In der Unterwelt- Der Fährmann
Eine Weile mussten die Freunde noch gehen. Das Moor wurde nun immer unwegsamer und gefährlicher. Die Luft war schlecht und von seltsamem Dampf erfüllt. «Es riecht eindeutig nach Schwefel,» stellte Malek fest. «Es muss hier so etwas wie vulkanische Aktivitäten geben. Passt gut auf, wo ihr hintretet! Es hat hier einige heimtückische Schlammlöcher und der Schlamm blubbert so komisch. Er könnte sehr heiss sein und wenn er euch hinunterzieht, ist es passiert. Ich teste den Boden für euch aus und ihr könnt mir folgen.»
Langsam, ganz langsam, tasteten sich die drei vorwärts. Es war sehr mühsam und anstrengend. Nach einiger Zeit jedoch, erblickten sie endlich den Eingang zur Höhle.
Einige gelbe und schwarze Schleimpilze und scheinbar verdorrendes Dornengestrüpp, verdeckte ihn zum grossen Teil.
«Wir hatten Glück, dass wir den Eingang von weitem schon gesehen haben,» sprach Benjamin. «Vermutlich hätten wir ihn sonst nicht so einfach gefunden. Er ist sehr gut versteckt. Meinst du wir sind hier richtig?»
«Sieht ganz so aus.» Die Herzen der Geschwister pochten nun auf einmal besonders heftig. Nun also war es so weit, bald würden sie die lebensfeindliche Umgebung der Unterwelt betreten. Noch konnten sie es kaum glauben.
«Jetzt wird es ernst,» flüsterte Pia «wir dürfen nun nicht mehr reden, sonst entdeckt uns der Herr der Finsternis zu bald. Es ist wichtig, dass wir uns jetzt ganz bewusst geistig verbinden, damit wir auch stumm kommunizieren können. Auch etwas Beten und Meditieren könnte sicher nicht schaden.» Die beiden anderen nickten zustimmend und so setzten sie sich hin, um in sich zu gehen. Auch versuchten sie bewusst über ihren Geist miteinander zu kommunizieren und tatsächlich gelang es ihnen erstaunlich gut.
(Anmerkung: Ab hier werde ich Gedanken- Kommunikationen kursiv schreiben, bitte beachten!)
Sie baten nochmals das göttliche Licht um seinen Schutz und dann betraten sie die Höhle. Die Dornen der verdorrenden Ranken jedoch, verfingen sich in ihren Kleidern und machten das Durchkommen schwer. Es kam ihnen vor, als würde sich nun alles gegen sie verschwören, damit sie die Unterwelt nicht betreten konnten. Leider hatten sie keinerlei Werkzeug, um die Ranken zu zerschneiden und schliesslich wirkte Malek einen Zauber. Die Ranken begannen sich zischend aufzulösen und eine schwarzrote, blut-ähnliche Substanz trat aus ihnen aus. Ein unglaublicher, ätzender Gestank, erfüllte kurz darauf die Luft. «Dieser Pflanzensaft besteht aus Gift!» sprach Malek im Geiste zu den Geschwistern «zum Glück tragen wir die Gewänder der Klarheit!» Pia und Benjamin nickten erschrocken. Nun wenigstens war der Weg jetzt frei und sie konnten weitergehen.
Vor ihnen öffnete sich nun eine riesige, schwarze Grotte! Ein schmaler Pfad führte von ihr aus, tief hinunter in den Berg und hier wurde es nun immer heisser. Von unten drang ein rötlicher Schein zu ihnen herauf. Vermutlich war das Lava oder irgendein Feuer. Sie blickten sich um und spürten auf einmal eine grosse Schwere und das Gefühl von Einsamkeit, denn hier war alles noch lebloser, als es vorhin im Moor gewesen war. Es gab an diesem Ort keinerlei Naturgeister mehr, das spürten sie und das machte ihnen fast am meisten Angst. Sie waren in der Herrschaftsbereich einer anderen, verderblichen Macht eingetreten und nun gab es kein Zurück mehr. «Wir müssen uns jetzt auf die Suche nach der Waffe machen, von welcher die Alte Windfrau gesprochen hat,» meinte Benjamin, auf telepathischem Wege zu seinen Begleitern. Malek nickte und sprach: «So wie es aussieht, müssen wir da hinunter.» Er zeigte auf den Pfad. «Er ist sehr steil und wirkt gefährlich. Seid vorsichtig!»
Langsam, ganz langsam, machten sich die drei an den Abstieg. Sie mussten sehr darauf achten, dass sie nicht ausrutschten oder stolperten, denn anders als auf dem Heiligen Berg, gab es hier keinen Deva, der ihnen ihren Weg erleichtern konnte oder wollte. Manchmal war es so steil, dass sie ihre Hände für den Abstieg zur Hilfe nehmen mussten. Es war stockfinster. Nur ihre, nun entzündeten Fackeln, spendeten etwas Licht. Es musste unglaublich tief hinuntergehen und sie fragten sich, wie sie da später wieder raufkommen sollten. Nun, jetzt war noch nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Sie mussten sich vorerst darauf konzentrieren, diesen Abstieg heil zu überstehen.
Endlich, nach einer endlos scheinenden Zeit, rückte der rötliche Schimmer näher und näher und sie sahen nun, dass der steile Weg zu Ende ging und an dessen Fuss, sich ein breiter Steg befand. Die Atmosphäre wurde immer drückender und stickiger. Giftige Dämpfe lagen überall in der Luft und es stank noch mehr nach Pech und Schwefel. Ohne die Gewänder…, sie hätten hier niemals überlebt. Der breite Steg, lag an einem Lava-Fluss und als sie näher traten, entdeckten sie auf diesem Fluss, eine einsame Barke. Ein Mann, in eine dunkelbraune Kutte gehüllt, stand auf dem Boot, seine Augen leuchteten wie zwei glühende Kohlen unter seiner Kapuze hervor. «Das ist der Fährmann, von dem die alten Mythen sprechen,» erklangen Maleks Worte im Geiste der Geschwister. «Wir müssen ihn für die Überfahrt bezahlen. Seht ihr, es gibt keinen Weg, der weiter ins Innere führt, da ist nur dieser… Feuerfluss. Nur über ihn kommen wir weiter.»
In diesem Moment hörten die Freunde auch noch eine andere Stimme in ihrem Kopf, diese stammte eindeutig vom Fährmann.
«Ihr gehört hier nicht her, ihr seid noch nicht gestorben.»
«Wir haben eine wichtige Mission zu erfüllen, also lass uns passieren!» erwiderte Malek. «Wir bezahlen auch dafür.» Die glühenden Augen, welche zugleich kalt und teilnahmslos wirkten, musterten die drei. Malek zog ein paar Goldmünzen hervor.
«Du kommst mir bekannt vor,» meinte der Fährmann auf einmal an den Magier gewandt. «Warst du schon einmal hier?»
«Ich? Nein! Nicht das ich wüsste.»
«Doch du warst schon mal hier, aber du erinnerst dich wohl nicht mehr. Hast du nicht Gob damals auf die Welt geholt?»
«Ja…» stotterte Malek «aber, dafür war ich niemals hier.»
«Nicht physisch vielleicht, aber mit deinem Geiste schon. Nun… um der alten Zeiten Willen, lasse ich euch passieren. Es kostet aber 5 Goldstücke, nur drei reichen in eurem Falle nicht.»
«Ich lege noch eine Münze drauf, wenn du unsere Ankunft hier für dich behältst,» meinte Malek und zog nochmals seinen Geldbeutel hervor.
«Es ist doch immer dasselbe, die Reichen erkaufen sich alles, sogar ihren vorzeitigen Eintritt in die Unterwelt. Dabei müssten sie nur ein wenig länger warten, denn jene die herzlos ihren Reichtum vermehren, landen sowieso hier. Sie glauben dann oft, dass sie sich ihre eigenen Imperien auch hier in der Unterwelt aufbauen können. Bis sie merken, dass auch Reichtum und Macht an Bedeutung verliert, im Angesicht der Schrecken, die sie hier umgeben und nur allzu gerne quälen. Aber was kümmert es mich! Steigt ein! Ich bringe euch vor die erste Pforte.»
Malek nickte und die Geschwister folgten ihm auf die schwankende Barke. Ihre Herzen klopften ihnen bis zum Hals und ihre Kehlen waren wie zugeschnürt. Ängstlich blickten sie hinunter in die zischende Lava, welche gegen das Boot schwappte, doch dieses hielt der Hitze stand, es schwebte beinahe über die heissen, verderblichen Fluten und sie kamen erstaunlich schnell vorwärts.
Schliesslich, nach einer, nicht enden wollenden Fahrt, erblickten sie in der Ferne ein riesiges, dunkles Portal, das von zwei schwarzen Statuen, ebenfalls mit Kapuzenmänteln, flankiert wurde. Sie trugen in ihren steinern Händen, zwei blutrot leuchtende Fackeln. Den Geschwistern wurde es immer unheimlicher. «Da hier ist die erste Pforte,» sprach der Fährmann. «Ich bringe euch ans Ufer.» Das Boot legte an einem steinernen, schwarzen Strand an und die Geschwister und der Magier sprangen hinaus. Die Lava-Wellen des Feuerflusses, schwappten über das Ufer und dort wo sie auftrafen, erkalteten sie unter lautem Zischen. Undurchdringlicher Qualm wurde dadurch erzeugt und die drei Freunde mussten beim aussteigen darauf achten, dass die Wellen sie nicht trafen. Die Sicht war ausserdem sehr schlecht. Unmittelbar beim Portal, verschwand der Feuerfluss dann unter der Erde.
Der Fährmann hob kurz seine Hand, dann fuhr er wieder davon.