnen das erste Mal von Maleks und Nofretes trauriger Liebesgeschichte erzählt.
«Sie hat euch aber nicht nur von dieser traurigen Liebesgeschichte erzählt, sondern auch noch etwas anderes, sehr wichtiges gesagt, erinnert ihr euch?»
«Sie sagte irgendetwas davon, dass sie schon von uns gehört habe und alles, ja alles Eins sei.» erinnerte sich Pia.
Sie sahen nun die Szene nochmals vor sich ablaufen, als würden sie sie ein zweites Mal erleben. Benjamin aus der Vergangenheit meinte gerade faszinert:
„Ich hätte nicht gedacht, das Bäume reden können und dass der Geist eines Baumes, sich sogar auf solche Weise, materialisieren kann, schon gar nicht.“ „Es kommt auch selten vor“, meinte die Lindenfrau erneut schalkhaft lächelnd. „Aber bei euch ist das etwas anderes. Euer Ruf eilt euch voraus.“ „Welcher Ruf?“ „Ihr seid die Auserwählten, welche Ululala persönlich ausgebildet hat.“ „Woher weisst du das denn?“ fragte Pia. Die Lindenfrau erwiderte versonnen: „Der Wind trägt mir so manche Nachricht zu und auch die Erde spricht zu mir. Alles ist EINS. Es gibt nicht wirklich eine Trennung, zwischen den Lebewesen. Die Lebewesen selbst sind es, welche oft eine Trennung herbeiführen.“
«Das war eine sehr wichtige Aussage, welche euren weiteren Weg massgeblich geprägt hat,» meinte die Alte Windfrau. «Ist es nicht so?»
«Ja, das stimmt wirklich! Der Gedanke, dass alle Geschöpfe eigentlich EINS sind, hat uns sehr bewegt. Seit jenem Moment wollten wir umso mehr den Verbannten helfen,» sprach Benjamin.
«Genau! Ist das auch ein Grund, warum ihr immer weitermacht?»
«Ja, jetzt wo du es sagst… ich glaube das ist tatsächlich ein sehr wichtiger Grund. Es ist uns ein Anliegen, dass es allen Lebewesen gut geht, dass sie in Frieden und Freude leben können. Die Naturgeister haben uns gezeigt, dass das möglich ist und es hat uns sehr berührt.»
«Wir hätten dies wohl nie so verinnerlichen können, wenn wir in der irdischen Welt geblieben wären,» bestätigte Pia. «Darum musste wohl wirklich alles so kommen, wie es kam.»
«Ja, es könnte sein,» gab Benjamin zu Antwort. «Obwohl wir manchmal noch immer daran zweifeln, dass wir die Richtigen für all diese Aufgaben sind.»
«Ihr zweifelt noch immer? Bei allem was man euch gesagt wurde, was ihr erlebt habt?
Damals die Sonnenfee, schaut hin! Sie gab euch nicht umsonst das Sonnenschwert und den Sonnenschild, um gegen die böse Hexe Xantie zu kämpfen und so das Feuer der ewig göttlichen Liebe zu finden. Nicht umsonst, gaben euch die Sternenfeen damals den Sternenstab oder die Blumenelfen, die kleine Dose, mit der schnell wachsenden Wunderpflanze. Ich könnte euch noch viele Beispiele nennen. Die einzigen die sich hier noch im Wege stehen, seid ihr selbst, weil ihr euren Platz nicht endlich einnehmen könnt!» «Wir wollen es ja, aber es ist nicht so einfach.»
«Es ist selten einfach.» Die Stimme der Windfrau klang tadelnd und die Geschwister fühlten sich auf einmal wieder elend. Ihnen war bewusst, dass sie nun in ihrer ganzen Blösse vor der Windfrau standen und sie konnten sich der Wahrheit in ihren Worten, nicht entziehen. «Du hast ja recht, wir sind uns dessen bewusst.» meinten die beiden deshalb resigniert.
«Dann versucht euch an den Moment zu erinnern, als das Feuer der ewig, göttlichen Liebe euch das erste Mal berührt hat!» meinte die Windfrau.
Sogleich tauchte die Szene mit dem heiligen Feuer an der Wand auf und sogleich fühlten sich die Geschwister wieder in jenen Moment hineinversetzt. Es war ein unglaubliches Gefühl gewesen, als sie das Feuer das erste Mal gesehen und dann sogar berührt hatten. Alle Angst war damals von ihnen abgefallen und sie glaubten alles schaffen zu können. In diesem erleuchteten Zustand hatten sie sich Malek dann entgegengestellt.
«Das heilige Feuer brennt noch immer in euch, fühlt ihr das?» fragte ihre Begleiterin.
«Ja… tatsächlich! Sie fühlten es wieder ganz genau und eine wundervolle Wärme, Geborgenheit und Sicherheit durchströmte sie erneut.
«Ihr habt dieses Feuer nun für ewig in euch. Es kann euch nicht mehr genommen werden, macht nicht den Fehler, es euch selbst wieder wegzunehmen!»
«Du hast recht!» meinte Benjamin. «Wir müssen da wirklich vorsichtig sein! Das ist eine unserer grössten Schwächen. Wir sind eben auch nur Menschen.»
Das ist ein Grund, aber kein Hindernis. Ihr könnt euren Weg gehen, es bleibt nur noch dieser einzige Schritt, diese Kleinigkeit in eurem Bewusstsein, die euch noch immer blockiert und die der Herr der Finsternis ganz bestimmt gegen euch zu verwenden vermag, wenn ihr nicht ganz achtsam seid!» Was sagte damals der Meerskönig Niksana über die Menschen? Erinnert ihr euch?» «Zum grossen Teil ja, könnten wir die Szene aber vielleicht noch sehen.» «Natürlich, ich wollte mit euch sowieso in die nächste Grotte gehen. Dort entlang!»
Auf dem Weg zu nächsten Höhle, kamen die Geschwister an weiteren Szenen vorbei: Sie sahen nun auch die Nymphe Miowa, Markuloz und Makraloz, erlebten nochmals den Angriff des bösen Geistes Rochas und den Kampf gegen Malek.
In der nächste Grotte dann erblickten sie alle Szenen, die sie im Reiche der Wassergeister erlebt hatten. Sie sahen Niksana, den edlen Meerskönig der gerade zu ihnen sagte:
«In der Tat ist das Vergessen bei den Menschen gross. Das Vergessen ist es und die so häufige Ignoranz, für so manches, dass sie nicht erfassen, oder verstehen können. Durch ihre Verschlossenheit strafen sie sich jedoch nur selbst und geben dafür nicht selten einem höheren, göttlichen Führer die Schuld. Dabei wären sie so begnadet, so geliebt. Die Gefahr bei den Menschen ist es, dass sie durch ihren verschlossenen Geist, die wahren Wunder nicht mehr erkennen und sehen können.
Darum seid ihr hier! Darum sollt ihr die Boten sein, für ein neues Bewusstsein, welches so nötig in der irdischen Welt ist. Die Menschen vergessen immer mehr ihre Bestimmung. Sie lieben sich selbst nicht mehr und können so auch andere nicht mehr wahrlich lieben. In ihrer Verzweiflung suchen sie in allen möglichen Dingen ihre Befriedigung und finden sie doch nicht, weil sie blind geworden sind, für alles was ihnen eigentlich geschenkt worden ist. Der grosse allumfassende Gottes- Geist jedoch, ist so voller Liebe für alle Geschöpfe, auch für die Menschen, so dass er alles versucht, damit sie glücklich werden. Doch leider wird diese Hilfe, welche eigentlich immer da wäre, nicht angenommen. Einfach weil sie nicht angenommen werden kann, weil sie nicht gesehen oder nicht erkannt wird.
Ihr jedoch, seid etwas Besonderes und darum habt ihr eine wichtige Aufgabe.»
«Das war damals wirklich eine tolle Ansprache von Niksana!» meinte Ben «Ich glaube, für uns ist es sehr wichtig, dass wir all die wunderbaren Dinge die uns widerfuhren und immer noch widerfahren, tatsächlich nicht vergessen. Das geschieht manchmal schneller als man denkt. Ich will mir das immer mehr ins Bewusstsein rufen.» «Das will ich auch!» sprach Pia «Ich will nicht vergessen, auf keinen Fall!» Das ist gut!» sprach die Windfrau. «Ja, das ist wirklich sehr gut.»