Teil IV - Erdatem
Dimitri und Demetia, die unzertrennlichen Zwillinge, entdecken bei einem Unfall ihre übernatürlichen Kräfte – und merken, dass manche Bindungen nicht ganz so eng sind, wie sie gedacht haben.
Dimitri – 14. August
Ich halte den Atem an und ducke mich so tief in mein Versteck, wie es mir nur irgendwie möglich ist. Ich liege flach auf dem Deckel einer großen Mülltonne, unter der Abdeckung, die besagte Mülltonnen vor der Witterung schützt.
Der Geruch ist wirklich nicht von schlechten Eltern. Aber was ich vor habe, ist die Qual allemal wert. Ich halte so still ich kann, damit ich mich nicht mit irgendeinem Geräusch verrate.
Demetia biegt um die Ecke, unter der Last eines riesigen, dunkelblauen Müllbeutels wankend.
Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht laut zu kichern. Atemlos warte ich, bis Demetia näher kommt. Sie setzt den Beutel ab und dreht den Mülltonnen dabei den Rücken zu. Perfekt. Blitzschnell schiebe ich mich nach vorne, bis ich fast ihren Hinterkopf berühre. Demetia hat mich natürlich gehört und wirbelt jetzt herum, um den Grund für das Geräusch zu erfahren.
„Was zur – Aaahh!“, kreischt sie, als sie direkt in mein grinsendes Gesicht blickt, dass nur um einen Zentimeter von ihrer Nasenspitze entfernt ist.
Sie macht einen Schritt nach hinten und stolpert über den Müllbeutel, um auf den Boden zu fallen. Über ihr erschrockenes Gesicht muss ich so heftig lachen, dass ich von den Mülltonnen falle.
„Dimitri!“, schreit sie mich an, als ich mich vor Lachen auf dem Boden kugele. Ich bin beim Fallen auf der Schulter gelandet und halte sie mir jetzt, während ich eine Mischung aus Schmerzensschreien und Lachern von mir gebe.
„Dimitri!“, flucht Demetia und steht auf, um sich die schmutzige Hose sauber zu klopfen. „Du bist unmöglich!“
Noch immer von Lachkrämpfen geschüttelt stehe ich auf und stütze mich auf meinen Knien ab: „Du hättest dein Gesicht sehen müssen! Du hast dir doch echt in die Hosen gemacht!“
Demetia holt aus und schlägt mich, aber ihr Angriff ist so schwach, dass ich ihn kaum spüre. Ich hole tief Luft, bevor ich noch ersticke.
„Puh, das war gut!“
Demetia schüttelt seufzend den Kopf und drängt mich zur Seite: „Geh mal aus dem Weg, manche Leute müssen arbeiten.“
Sie öffnet die Mülltonne und wuchtet dann den schweren Sack nach oben. Dabei rümpft sie ihre Nase: „Boah, wie lange hast du darauf gelegen? Du stinkst schlimmer als ein seit drei Tagen toter Hase!“
Ich breite die Arme aus und grinse sie frech an: „Kuschelattacke!“
Kreischend wehrt Demetia meine plötzliche Zuneigung mit einem ausgestreckten Arm ab: „Dimitri! Hör auf! Ihh! Du bist so ekelig!“
Sie ist ein wenig größer als ich und so muss ich gegenüber ihren langen Armen aufgeben. Außerdem bin ich immer noch völlig außer Atem von meinem Lachanfall. Ich lasse sie in Ruhe und streiche Schmutz von meiner gelben Winterjacke.
Noch immer grinsend betrachte ich Demetia. Sie streicht sich ein paar Haare in ihren schwarzen Zopf zurück, die sich gelöst hatten. Sie hält sich trotz des Schocks noch gerade und wirft mir einen ihrer hochmütigen Blicke zu. Dann zupft sie ihren rotbraunen Sommermantel zurecht.
„Gib's zu, du hast dich erschreckt!“, verlange ich.
Demetia schnaubt belustigt: „Natürlich nicht. Ich wusste doch, dass du es warst.“
„Phh! Garnicht!“, schimpfe ich und verschränke die Arme vor der Brust. „Du hast doch total gekreischt und bist hingefallen!“
„Nur, damit du glücklich bist, kleiner Bruder“, neckt mich Demetia und kneift mir in die Wange. Ich schlage ihre Hand weg – sie weiß doch, wie sehr ich das hasse!
Dann wischt sie ihre Hände ab und winkt mir, ihr zu folgen: „Komm jetzt, Mitja. Jetzt, wo ich dich gefunden habe, kann ich dich ja in die Küche mitschleifen.“
„Och neeee!“, sage ich gedehnt. „Ich will nicht!“
„Wenn du nichts besseres im Sinn hast, als Unsinn zu machen, musst du auch mit Konsequenzen rechnen!“, sagt Demetia so erwachsen, als wäre sie nicht nur ein paar Stunden älter als ich.
„Oh, bitte nicht!“, jammere ich und sehe meine Schwester mit meinen größten Hundeaugen an.
Demetia seufzt: „Na, lauf schon! Aber dafür bekomme ich deinen Nachtisch!“
„Ist gut!“, rufe ich und bin schon wieder unterwegs, um einen neuen Streich auszuhecken.
Demetia ruft mir nach, dass sie mich heute Abend an meine Worte erinnern wird und jetzt wieder vorbildlicherweise arbeiten gehen würde.