Balorion spürte seine Unsicherheit und ein Grinsen, umspielte sein gewaltiges Maul.
Malek ging in der Höhle eine Weile auf und ab. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Was sollte er nur tun?
Schliesslich fragte er: «Wenn ich dir helfen würde und es uns theoretisch gelingen würde, den Herrn der Finsternis zu bezwingen, was für eine Welt würdest du dann erschaffen?»
«Eine Welt ohne falsche Moral, eine Welt ohne Bestrafung, im Einklang mit den Kräften der Natur. Das Kriegshandwerk würde wieder zu seiner alten, reinen Pracht zurückfinden und es gäbe keinen verdammten Ort mehr, wie die Unterwelt, wo irgendwelche Geschöpfe, solch schreckliche Qualen erleiden müssten.»
«Aber was ist mit der ewigen Glückseligkeit, in den hohen Himmeln?»
«Die Glückseligkeit und irgendwelche hohen Himmel, würde es dann auch nicht mehr brauchen, denn meine Welt wäre in sich selbst perfekt und voller Glückseligkeit!»
«Ich weiss nicht so recht, ob wir beide dasselbe unter Glückseligkeit verstehen,» murmelte Malek. Die Aussicht, welche ihm Balorion hier präsentierte, mochte ihn nicht so wirklich zu überzeugen.
«Warum?» fragte der Riese ihn. «Habt ihr nicht vor einiger Zeit erkannt, dass man stets von Augenblick zu Augenblick leben sollte…»
Diese Worte rissen Malek wieder in die Realität zurück.
«Ja, jetzt wo du gerade davon sprichst, was ist eigentlich mit Pia und Benjamin passiert?»
«Ach die sind wohl mittlerweile an den Ufern der innersten Höllen- Kreise angeschwemmt worden.»
«Aber… dann brauchen sie mich doch! Ich muss unbedingt zu ihnen! Bitte, bring mich zurück an die Oberfläche!»
«Ach Malek, warum nur hängst du so an diesen… unbedeutenden Wesen? Was können sie schon vollbringen, dass wir beide nicht hundertfach schaffen können?»
«Sie sind mir sehr wertvoll, das solltest du mittlerweile wissen. Sie haben eine wichtige Aufgabe und ich muss ihnen dabei helfen. Bitte lass mich gehen!»
«Von wem aber, haben sie diese wichtig Aufgabe erhalten?»
«Von dem grossen, göttlichen Geist, der in allem und durch alles lebt.»
«Du glaubst also wirklich daran?»
«Ja natürlich! Ich habe schon oft gefühlt, wie mich dieses Licht, diese vollkommene Liebe, berührt hat. Es war das Schönste, was man sich vorstellen kann.»
«Aber dir ist schon klar, dass du mit dem zwanghaften Helfersyndrom, in Bezug auf diese Kinder, nur wieder in die uralte Falle tappst, in die die Geschöpfe immer wieder tappen. Du fühlst dich schuldig und glaubst, du müssest Sühne leisten? Aber für was den eigentlich?»
«Natürlich dafür, dass ich meinen Mitgeschöpfen einst so grossen Leid zufügte. Ich habe das Reich der Hundert Juwelen, zusammen mit Gob zerstört und viele arme Seelen, in fremde Welten verbannt. Da ist es nur recht und billig, wenn ich es wieder gut zu machen versuche.»
«Ach Malek, genau das ist es, was dich immer wieder schwächt, es sind deine Schuldgefühle. Einst werden sie dich noch zu Fall bringen. Dabei war dein Verhalten damals ganz natürlich! Deine grosse Liebe hat dich schändlich verraten und verlassen, da war es klar, dass du dich wehren musstest.»
«Nein! Ich hätte genug Liebe aufbringen sollen, um Nofrete loszulassen. Kein Geschöpf, darf einem anderen Geschöpf seinen Willen aufzwingen und ihm schon gar kein Leid zufügen. Ich bin schon damals dem Geschwätz des Herrn der Finsternis auf den Leim gegangen, glaubst du tatsächlich, mir passiert das nochmals bei dir? Du sprichst von einer Welt, die nicht mehr von falschen Moralvorstellungen geprägt ist, aber fast im gleichen Atemzug, verurteilst du Nofrete, weil sie mich auf diese Weise verlassen hat. Das alles passt mit meiner heutigen Sicht der Dinge, nicht zusammen. Und auch wenn ich wider Erwarten eine Inkarnation von dir sein sollte, so bestimme ich mein Schicksal doch noch immer selbst. Ich entscheide selbst, welchem Herrn ich dienen will, ob ich überhaupt irgendeinem Herrn dienen will. Darum kann ich dir nicht helfen, auch wenn einige Dinge, die du gesagt hast, sicher von Weisheit geprägt waren. Doch auch dein, sogenannter Heilsplan für die Welt, lässt mich befürchten, dass dadurch, nur ein grausamer Herr, von einem anderen grausamen Herrn abgelöst werden würde. Da warte ich lieber, bis die Welten einst alle vereint und in Frieden leben werden.»
«Frieden! Als ob die Weltenbürger für einen dauerhaften Frieden gemacht wären!» rief Balorion nun sichtlich zornig und seine Stimme, liess die Höhle erzittern. Doch Malek liess sich davon seltsamerweise nicht mehr einschüchtern. In ihm war auf einmal eine tiefe Ruhe und Zufriedenheit.
«Auf jeden Fall ist es ein hehres Ziel, das es sich lohnt anzustreben und wenn es meinen Tod bedeuten sollte.»
Balorion kochte vor Wut, er hätte es niemals für möglich gehalten, dass sein Avatar es wagen würde, ihn auf diese Art zurück zu weisen. «Du schlägst also mein Erbe und meine Angebot einfach aus!»
«Gegen das Erbe kann ich nichts tun, ich kann es vielleicht sogar für eine gute Sache einsetzen. Dein Angebot muss ich dennoch ablehnen.»
«Aber ich bin besser als der Herr der Finsternis!»
«Trotzdem, deine Ziele sind teilweise fragwürdig und auch gar nicht mehr zeitgemäss. Du bist schon seit Ewigkeiten hier unten, du hast nicht wirklich mitbekommen, wie schnell sich das Omniversum verändert. Wie schnell sich all die Geschöpfe verändern, welche Ängste, Träume und Vorstellungen, sie heute haben. Kriege haben wir schon mehr als genug erlebt. An so manchem Ort, sind schon viele schreckliche Dinge passiert. Doch die Geschöpfe haben sich auch entwickelt.
Die Geschlechterrollen sind heute ganz anders verteilt, Frauen erhalten immer mehr Rechte und Kinder werden mehr geschützt. Die Medizin und die Heilkunst sind weit fortgeschritten und neue, wissenschaftliche Erkenntnisse, haben die Sicht der Lebenden, auf gewisse Dinge, ebenfalls verändert.
Sogar eine gewisse Moral braucht es, damit man Gesetze erlassen kann, um die Schwachen, vor den Tyrannen zu schützen. Du siehst also es hat sich einiges getan und du kannst darum nicht einfach so weitermachen, wie damals als du noch so grosse Macht in den Welten hattest. Auch weil es einfach nicht der richtige Weg wäre. Ich muss meinen eigenen Weg finden.
Darum…, wenn du wirklich denkst, du bist besser als der Herr der Finsternis, dann bring mich bitte zurück zu Pia und Benjamin. Sie sind die Auserwählten, die eine enorm wichtige Rolle im Omniversum einnehmen werden.»
«Dann sind diese Kinder also deiner Herren?!» fragte Balorion angewidert. «Wie kannst du dich nur den Schwächsten der Schwachen unterwerfen?» «Ich unterwerfe mich ihnen nicht, sie sind wie eine Familie für mich. So etwas kennst du natürlich nicht. Ausserdem sind sie überhaupt nicht schwach! Sie besitzen genau jene Stärke, welche die Welten heute brauchen und darum werde ich ihnen beistehen, bis zum bitteren Ende.»