Als der Riese zurückkam, fand er das Gehege leer vor. Er fluchte und stampfte vor Zorn, sodass die Fliehenden die Erschütterung der Erde, bis zu sich spüren konnten. Sie versteckten sich im naheliegenden Wäldchen und duckten sich zitternd hinter ein paar dichte Büsche. Als wieder einigermassen Ruhe einkehrte und der Riese sich offensichtlich daran machte, die überall versprengten Schweine wieder einzusammeln, wandten sich die Kinder an Humbold. Benjamin erklärte ihm, warum sie hergekommen waren und dass sie durch den Trank, den sie bei sich hatten, dem Koch seine einstmalige Gestalt wieder zurückgeben konnten. Anfangs war Humbold schon noch etwas misstrauisch, doch dann siegte doch die Sehnsucht, diesen ungeliebten Schweinekörper, endlich wieder verlassen zu können.
«Nun gut!» sprach er «schlimmer kann es sowieso nicht mehr kommen, dann gebt mir das Gesöff einfach mal!» Du wirst es nicht bereuen!» versicherte ihm Pia und flösste dem Schwein den Trank vorsichtig ein. Sofort begann die Verwandlung des Koches.
Als er jedoch wieder in seiner ursprünglichen Gestalt vor ihnen stand, kam es den Jugendlichen irgendwie vor, als habe er sich gar nicht so sehr verändert. Humbold sah, auch als Mensch, noch immer etwas wie ein Schweinchen aus. Er war ausgesprochen rundlich gebaut und hatte ein gut durchblutetes Vollmondgesicht. Er war nicht sehr gross, trug eine nicht mehr ganz weisse Schürze und besass rötliches, schütteres Haar. Seine kleinen hellblauen Augen blickten freundlich. Er konnte kaum fassen, was mit ihm geschehen war und musterte sich wie alle Verbannten, die ihre alte Gestalt zurückerhalten hatten, zuerst von oben bis unten. Er konnte sein Glück kaum fassen. «Bei allen heiligen Kochtöpfen!» rief er «endlich hat dieses elende Schweinedasein ein Ende!»
«War es sehr schlimm?» fragte Pia mitfühlend. «Humbold verzog sein Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. «Es war schrecklich, einfach nur schrecklich! Ich als königlicher Koch, mitten unter diesen sabbernden, grunzenden Schweinen. Es war für mich entwürdigend! Stellt euch nur vor: Ich musste im Schlamm schlafen und zu essen gab es nur Abfälle von diesen… diesen Monstren in dem Haus dort. Ich wurde vollgeschmiert und vollgesabbert, tagelang! Da riecht nur, welch ein Gestank! Doch damit nicht genug! Mehrmals wurde ich fast geschlachtet und jedes Mal, habe ich mir geschworen, nie mehr etwas mit Schweinefleisch zu kochen, sollte ich jemals wieder da rauskommen. Die Zeit hier… war die Schlimmste meines Lebens. Dabei… bin ich doch ein… Künstler, ein Künstler am Kochtopf und nicht im Schweinestall!» Humbold fächelte sich Luft zu, als wolle er den Schweinegeruch wegwedeln. Doch dieser haftete weiterhin hartnäckig an ihm, aber auch an den Geschwistern. Sie konnten dem Koch gut nachfühlen, wie er gelitten haben musste. «Ich glaube, das erste was wir jetzt brauchen, ist ein Bad!» meinte Pia. «Gibt es hier irgendwo ein Gewässer?» «Ja, ich glaube tatsächlich da gibt es einen Teich, etwas weiter da hinten!» sprach der Koch, scheinbar sehr angetan von der Aussicht auf ein erfrischendes Bad. Er ging den Kindern mit seinen kurzen Beinen voraus und sein Hintern schwenkte dabei hin und her. Pia und Benjamin mussten sich ein Grinsen verkneifen.
Kurz darauf erreichten sie tatsächlich einen Teich. Er lag inmitten des Waldes, umsäumt von Bäumen und Büschen. Seinen Ufern entlang wuchs teilweise dichter Schilf. Gespeist wurde das Gewässer von einem schäumenden, kleinen Wasserfall, der über eine, mit weichem Moos bewachsene, Felswand herabstürzte. «Ein herrliches Plätzchen!» schwärmte Pia.
«Ich hörte, hier lebt eine wunderschöne Nixe,» sprach Humbold leise. «Vielleicht sollten wir sie zur Sicherheit begrüssen, damit sie uns gewogen bleibt, wenn wir ihr Gewässer, auf solch üble Weise, verschmutzen.» Mit diesen Worten, trat der Koch ans Ufer und rief: «Wir grüssen dich, Herrin dieses Teiches. Verzeih uns, wenn wir dein Gewässer verschmutzen, doch es muss einfach sein. Danke für dein Verständnis.» Mit diesen Worte watete der Koch mit allen Kleidern ins Wasser hinein. Sogleich bildete der über mehreren Wochen angesammelte Schmutz, eine braungrüne Lache in dem klaren Wasser. «Ach, ist das herrlich!» rief Humbold begeistert. «Ich habe mich noch nie so gut gefühlt! So fühlt sich wahres Leben an! Ich hoffe nur, ich träume nicht nur.» «Nein, du träumst nicht,» lächelten die Geschwister. «Es ist alles real.» «Ich bin euch unendlich dankbar. Nun kommt aber auch herein. Ihr scheint ein Bad ebenfalls nötig zu haben, wenn auch nicht so dringend wie ich.»
Die Geschwister begrüssten nun die Nixe des Teiches ebenfalls und stiegen dann auch ins Wasser. Es war wahrhaft herrlich und das kühle Nass umhüllte sie wie ein wundervoller, reinigender Mantel. Fröhlich plantschten die drei herum und bespritzten sich mit Wasser. Humbold hatte viel mehr Humor, als man es ihm anfangs zugetraut hätte. Vermutlich hatte ihm dieser Humor auch dabei geholfen, sein Martyrium als Schwein besser auszuhalten. Er machte viele Scherze, auch über seine Zeit hier. Doch er berichtete auch von den Schrecken, welche die Riesen hier verbreiteten. «Die Zwerge leiden sehr unter diesen Grobianen,» sprach er. «Eigentlich leben sie still und zurückgezogen und sie haben sich hier stets im Einklang mit allem bewegt. Die Riesen jedoch, sind wie die Axt im Walde. Sie nehmen sich einfach alles, was sie kriegen können. Viele der Schweine, die ihr im Gehege gesehen habt, sind von den Zwergen gestohlen. Das ist schon tragisch.» «Vielleicht können wir ihnen ja helfen,» meinten die Geschwister. «Bleibt ihr denn noch lange hier?» «Einfach so lange wie nötig, wir sind auch noch wegen etwas anderem hier.» Sie berichteten Humbold nun von ihrer Suche nach dem Medaillon und dass sie die Zwerge sowieso aufsuchen wollten. «Ich hoffe sehr, dass ihr erfolgreich seid und das Medaillon bald zusammen habt. Auch damit alle Verbannten, wieder nach Hause zurückkehren können, ich eingeschlossen.» «Wir geben unser Bestes…»
versprachen die Kinder.